Interview: „Die Gemeinschaft der Mitglieder zählt“
|Seit ihrer Gründung im Jahr 2015 hat die BIL eG dafür gesorgt, dass das Thema Leitungsauskunft und -recherche in Deutschland stark in den Fokus geraten ist. BG sprach mit Vorstand Jens Focke und dem technischen Leiter Ingo Reiniger.
Business-Geomatics: Herr Focke, wo steht die BIL eG heute?
Jens Focke: Wir können von einer sehr positiven Entwicklung sprechen. Die BIL eG zählt mittlerweile 66 Teilnehmer am BIL-Portal. Die BIL-Auskunft ist inzwischen bundesweit bekannt, wird von den Marktteilnehmern auch verstanden und ist in allen Bereichen hoch akzeptiert. Sowohl die Leitungsbetreiber als auch die Anfrageseite, also vor allem die Bauwirtschaft und Planungsspezialisten, sind davon überzeugt, dass BIL am Markt benötigt wird. Jede Woche registrieren sich rund 130 neue Nutzer auf unserem Portal. Wir bieten einen kompletten Workflow für die Leitungsrecherche, der für die Anfragenden kostenlos ist. In Sachen wirtschaftlicher Kennzahlen ist die BIL eG von Anfang an auf einem sehr guten Weg. Seit dem ersten Jahr sind wir profitabel. Damit haben wir die Erwartungen unserer Gründungsmitglieder auf allen Ebenen übertroffen.

Ingo Reiniger : Der Blick auf die Anfrageseite zeigt das gleiche Bild. Aktuell haben wir für das Jahr 2018 bereits 75.000 Anfragen bearbeitet, Tendenz weiter stark steigend. Das zeigt, dass nicht nur die unternehmerische Aufstellung passt, sondern auch unsere Technologie die nötige Reife besitzt. Unsere Mitglieder und Nutzer berichten auch sehr positiv von ihren Erfahrungen. Immer wieder wird betont, dass das Portal sehr modern, einfach und intuitiv verständlich ist. Alle Workflows sind komplett vorhanden, jederzeit nachprüfbar und durchgängig transparent. Inzwischen ist auch allen klar, was BIL ist und was nicht. Wir ersetzen ja zum Beispiel nicht die etablierten Auskunftslösungen der einzelnen Betreiber, sondern dienen als übergeordnete Kommunikationsplattform, quasi als Datendrehschreibe. Das brauchte eine Zeit, bis das jeder in Gänze verstanden hat.
Bei 66 Teilnehmern kann man aber noch nicht von einer vollständigen Abdeckung aller Leitungsnetze sprechen. Wie bewerten Sie dies?
JF: Der Weg ist sicher noch lang, aber wir sehen die aktuelle Teilnehmerzahl als vollen Erfolg. Zeigen Sie mir ein bundesweites Portal im Bereich der Geoinformationsbranche oder der Leitungsbetreiber, das in so kurzer Zeit so schnell gewachsen ist. Der erreichte Status ist da einmalig. Wir haben aus allen Leitungskategorien Mitglieder, die damit auch beweisen, dass sie den Weg der Digitalisierung proaktiv mitgehen und sichtbar gestalten. Die Voraussetzung übrigens, um Vollständigkeit in Sachen Mitglieder und auch bei den Anfragen zu erreichen, ist erfüllt, denn BIL bietet einen standardisierten, digitalisierten und transparenten Prozess. An dieser Stelle haben wir bereits Vollständigkeit erreicht und BIL ist zwischenzeitlich das anfragenstärkste sparten- und unternehmensübergreifende Bauanfrageportal in Deutschland geworden.
BIL ist eine Genossenschaft. Wo liegen die genossenschaftlichen Ziele?
JF: Die BIL eG lebt von dem gemeinschaftlichen Gedanken und zielt nicht auf Gewinn ab. Primär ist es das Ziel der BIL-Mitglieder, die Sicherheit bei Tiefbaueinheiten zu erhöhen. Die deutschlandweit vereinheitlichte Leitungsrecherche ist dafür essentiell. Auch die Bekanntheit von BIL ist daher wichtig, denn jede Anfrage, die über BIL gestellt wird, erhöht die Leitungssicherheit. Für die Gründungsväter der BIL eG war eine Genossenschaft daher auch die einzige in Frage kommende Unternehmensform. Ein einzelner Leitungsbetreiber mit seiner oft regionalen Verankerung kann Bekanntheit oder Standardisierung naturgemäß gar nicht erreichen. Das ist eine Aufgabe der Gemeinschaft. Auch die Kosten werden nach einem transparenten Schlüssel auf die Netzbetreiber umgelegt.
Für die BIL eG stehen zum Beispiel Werte wie Fairness und Transparenz absolut im Vordergrund. Woran kann man dies konkret festmachen?
JF: Für alle bestehenden Mitglieder und Interessenten gibt es ein vollkommen transparentes Vertragsverhältnis, was beispielsweise auch für die Mitgliedsbeiträge gilt. Dazu gibt es ja auch online unseren Entgeltrechner, der für jedermann offen ist und auch Interessenten zeigt, wie hoch ihr Jahresentgelt wäre. Die Beiträge für die Mitglieder der ersten Stunde werden bis 2019 auch schon um circa 20 Prozent gesunken sein. Dies alles schafft Sicherheit und Vertrauen für Alle: Mitglieder, Außenstehende und Nutzer des Portals. Wichtig ist uns auch Transparenz im Umgang mit Mengenangaben. Bei BIL gilt: wir zählen Bauanfragen entsprechend eines korrespondierenden Bauvorhabens. IR: Auch der Auskunfts- und Rechercheprozess ist von Fairness geprägt. Der Auskunftssuchende bekommt nicht nur sehr genaue und zuverlässige Ergebnisse. Aufgrund unserer Teilnehmerliste im Internet wird zu 100 Prozent deutlich, wo noch weitere Recherchearbeit notwendig sein könnte. Die Auskunftsergebnisse sind also in höchstem Maße valide. Die Positiv- und Negativliste unserer Zuständigkeitsprüfung ist absolut rechtssicher.
