Bestandsvermessung historischer Bauwerke: Scan3D definiert maßstabsabhänige Anforderungen

Scan3D definiert maßstabsabhängige Anforderungen an Genauigkeit und Detaillierung von Vermessungsergebnissen beim Einsatz in der 3D-Vermessung.

Durch Schnitte durch die 3D-Modellierung werden 2D-CAD abgeleitet, die nach wie vor unverzichtbar sind. Foto: Scan3D
Durch Schnitte durch die 3D-Modellierung werden 2D-CAD abgeleitet, die nach wie vor unverzichtbar sind. Foto: Scan3D

Seit fast 20 Jahren werden 3D-Laserscanner eingesetzt, um historische Bauwerke und Denkmäler dreidimensional zu vermessen. Zuvor wurde die Bestandsvermessung mit Handaufmaß und Tachymetern erledigt, was zwar zu sehr genauen, aber keinem vollständigen und digitalen Aufmaß führte. Seitdem hat sich eine rasante Entwicklung vollzogen. In der Praxis des denkmalgerechten Bestandsaufmaßes und der Bauaufnahme sind die Verfahren des 3D-Scanning und der digitalen Photogrammetrie bekannt. Digitale Messverfahren können die Grundlage für eine qualifizierte Untersuchung des Bauwerks oder Objekts bilden. Sie ergänzen oder ersetzen die klassischen Aufmaßverfahren, kommen bei statischen Analysen historischer Tragwerke, bei Deformationsanalysen verformter Gebäude oder auch einfach bei der Visualisierung einer Maßnahme zum Einsatz.

Mit dieser Entwicklung sind aber auch neue Herausforderungen auf den Plan getreten. Neben dem Aufbau der digitalen Vermessungskompetenz ist eine erfolgreiche Adaption der innovativen Technologie gefragt. Das beginnt bei Ausschreibungen, innerhalb derer Leistungen genau spezifiziert und beschrieben werden sollten. Kosten und Leistungen sollten also quantitativ und qualitativ bewertbar sein.

Für die Bestandsvermessung gibt es verschiedene Normen und Regelungen. Die DIN 1356 beschreibt die Informationsdichten von Bestandsaufmaßen. Sie besitzt aber lediglich zwei Detaillierungsstufen für die Informationsdichte der Dokumentation. Die Empfehlungen für Baudokumentationen des Lan- desdenkmalamts Baden-Württemberg kennt zwar bereits vier Genauigkeitsstufen, allerdings stammen diese aus den 1990er Jahren und berücksichtigen keine digitalen Verfahren zum Aufmaß. Die Ingenieursvermessung repräsentiert die DIN 18710 der Baufachlichen Richtlinien Vermessung (BFR Verm), bei der es ebenfalls vier Qualitätsstufen gibt, allerdings werden hier die speziellen Anforderungen der Denkmalpflege nicht abgedeckt.

In dieser fachlichen Lücke ist Scan3D aus Berlin seit Jahren tätig. Das Unternehmen beschäftigt sich seit dem Jahr 2001 mit dem Einsatz von 3D-Laserscanning. Neben der Umsetzung von hunderten Projekten und der Forschung gehört auch die Entwicklung von Software zur Auswertung von Laserscannerdaten und photogrammetrischen Aufnahmen zu den Referenzen. Der Bereich der hochgenauen Bestandsdaten reicht bis hinein in die Submillimeter – nicht nur im Denkmalschutz, sondern auch in Branchen wie der Industrie oder dem Anlagenbau.

„Vollständigkeit und geometrische Qualität hängen sehr stark vom Aufnahmekonzept, den verwendeten Sensoren und der Datenverarbeitung ab. Es ist unbedingt eine Analyse der vorliegenden Daten erforderlich, da oft keine höhere Genauigkeit als +/- 1-2cm erreicht wird“, konstatiert Geschäftsführer Lars Sörensen. Die Vielfalt der unterschiedlichen Sensoren und Verfahren sei so groß geworden, dass die geeignete Auswahl der Sensortechnologie sehr viel schwieriger geworden ist. Einerseits gebe es die vom Scanner-Hersteller mitgelieferte Software, andererseits die spezialisierten, herstellerneutralen Programme. „Ihre jeweiligen Kombinationen besitzen Stärken und Schwächen und werden teils durch fehlende Kompatibilitäten erschwert“, erläutert Sörensen.

