Fließwege simulieren

Mobile-Mapping-Daten liefern die Grundlage für komplexe Berechnungsmodelle, mit denen die Abflusswege von Niederschlagswasser simuliert und analysiert werden. Die GELSENWASSER AG arbeitet zu diesem Zweck mit eagle eye technologies zusammen.

Kommunen können durch die Mobile- Mapping-Daten Gefahrenpunkte erkennen und Maßnahmen für die Wasserführung bei Starkregen planen. Foto: eagle eye technologies
Kommunen können durch die Mobile- Mapping-Daten Gefahrenpunkte erkennen und Maßnahmen für die Wasserführung bei Starkregen planen. Foto: eagle eye technologies

Bei lokalen Starkregenereignissen muss das kommunale Abwasser- und Kanalnetz in kurzer Zeit große Wassermassen annehmen und ableiten. Ist das Kanalnetz überlastet, ist das Schadensrisiko besonders in Gebieten mit hoher Siedlungsdichte groß. Straßen, Grundstücke oder Teilbereiche der Infrastruktur werden überschwemmt. Betreiber von Abwasser- und Kanalsystemen sind daher zunehmend gefordert, angeschlossene Grundstücke auch sicher gegen Überflutung zu schützen. Insbesondere Kommunen sind nach den Regelwerken der DWA und der DIN EN 752 sogar zur Überflutungsvorsorge verpflichtet. Mit Blick auf die teils verheerenden Starkregenereignisse der letzten Jahre haben die Diskussionen um die nachhaltige und vorausschauende Stadtplanung vor diesem Hintergrund zum Umdenken geführt. Erste Aufgabe ist es, die Fließwege des Regenwassers in die Kanalisation nachzuvollziehen, Schwachstellen zu finden und diese nach Möglichkeit auszubessern. Grundlage hierfür sind Computermodelle, die den Wasserabfluss im Kanal und anschließend bei nicht ausreichender Kanalkapazität die überirdischen Fließwege des Regenwassers gekoppelt (1D/2D) berechnen und realistisch simulieren. Stellte diese gekoppelte Simulation vor wenigen Jahren noch eine große Herausforderung für die IT dar, gibt es heute für diesen Zweck ein großes Angebot leistungsfähiger Werkzeuge.

Unabhängig vom Anbieter gilt jedoch: Ein Modell, sowie das damit erzielte Ergebnis, ist bestenfalls so gut, wie die Qualität der Eingangsdaten. Und dies gilt bei der gekoppelten Simulation besonders für das Oberflächenmodell von Straßen und deren umliegender Randbebauung. Die vorhandenen Datengrundlagen für eine realistische Simulation der oberirdischen Fließwege sind allerdings in vielen Kommunen hinsichtlich Qualität und Umfang nicht ausreichend. Oftmals müssen also etwa Strukturen auf der Straßenoberfläche oder auch Maßnahmen des privaten Objektschutzes händisch erfasst und abgemessen werden. Und selbst wenn etwa die Gebäude noch aus ALKIS-Daten ableitbar sind, beziehungsweise als separate Shape- Dateien zur Verfügung stehen, mangelt es vielerorts an verfügbaren Informationen zu Hoch- und Tiefborden und weiteren relevanten topographischen Bestandsdaten. Eine Möglichkeit, mit wenig Aufwand und in kurzer Zeit zentimetergenaue Informationen zur Straßengeometrie zu generieren, sind Mobile-Mapping-Verfahren. Zahlreiche Kunden wie etwa die GELSENWASSER AG setzen dabei auf den Dienstleister eagle eye technologies.

Präzise Verortung

Die Messfahrzeuge von eagle eye technologies sind mit Stereokameras und Laserscannern ausgestattet. So ist es möglich, die entsprechenden Strecken abzufahren und den Straßenraum dreidimensional und zentimetergenau zu erfassen. Mittels des eagle eye-Navigationssystems werden die so generierten Punktwolken und Bilder georeferenziert. Zur Standortbestimmung nutzt eagle eye unter anderem den Korrekturdienst VRSnow mit mehreren hundert Referenzstationen, deren exakte Position bekannt ist. „Auf diesem Wege kann die GNSS-Ortung anhand der bekannten, genauen Position referenziert und der ermittelte Fehler an die mobilen Empfänger in der Umgebung gesendet werden”, so Dr. Johannes Ludwig, Geschäftsführer von eagle eye technologies. Die mobile Station, in diesem Fall das Messfahrzeug, kann ihrerseits das empfangene Satelliten- Signal um die nun bekannte Abweichung korrigieren. „Auf diese Weise ist es möglich, die Messgenauigkeit für diesen Sensor der eagle eye-Navigation zu erhöhen”, so Ludwig.