Gilt die Transparenz auch für Kooperationen mit Dritten?
IR: Transparenz bedeutet auch, dass wir komplett offen sind für alle möglichen Partnerschaften. Unser Geschäftsmodell und die Ziele sind sehr scharf umrissen, jeder kann seinen Platz neben uns genau bestimmen und operativ ausgestalten. Aktuell hat sich zum Beispiel viel bei erweiterten Dienstleistungen rund um den Auskunftsprozess getan. Man kann BIL sogar im Sinne der Wirtschaftsförderung ansehen. Rund um die Leitungsauskunft entstehen gerade viele neue Potenziale für die Schaffung ganz neuartiger Mehrwerte.
Welche technologischen Fortschritte strebt die BIL eG an?
JF: Das BIL-Portal repräsentiert den aktuellen Stand moderner Webtechnologie mit einer Verfügbarkeit 24/7. Diesen Status gilt es fortwährend zu sichern. Dazu antizipieren wir Trends und beschäftigen uns intensiv mit Themen, die der Leitungsauskunft sehr verwandt sind und Synergien schaffen. Dazu zählen etwa die Themen INSPIRE oder auch BIM. Genauso sehen wir großes Optimierungspotenzial in der Vernetzung verschiedener Leitungsnetzbetreiber, also als übergeordnete BIL-Kommunikationsplattform.
Können Sie konkrete Beispiele geben?
In Frankfurt stellt die BIL eG einen neuen „Check-in-Automat“ vor. Dieser soll neuen Mitgliedern helfen, leichter ein aktives Mitglied zu werden. Ganz konkret wird dabei zum Beispiel erklärt, wie Mitglieder bei BIL ihre Zuständigkeitsflächen einstellen können. Dabei soll der Nutzer bereits bei einer ersten Eingabe seines Leitungsgebietes erfahren, wieviel Bauanfragen in der Vergangenheit dort BIL gestellt wurden.
IR: Aktuell gibt es ein sehr interessantes Projekt bei den Betreibern der Strom-Übertragungsnetze. Diese haben im Zuge der Energiewende die Aufgabe, die Kapazität der bestehenden Übertragungsnetze maximal auszulasten, ohne die Versorgungssicherheit zu gefährden. Die erhöhte Stromübertragung wirkt sich zum Beispiel auf den aktiven kathodischen Korrosionsschutz von nahe gelegenen Stahlrohrnetzen aus. Die Übertragungsnetzbetreiber müssen also wissen, welche anderen Leitungsnetze parallel zu den jeweiligen Spannfeldern liegen oder diese kreuzen. Dies ist qua Regelwerk gefordert und erforderte bisher eine individuelle, sehr zeitaufwändige Recherche. Mit einem speziellen Report innerhalb von BIL ist es nun per Knopfdruck möglich, alle Betreiber von Leitungen in unmittelbarer Umgebung der einzelnen Spannfelder zu erfahren. Der Prototyp dieser Anwendung, die federführend bei Amprion entwickelt wurde, läuft bereits. BIL hat die Entwicklung dieser Spezialprozesse und dem dementsprechenden Reporting intensiv unterstützt. Für Amprion war diese Mehrwertleistung schlussendlich auch der Anlass, Mitglied bei BIL zu werden. Hier wird im Rahmen der BIL-Mitgliedschaft auch ein konkreter betriebswirtschaftlicher Mehrwert jenseits der Standardaufgaben generiert.
Welchen weiteren Nutzen jenseits der primären Aufgaben von BIL gibt es?
JF: Man muss das eigentlich auch vor dem Hintergrund der volkswirtschaftlichen Auswirkungen sehen. BIL ermöglicht eine kostenfreie, unkomplizierte und zuverlässige Auskunft, davon profitiert der gesamte Wirtschaftsstandort Deutschland. Die Standardisierung und der zentrale Zugang unter Berücksichtigung von bei den Teilnehmern etablierten Auskunftslösungen macht das gesamte Auskunftsverfahren schneller und effizienter. Die erhöhte Sicherheit bedingt zum Beispiel auch einen besseren Bevölkerungsschutz. Nicht ohne Grund gibt es überall in Europa nationale Anfrageportale für die Leitungsauskunft, die meist von der Öffentlichen Hand oder gemeinnützigen Institutionen betrieben werden. In Deutschland, dem Land mit der dichtesten Leitungsinfrastruktur auf der Welt, wurde das Thema bis zur Gründung der BIL eG nur von einzelnen Interessenten und privatwirtschaftlichen Unternehmen bearbeitet. Wir alle sollten die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen, um Bauvorhaben zu beschleunigen. Dazu gehört auch die Leitungsauskunft.
IR: Auch der BIL-Report ist ein wichtiges Produkt, dessen Mehrwerte noch gar nicht voll ausgeschöpft werden. Er bildet etwa die Bautätigkeit in Deutschland in Form einer sehr repräsentativen Stichprobe ab. Er liefert also beispielsweise Erkenntnisse über den Fortschritt des Breitbandausbaus in ländlichen Regionen. Auch Versicherungen können davon profitieren. Als Kommunikationsplattform sorgt er darüber hinaus für eine bessere Vernetzung der einzelnen Netzbetreiber, die ja selber auch zu den Anfragenden gehören und somit viel bessere und vor allem schnellere Antworten zu Fragen rund um das Leitungsnetz bekommen können.
Halle 12.0 | B.051