Das Potenzial des 3D-Laserscannings ist groß. „Es liefert eine schnelle, wirtschaftliche und vollständige Grundlage für alle weiteren Belange der Analyse und Planung“, so der Diplomingenieur. Mit einer umfassenden Dokumentation könne eine höhere Planungs- und Kostensicherheit erreicht werden, aber die Digitalisierung alleine bringe noch keine Verbesserung der Dokumentation mit sich. „In der Praxis führen die neuen Verfahren bisweilen sogar dazu, sich nicht intensiv genug mit dem Bestand zu befassen“, so Sörensen.

Textur oder Geometrie

Auch die Technik werde in der Praxis oft nicht richtig oder sogar falsch eingesetzt. Daher hat das Unternehmen eine Aufteilung von Qualitätsstufen entwickelt, das auf den gängigen Normen aufsetzt, diese aber für den speziellen Anwendungsbereich des Denkmalschutzes anwendet und neueste Technologie berücksichtigt.

Grundlegend unterscheidet Scan3D zwischen Laserscannern und Kamerasensoren zur Aufnahme der Oberflächenfarbe. „Auch wenn viele der heutigen 3D-Scanner integrierte Farbsensoren besitzen oder einige 3D-Scanner nach dem Prinzip der Stereophotogrammetrie ohne Laserlicht arbeiten und dabei automatisch Farbwerte erfassen, ist deren Aufnahmeauflösung für die Oberflächentextur von geringerer Qualität als die der Geometrie”, erklärt der Berliner Geschäftsführer. Die Auflösung von 3D-Laserscannern ist dabei geometrisch höher als jene der Farbaufnahmen der integrierten Sensoren. Je nach Anforderung gelte es für Projekte zu entscheiden, ob Farbwerte etwa mit einer speziellen kalibrierten Kamera aufgenommen werden sollten. „Für viele Anwendungen in der Restaurierung und Denkmalpflege gibt es hierfür kaum eine Alternative“, so Sörensen.

Für die geometrische Qualität ist die Qualität des 3D-Scanners, dessen Kalibrierung und die ausreichend genaue Orientierung aller Scans wichtig. Die höchstmögliche Detaillierung wird mit Streifenlichtscannern und Messarmen oder für große Objekte mit terrestrischen Laserscannern erreicht. Für eine höchstmögliche Texturqualität der farbigen Oberfläche ist ein großer Kamerasensor in Kombination mit hochwertigen Objektiven erforderlich.

Maßstab entscheidet

Detailaufnahmen an Bauschmuck oder Skulpturen erfordern höchste Genauigkeit im Bereich bis zu einem Millimeter und werden meist mit Nahbereichsscannern durchgeführt. Foto: Scan3D
Detailaufnahmen an Bauschmuck oder Skulpturen erfordern höchste Genauigkeit im Bereich bis zu einem Millimeter und werden meist mit Nahbereichsscannern durchgeführt. Foto: Scan3D

Für den Zielmaßstab M1:100 ist das Tachymeteraufmaß nach wie vor das wirtschaftlichste Verfahren. Zur Erfassung der äußeren Gebäudehülle sind hier photogrammetrische Verfahren ausreichend. Für die Farbaufnahme reichen in der Qualitätsstufe 1 die in die 3D-Scanner integrierten Farbsensoren aus. Um Objekte im Maßstab M1:50 zu modellieren, gilt das terrestrische Laserscanning inzwischen als das wirtschaftlichere Verfahren für die Bestandsaufnahme im Vergleich zur bildbasierten Analyse mittels Structure from Motion (SfM). „Egal ob per Drohne oder terrestrischer Aufnahme, mit SfM kann man oft keine zuverlässigen Genauigkeiten erreichen, zudem hängen sie stark von der Aufnahmekonfiguration ab“, so Sörensen.

