Interview: Reporting und Datenanalytik mit GIS-Fokus

Zum 20-jährigen Firmenjubiläum der Disy Informationssysteme GmbH sprach Business Geomatics mit Geschäftsführer Claus Hofmann.

Disy wurde 1997 gegründet und ist ein Software-und Beratungshaus aus Karlsruhe mit heute 70 Mitarbeitern. Disy ist auf Datenintegration und Auswertung von großen Datenmengen fokussiert und entwickelt die GIS- und Reporting-Plattform Cadenza. Zu Beginn war Cadenza noch ein Client/Server-Desktop-System, inzwischen ist es die zentrale Plattform für GIS und Reporting für Desktop, Web und Mobile bei über 300 Kunden im deutschsprachigen Raum.

 

Business Geomatics: Herr Hofmann, wie hat im Jahr 1997 eigentlich alles angefangen?

Claus Hofmann verfolgt weiterhin eine langfristige Wachstumsstrategie, auch international. Foto: Disy Informationssysteme GmbH
Claus Hofmann verfolgt weiterhin eine langfristige Wachstumsstrategie, auch international. Foto: Disy Informationssysteme GmbH

Claus Hofmann: Als Spin-off des Forschungszentrums Informatik und der Uni Karlsruhe reichen die Wurzeln von Disy weit in den universitären Bereich zurück. Als sich das Internet 1990 verbreitete, arbeiteten wir eng mit dem Umweltministerium Baden-Württemberg – übrigens bis heute ein wichtiger Kunde – zusammen, um mit den damals neuen Technologien HTML, CGI-Skripte und später Java 1.0 Umweltdaten im Internet verfügbar zu machen. Aus dieser engen Zusammenarbeit mit der Umweltverwaltung entstand der Kern unseres Produkts Cadenza. Im Jahr 1997 war das aber zunehmend keine Forschung mehr. Das war die Geburtsstunde von Disy. Das Unternehmen wurde gegründet, um die Ergebnisse aus der Zusammenarbeit und der Forschung in ein Produkt zu überführen und dieses am Markt einzuführen – mit allem was dazugehört, also von der kontinuierlichen Weiterentwicklung, dem Support bis hin zur Beratung und der Unterstützung bei der Einbettung in die jeweilige IT-Landschaft des Kunden.

Wo sind rückblickend die Meilensteine des Unternehmens?

Wichtig für die Entwicklung von Disy war, dass wir sehr früh z. B. im Projekt „Landesdatenbank Wasser“ in Niedersachsen (2002) und etwas später im Projekt „Data Warehouse Wasser“ in Bayern (2004), in denen zentrale Systeme für das EU-Berichtswesen neu geschaffen wurden, eingebunden waren. EU-Rahmenrichtlinien und die dort erstmals geforderten übergreifenden Datenzusammenführungen und -auswertungen waren auch in den kommenden Jahren der zentrale Treiber für unsere Technik und unseren Erfolg. Das zieht sich bis heute durch mit Portalen in mehreren Bundesländern für die Hochwasserrahmenrichtlinie, mit Informationssystemen für die Umgebungslärmrichtlinie oder mit dem Aufbau von Geodateninfrastrukturen für die Umweltrichtlinie INSPIRE. Erst kürzlich haben wir beispielsweise ein Zwei-Millionen- Euro-Projekt zur EU-Umgebungslärmrichtlinie mit dem Eisenbahn-Bundesamt erfolgreich abgeschlossen, einem Kunden, der es übrigens in der ersten EU-Berichtsphase noch mit einem klassischen GIS-Ansatz versucht hat und damit massive Probleme hatte.

Cadenza bietet Zugang für unterschiedliche Nutzergruppen: Cadenza Desktop für den Profi am Desktop, Cadenza Web für viele Gelegenheitsnutzer, Cadenza Mobile für Anwender im Außendienst. Foto: Disy Informationssysteme GmbH
Cadenza bietet Zugang für unterschiedliche Nutzergruppen: Cadenza Desktop für den Profi am Desktop, Cadenza Web für viele Gelegenheitsnutzer, Cadenza Mobile für Anwender im Außendienst. Foto: Disy Informationssysteme GmbH

