Schaltzustände für den Monteur
|Eine neue Lösung von PSI integriert Auftragsmanagement, mobile Netzdarstellung, Netzberechnung und Leitsystem innerhalb einer mobilen Anwendung für Netztechniker.
Viele Herausforderungen der Führung von Verteilnetzen sind noch immer ungelöst: Prozessual zusammenhängende Bereiche werden oft noch nicht systemtechnisch miteinander vernetzt. Es existieren zwar üblicherweise mobile Einsatzplanung, mobiles GIS oder eine zentrale Netzberechnung – ein integrierter Zugriff auf die betreffenden Systeme ist aber meist nicht möglich. Vor diesem Hintergrund hat das Berliner Unternehmen PSI eine Lösung entwickelt, die speziell für die Netzführung von Niederspannungsnetzen geeignet ist. Sie verbindet Netzleittechnik, Betriebsführung und Auftragsmanagement mit einer mobilen Komponente zur Zustandspflege und Arbeitsdokumentation, die direkt vor Ort von Netzmeistern und Monteuren genutzt werden kann. Pilotkunde der neuen PSI-Lösung ist etwa die Westnetz GmbH.
Der Lösungsansatz

Die PSI-Lösung sieht vor, dass Verteilnetzbetreiber eine Serverapplikation implementieren und Netztechniker mit mobilen Apps austatten, die auf den gängigen mobilen Betriebssystemen laufen (iOS, Android und Windows). „Der wesentliche Schlüssel in diesem Konzept ist die mobile Komponente zur Führung netztechnischer Informationen sowie die Darstellung der Konsequenzen direkt vor Ort“, sagt Dr. Mathias Koenen, Bereichsleiter bei PSI. Die Lösung nutzt im Wesentlichen Daten aus zwei Systemebenen: Einmal das sogenannte Netzbild, also eine abstrahierte geotopografische Darstellung der Leitungsdaten und die Informationen zu den Hausanschlüssen und den dezentralen Einspeisern. Dieses Netzbild enthält also auch die wesentlichen Daten für die Netzberechnung des Systems. Sie werden mit Informationen aus der zweiten Systemebene angereichert, dem Leitsystem der Mittelspannungsebene. Über diese Integration mit den MS-Leitsystemen werden die Netzbilder „aktiv“. Dort wird quasi in Echtzeit abgebildet, wie sich das Netz aktuell verhält. Enthalten sind die stete Messüberwachung, daraus resultierende Netzberechnungen und daraus folgende Schaltverriegelungsprüfungen.
Die Übertragung des Zustandes auf die mobile Komponente erfolgt minütlich oder auf Anforderung. Sprich: Der Monteur kann die Auswirkungen der netzrelevanten Handlungen somit nicht nur direkt mitverfolgen, sie werden vom System auch automatisch und lückenlos dokumentiert. Dies gilt auch für Erfolgsmeldungen zur Wiederversorgung, die unmittelbar übermittelt werden.
Damit haben Netzmeister beispielsweise die Möglichkeit, Netzberechnungen ad hoc im Feld durchzuführen. Sollen Schaltvorgänge durchgeführt werden, kann der Netzmeister die entsprechenden Handlungen „anfordern“. Auf dem Server wird berechnet, mit welchen Auswirkungen auf die Spannungshaltung und die Stromflüsse er dann zu rechnen hat, was im Konfliktfall auf dem mobilen Gerät zu Verriegelungen führt. Im Rahmen des Auftragsmanagements werden ohnehin alle relevanten Informationen direkt mobil vor Ort bereitgestellt. „Dies bildet eine wertvolle Informationsbasis, um Schaltsequenzen automatisiert als Vorschlag für den Monteur zu planen“, sagt Koenen. „Nur wenn die Netzmeister den Vorteil der Anwendung für ihre eigene Arbeit erkennen, wird die Applikation im Sinne einer aktiven Netzführung angenommen.“ VNB können so en passant eine verbesserte Kenntnis über den Netzzustand erhalten und somit die Informationsgrundlage für die Entwicklung neuer Businessmodelle bekommen.
Technische Features
2. 2 Netzberechnung/Simulation
PSI Mobile ist über das Auftragsmanagement in das Leitsystem PSIcontrol integriert, kann aber auch „unterhalb“ von Systemen anderer Hersteller installiert werden. Die Anbindung nutzt den TASE-Standard für den Austausch von Daten unterhalb verschiedener Leitsysteme. Das Datenmodell dieses Austauschformats beinhaltet alle für die Niederspannungsführung notwendigen Informationen. Die mobile Komponente des Systems ist zudem offline-fähig.
Zudem enthält die Lösung eine spezielle Navigation. Sie ist Teil des Auftragsmanagements und führt den Monteur zu den notwendigen Schaltstellen für die Freischaltung, die für die spätere Arbeit notwendig ist. Im Auftrag auf der mobilen Komponente ist also nicht nur hinterlegt, welche Aufgaben an welchem Netzobjekt (Asset) durchgeführt werden müssen, sondern auch die Koordinaten der Schaltstellen, die zwingend anzufahren sind. Somit wird eine aufwändige, oft ineffektive Arbeitsvorbereitung auf der Basis von unbekannten Zuständen durch eine automatische Vorbereitung auf Basis von aktuellen Netzkenntnissen ersetzt. Die Navigation zu reinen Koordinaten ist wichtig, da viele Objekte nicht über Adressen, wie sie in der handelsüblichen Navigation hinterlegt sind, erreicht werden können.
Über die Anbindung an das MS-Leitsystem herrscht ein inverser Informationsfluss. Die Leitwarte wird nämlich über die Aufträge der NS-Netzmonteure in Kenntnis gesetzt und kann sie elektrisch bewerten. PSI will mit dem neuen System ein neues Paradigma für die proaktive Netzführung in die Praxis umsetzen. Indem das Unternehmen viele Komponenten aus dem Mittelspannungsleitsystem übernimmt, vor allem was die mobile Betätigung von Schaltvorgängen und die Netzberechnung betrifft, und um NS-spezifische Funktionalitäten ergänzt, sollen VNB die Möglichkeit erhalten, die Qualität ihres Netzes zu steigern. „Kennt man zuverlässig die Netzzustände im Niederspannungsnetz, können höhere Funktionen auf Grundlage dieser gesicherten Informationen realisiert werden“, sagt Mathias Koenen.
Da Schaltzustände vollständig bekannt sind und diese zusammen mit den durch Smart Meter gemessenen Spannungswerten ausgewertet werden können, wird so der komplette elektrische Schaltzustand einer Niederspannungsinsel berechenbar. Weitere Potenziale liegen in der Qualitätssicherung von Daten aus Drittsystemen, etwa dem GIS, der Netzberechnung oder der Netzplanung. Auch Störungen werden kundengenau abgebildet. Und insbesondere beim Einsatz von Dienstleistern kann die Qualitätsüberwachung verbessert werden.