Für die Aufnahme von hohen Bauwerken aus größerer Entfernung nutzt Scan3D zusätzlich Langstreckenscanner. Für einen Zielmaßstab von M1:25 sind Laserscans mit einer höheren Auflösung notwendig, also in einer Auflösung von rund drei Millimetern. Auch die weitere Verarbeitung, insbesondere die Registrierung der Scans zu einer Punktwolke, erfordert eine präzise Orientierung aller Scans mit Netzausgleichung. „Dies ist nicht in jeder Software der Scannerhersteller möglich. Geeignet seien hier etwa Spezialprogramme wie die auf Architektur und Denkmalpflege ausgerichtete Software LupoScan (Lupos3D) in Kombination mit SCANTRA.

Die Qualitätsstufe 4 mit M1:10 hat naturgemäß die höchsten Anforderungen. Hier sind, so Scan3D, zusätzliche Detailaufmaße mit Handaufmaß oder Nahbereichsscanner erforderlich. Für die Handscanner gibt es drei Arten an Systemen: die rein optischen Scanner (z.B. Creaform GoScan oder Artec), die Handlaserscanner (z.B. Creaform HandyScan) und die Streifenlichtsysteme (z.B. gom), die die höchste Genauigkeit und Detaillierung erreichen. Für Zielmaßstäbe bis M1:1 sind zur Abbildung der Geometrie spezielle Nahbereichscanner erforderlich. Hierzu zählen ein Messarm mit Scankopf oder ein Streifenlichtscansystem (Gom).

BIM in der Denkmalpflege

Auch die Architektur steht vor der Aufgabe, mit BIM-konformen CAD-Modellen zu arbeiten. Ziel ist auch hier eine Datenplattform, auf der alle am Bau- und Planungsprozess beteiligten Mitarbeiter arbeiten können. Parallel zur gebauten Realität entsteht ein Digitaler Zwilling, mit dem sich alle Prozesse des Bauens steuern und planen lassen.

Doch das BIM-Verfahren hat Grenzen. Zum einen gibt es noch kein reibungsfrei funktionierendes Datenformat zum Austausch der Modelle zwischen verschiedenen CAD-Plattformen. Vor allem sei aber die Nutzung von Freiformflächen, wie sie insbesondere den Denkmalschutz und die Dokumentation im Bestand hervorbringen, noch schwierig. „Die BIM-Modellierung ist zurzeit bei den marktgängigen Programmen noch sehr stark auf Standardformen und eine modellbasierte Neubauplanung fokussiert“, so Sörensen. Erst die aktuellste Version der IFC-Schnittstelle berücksichtige auch Freiformflächen, was sich aber noch nicht bei den Softwareprogrammen niederschlage. Die Nutzung von Polygonnetzwerken sei, so Sörensen, kein probates Mittel zur Reduktion der Datenmengen und zudem sei das Handling solcher Strukturen meist noch sehr anspruchsvoll. Daher greife der BIM-Ansatz meist nur bis zu einem Zielmaßstab M1:100. Ab einem Maßstab von M1:50 bieten sich aktuell immer noch 2D-CAD-Pläne an.

Die Zukunft geht aber auch im Denkmalschutz Richtung BIM. Aktuell baut Scan3D ein F+E-Projekt auf, bei dem es um die Integration von Freiformflächen in den BIM-Prozess geht. Bei der Dokumentation der Kaiser Wilhelm Kirche in Bad Ems geht es darum, ein verformungsgetreues und gleichermaßen BIM-konformes 3D-Modell zu erstellen. Dabei sollen nicht nur wie bisher üblich Teilbereiche oder der Bauschmuck texturiert und geometrisch genau modelliert werden, sondern das gesamte Gebäude. (sg)

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