Querschnitt eines Straßenprofils, mit dem sich berechnen lässt, wie Wasser bei Starkregen fließt. Foto: eagle eye technologies
Querschnitt eines Straßenprofils, mit dem sich berechnen lässt, wie Wasser bei Starkregen fließt. Foto: eagle eye technologies

Die vom Mobile-Mapping-System aufgenommenen Rohdaten werden in nachgeschalteten Schritten weiterverarbeitet. Dabei leitet das Unternehmen Strukturen aus den dreidimensionalen Daten ab und klassifiziert diese. Als Ergebnis werden dann auch Bruchkanten von Hoch- und Tiefborden, Randsteinen und Mauern oder Gebäudefronten und weitere Objekten im Straßenraum, wie Stromkästen oder Laternen, als 3D-Polygone modelliert. Die Daten werden in gängigen Austauschformaten bereitgestellt, so dass sie direkt in die Simulationsumgebung bzw. ins GIS importiert werden können.

Neben den digitalen Strukturdaten kann der Kunde außerdem auf eine detaillierte Fotodokumentation zurückgreifen, da für das photogrammetrische Verfahren flächendeckend Fotos generiert werden. Diese stehen nach der Befahrung für eine spätere Prüfung zur Verfügung. In der Dokumentationsumgebung hat der Anwender neben den Bildern zudem Zugriff auf eine Kartenansicht und somit die Möglichkeit, in den Bilddaten zu messen.

Auf diese Weise lässt sich auch differenzieren, ob Bruchkanten zur öffentlichen Infrastruktur oder auf private Bau-Initiativen zurückgehen. Dies ist wichtig, da die öffentliche Hand normalerweise keine Informationen zu diesen „private Bruchkanten” hat, diese aber im Zuge der Maßnahmenentwicklung prüfen und in der Planung und Simulationsberechnung berücksichtigen muss.

Abweichung der absoluten Höhen

Für die 3D-Modellierung von Straßen und deren Randbebauung nutzt eagle eye technologies ein besonders genaues Verfahren.
Für die 3D-Modellierung von Straßen und deren Randbebauung nutzt eagle eye technologies ein besonders genaues Verfahren.

Grundsätzlich ist Mobile Mapping ein sinnvolles Instrument für einen qualitätsgeprüften und reproduzierbaren Workflow. Allerdings gebe es, so eagle eye technologies, bei der Verschneidung verschiedener Höhendaten noch Optimierungsbedarf. „Der messtechnisch erfasste Bereich lässt sich mit einer für die hydrodynamische Berechnung erforderlichen Genauigkeit abbilden und auf dieser Basis ein digitales Geländemodell (DGM) erzeugen. Allerdings braucht es im Regelfall ein DGM mit deutlich größerer räumlicher Ausprägung, damit der Zufluss aus umliegenden Gebieten mitberücksichtigt werden kann”, beschreibt Dr. Johannes Ludwig. Natürlich könne man dazu das gesamte Einzugsgebiet des zu prüfenden Überflutungspunktes großräumig befahren, allerdings wäre dann die Auflösung des Gesamtgebietes unangemessen hoch und würde die verfügbare Rechenkapazität stark strapazieren. Um den Detailgrad auf ein sinnvolles Maß zu beschränken, verschneidet eagle eye deshalb das hochaufgelöste Geländemodell des Straßenumfeldes mit den Daten zur weiteren Umgebung aus dem vorhandenen Geländemodell, das von amtlicher Seite meist aus den Befliegungsdaten generiert wurde. An dieser Stelle kollidieren allerdings die unterschiedlichen Genauigkeiten der Datenquellen: An den Schnittstellen der Punktmengen „Befahrung” und „Überfliegung” kommt es nämlich meist zu Abweichungen der absoluten Höhen. „Ein kommerzielles Tool zur automatisierten Bereinigung dieser Bereiche ist aktuell nicht verfügbar“, so Ludwig. „Deshalb müssen wir diesbezüglich Erfahrungen sammeln und auf dieser Grundlage Methoden für eine effiziente Bearbeitung entwickeln.“ Eine Möglichkeit ist, die Überlappung der unterschiedlichen Höhenmodelle so zu verschneiden, dass bei den nachgelagerten Berechnungen keine zusätzlichen, falschen „Bruchkanten” entstehen, die das Ergebnis verfälschen.

Trotzdem können Kommunen von Mobile-Mapping- Daten auch außerhalb der Überflutungsvorsorge profitieren, wenn sich die Mitarbeiter bei der Planung von Befahrungen verwaltungsintern und fachbereichsübergreifend austauschen, so eagle eye technologies. So kann das Messfahrzeug zusätzlich zu hydraulisch relevanten Strukturen simultan den Straßenzustand erfassen. Das resultierende Straßenzustandskataster stelle seinerseits ein Instrument für eine wirtschaftliche Maßnahmenplanung durch Verschneidung der Belange aus Straßenbau und Überflutungsschutz dar. Beide Aspekte finden im Rahmen aktueller Projekte bei der GELSENWASSER AG bereits Anwendung.

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