Auch wichtig für Disy war, dass wir den technologischen Wandel stets mitverfolgt haben und unsere Plattform entsprechend erweitern konnten. War Cadenza um das Jahr 2000 noch ein Client/Server-Desktop-System, haben wir die Plattform 2005 um ein zusätzliches Web-Frontend und 2012 um eine mobile App für iOS und Android erweitert. Alle Teile der Cadenza-Plattform nutzen dabei dieselbe Konfiguration für die Datenfilterung, die Darstellung von Tabellen, Diagrammen oder Karten sowie für die Berichtserstellung. Im sogenannten Repository fließt alles zusammen und den Nutzern werden zielgruppengerecht dieselben Inhalte präsentiert – immer unter Berücksichtigung der umfangreichen Mechanismen zur Rechteeinstellung. Was ein Power-Nutzer in der Desktop-Anwendung konfiguriert und freigibt, ist damit sofort in der Web-Anwendung verfügbar. Besonders hervorzuheben ist, dass wir den technologischen Wandel dabei immer recht fließend und ohne große Inkompatibilitäten für unsere Kunden mitvollziehen konnten, da Cadenza primär auf Konfiguration statt auf Anpassung durch Programmierung setzt.

Aus unserer Sicht hat sich Disy immer sehr an dem Begriff GIS gerieben. Ist Disy nun eine GIS-Company oder nicht?

Nein und ja. Wo immer möglich, handeln wir nach dem Credo „Spatial is not special“. Das gelingt mittlerweile sehr gut. Vor 10 Jahren war das noch eine größere Herausforderung, aber die Grenzen zerfließen zunehmend und das stärkt unsere Position. Als GIS-Company sehen wir uns nur soweit, dass wir ein tiefgreifendes Know-how über klassische GlS-Technologien und alle möglichen Geodaten haben. Wir wissen, dass das Marketing häufig Schubladen verlangt. Aber kein Kunde hat mir bislang diese Frage gestellt. Unseren Kunden ist es wichtig, dass wir unsere Produkte und Dienstleistungen möglichst nahtlos und damit wirtschaftlich in die vorhandene IT- und Datenlandschaft einbetten können, ohne dabei neue Datensilos zu schaffen.

Traditionelle GIS-Systeme werden sich meiner Meinung nach zukünftig wieder mehr auf die Geodatenproduktion/-pflege und die Bereitstellung von Spezialfunktionen für Experten fokussieren. Bis auf spezielle Nischen wird die Mainstream-IT die Integration von Geodaten über ETL-Prozesse und die Mehrwert schaffende Datenanalytik und Visualisierung für die meisten Nutzergruppen übernehmen. Wir sind somit eher ein Reporting- und Datenanalytik-Unternehmen mit starkem GIS-Fokus. Unsere Mission ist es, unsere Kunden dabei zu unterstützen, optimale Entscheidungen auf der Grundlage von Sach- und Geodaten zu treffen.

Es gibt wenige Unternehmen am GIS-Markt, die sich so klar den Brückenschlag zwischen GIS, Datenbank und BI auf die Fahne geschrieben haben. Ist das Geschäftsmodell von Disy so schwer kopierbar?

Cadenza – Die Plattform für organisationsweites GIS und Reporting. Foto: Disy Informationssysteme GmbH
Cadenza – Die Plattform für organisationsweites GIS und Reporting. Foto: Disy Informationssysteme GmbH

Unsere Kerntechnologie nutzt Ansätze des Reportings und der Datenanalytik und ist somit von Grund auf für offene Datenbankinfrastrukturen ausgelegt. Traditionellen GIS-Herstellern fällt es schwer, ihren Kern und die Jahrzehnte gewachsene Technik drum herum auf offene Datentechnik umzustellen und Lösungen anzubieten, die GIS-Silos vermeiden. Sie bieten diesbezüglich nur halbherzige Anbindungen.

Aber die Technik macht nur ein Teil unseres Erfolgs aus. Ein weiterer wichtiger Baustein ist, dass wir neben der klassischen Lizenzierung für große Kunden auch ein kooperatives Nutzungsmodell anbieten und mit großem Erfolg leben. Partizipation und Flexibilität sind immer wichtiger werdende Erfolgsfaktoren. Eine Produktentwicklung aus dem konkreten Kundenbedarf heraus in Form von Projekten ist ein wesentliches Paradigma für Disy. Auch in diesem Punkt sind wir vielen Mitbewerbern weit voraus. Ich bin mir sicher, dass wir damit unseren Vorsprung in Zukunft sogar noch weiter ausbauen werden.

Disy ist gleichermaßen in den Sachwelten Unternehmenssoftware/Mainstream-IT und Geo-IT beheimatet: Wie sehen die Unterschiede zwischen beiden Welten aus?

Den Hauptunterschied sehe ich im Umgang mit Daten und Datenprozessen. Die „Mainstream-Datenanalytik“ ist es gewöhnt, sich die Daten automatisiert aus Primärsystemen wie ERP und CRM zu holen, zusammenzuführen und in Sekundärsysteme wie Data Warehouses zu überführen. Dort werden sie über Reporting- und Analytik-Software unterschiedlichen Anwendergruppen bereitgestellt. Traditionelle Geoinformationssysteme gehen immer noch den Weg, sich die notwendigen Daten redundant zu importieren und dann ausschließlich kartenzentriert den Anwendern bereitzustellen. Wenn ein Web-GIS die Anforderungen nicht ganz abdecken kann, erfolgt eine Kopplung mit einer zusätzlichen BI-Software, die auf Applikationsebene programmiert wird. Das Vorgehen ist weder wirtschaftlich noch bietet es die Flexibilität und Schnelligkeit, die Anwender im Berichtswesen benötigen.

Der Geo-IT fällt es noch schwer, sich nahtlos in die vorhandene Dateninfrastruktur bei größeren Organisationen zu integrieren. Damit schaffen sie im analytischen Teil Silos. Hier übersieht die Geo-IT die aktuelle Marktentwicklung. Die BI-Welt schläft nicht und hat in jüngster Zeit auch die Integration von Geodaten entdeckt. Quasi alle BI-Hersteller bauen massiv entsprechende Funktionsbereiche aus. Klassische GIS-Server dienen dort zukünftig nur noch als Bereitsteller von Hintergrundkarten.

Neue Technologien wie In-Memory- und NoSQL-Datenbanken können zunehmend Geodaten analysieren und weiterverarbeiten. Wo liegen Chancen und wo Risiken bei diesem Trend für GIS-Unternehmen?

Bis auf Spezialaufgaben wird die Geodatenanalytik und -visualisierung in Gebrauchskarten immer mehr von Systemen übernommen werden, die wie Cadenza auf Mainstream-Datentechnik aufsetzen. Das wird den Markt für klassische Geoinformationssysteme beschränken. Großes Potenzial für Geo-IT sehe ich im Big-Data-Markt. Immer mehr Sensoren erzeugen Unmengen von Daten – viele, wenn nicht sogar die überwiegende Menge davon, haben einen Geobezug. Diese Datenströme auch raumbezogen auszuwerten, wird eine immer wichtigere Aufgabe. Hierfür benötigt man neue Techniken. Allerdings werden sich Unternehmen mit klassischen GIS-Ansätzen hier auch schwer tun, da die Datenmengen und die Big-Data-Techniken unbedingt verlangen, dass die Geoverarbeitung und räumliche Logik zu den Daten gebracht werden, und nicht wie derzeit klassisch üblich, die Daten zu den Geoinformationssystemen.

Vor diesem Hintergrund sind wir vor Kurzem eine Partnerschaft mit Talend eingegangen. Das Unternehmen Talend ist laut Gartner-Studie ein global führender Anbieter für Big Data und Datenintegration. Mit der von Disy entwickelten Erweiterung „GeoSpatial Integration für Talend“ können nun auch Geodaten innerhalb der mit Talend-Werkzeugen generierten Datenprozesse angesprochen und verarbeitet werden. Für Disy ein wichtiger Partner, um sich gut in diesem neuen Markt aufzustellen.

Allgemein kann man sagen, dass sich die Technologie rasend schnell weiterentwickelt. Wir gehen davon aus, dass Unternehmen wie wir, die sich flexibel und offen zu neuen Techniken der Mainstream-Datenanalytik positionieren, den Wachstumsmarkt für sich erschließen können. Andere GIS-Unternehmen werden ihre Märkte nicht erweitern können.

Planen Sie weiteres Firmenwachstum?

Natürlich. Eine Firma, die sich nicht inhaltlich und wirtschaftlich weiterentwickelt, hat keine Zukunft. Seit Firmengründung wächst Disy organisch mit überdurchschnittlichen Wachstumsraten zwischen 15% und 30% pro Jahr. Thematisch haben wir in der Umweltverwaltung begonnen, dort wo wir jetzt in fast allen großen Behörden zentrale Systeme implementiert haben. Derzeit erschließen wir die Bereiche Landwirtschaft, Agrarindustrie, Verbraucherschutz und Infrastruktur. Neu und stark wachsend ist auch der Bereich Innere Sicherheit. Wie Sie sehen, gibt es noch zahlreiche Themen und Branchen mit einem starken Raumbezug in ihrem Handeln oder Geschäftsmodell, die noch auf Disy-Technologie warten.

Wie sieht es mit dem internationalen Ausbau des Geschäftes aus?

Eine Internationalisierung ist nichts, was man eben mal so mitmachen kann, und noch haben wir mit unserem Wachstum im deutschsprachigen Raum alle Hände voll zu tun. Aber wir haben die Absicht, auch international tätig zu werden, und bereiten das auch bereits vor. So sind wir in internationalen Forschungsprojekten aktiv und erweitern aktuell alle unsere Produkte um Mehrsprachigkeit. Da unser Produktportfolio sehr dienstleistungsintensiv ist, gilt es auch, für Vertrieb und Beratung internationale Partner zu finden, die direkt vor Ort unsere Produkte einsetzen.

Bei Disy werden auch Themen wie Sport, Musik und soziales Engagement großgeschrieben. Welche Rolle spielt die Unternehmenskultur?

Bei Disy ist Fach- und Kundenverständnis genauso wichtig wie fundierte Informatikkenntnisse. Beides interdisziplinär zu verschmelzen, gelingt nur mit den besten Mitarbeitern und einer passenden Unternehmenskultur. Foto: Disy Informationssysteme GmbH
Bei Disy ist Fach- und Kundenverständnis genauso wichtig wie fundierte Informatikkenntnisse. Beides interdisziplinär zu verschmelzen, gelingt nur mit den besten Mitarbeitern und einer passenden Unternehmenskultur. Foto: Disy Informationssysteme GmbH

Unsere Unternehmenskultur ist ein wichtiger Baustein zu unserem Erfolg. Wir legen sehr viel Wert auf teamorientierte Zusammenarbeit sowie einen wertschätzenden Umgang miteinander. Da wir in fast allen Kundenprojekten auch unser Produkt agil weiterentwickeln, ist eine inhaltlich sehr eng abgestimmte Zusammenarbeit aller Bereiche erforderlich, um auch unter hohem Termindruck qualitativ hochwertige Lösungen zu schaffen. Durch eine ganzheitliche Unternehmenskultur, die auch die menschlichen Aspekte adressiert, schaffen wir die Basis für diese vertrauensvolle Zusammenarbeit aller bei Disy.

In der Branche ist die Qualifikation der Mitarbeiter im Spannungsfeld von Naturwissenschaften, Informatik und Geografie sehr wichtig. Was ist für Disy-Mitarbeiter entscheidend?

Unser Wachstum und unsere Innovations- fähigkeit ist von der Verfügbarkeit von hochqualifizierten Mitarbeitern abhängig. Wir benötigen neben Informatikern vor allem Geo- und Naturwissenschaftler und Ingenieure mit überdurchschnittlicher IT-Affinität. Leider sind solche Mitarbeiter schwer zu finden, und die entsprechenden Hochschulausbildungen gehen oft im Informatik-Teil nicht weit genug.

Für Disy ist es deshalb auf der einen Seite wichtig, dass sich Mitarbeiter Wissen und Erfahrung per Training on the Job aneignen und ausbauen können. Neben guten Kommunikationsfähigkeiten und sozialer Empathie muss ein Mitarbeiter deshalb von IT-Innovationen begeistert sein und sich dauerhaft aus eigenem Antrieb mit dem State of the Art auseinandersetzen.

Auf der anderen Seite machen wir bei Einstellungen keine Kompromisse. Disy ist für seine Kunden eine homogen leistungsfähige Firma, der man auch gerne die innovativen Zukunftsthemen anvertraut. Für uns sind deshalb Fach- und Kundenverständnis genauso wichtig wie fundierte Informatikkenntnisse. Beides interdisziplinär zu verschmelzen, gelingt nur mit den besten Mitarbeitern und einer passenden Unternehmenskultur.

Wir schaffen deshalb Freiräume für engen Austausch innerhalb der Teams, persönliche Spielwiesen durch sogenannte „Aarlaubstage“ oder interne Hackathons, an denen jeder seine persönlichen Themen voranbringen kann. Umrahmt wird das durch eine Führungskultur, die auf eine intensive, begleitende Führung und Personalentwicklung setzt.

Noch ein Ausblick in die Zukunft: Wo sehen Sie Disy zum 30-jährigen Jubiläum?

Wir haben eine klare Vision: Disy ist ein international vernetzter Lösungsanbieter für Datenanalytik von Geo- und Sachdaten als Grundlage für Berichts- und Entscheidungsprozesse. Unser Produkt Cadenza ist weltweit das beliebteste System für raumbezogenes Berichtswesen.

 

Kontaktdaten:
Disy Informationssysteme GmbH
Ludwig-Erhard-Allee 6
76131 Karlsruhe
Tel. +49 721 16006-000
Fax +49 721 16006-05
kontakt@disy.net
www.disy.net
Halle 3.1 | C3.025

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