Mit Mobile-Mapping und Flugdrohne: Topcon realisiert Digitalen Zwilling von Bad Hersfeld

Im Vorfeld zweier Großveranstaltungen realisiert die osthessische Kommune Bad Hersfeld einen digitalen Zwilling des Straßennetzes und der Festspielstätte.
Mit dem mobilen Mapping-System hat das Topcon-Team in Bad Hersfeld ein Straßennetz von 130 Kilometern Gesamtlänge erfasst. Foto: Topcon
Mit dem mobilen Mapping-System hat das Topcon-Team in Bad Hersfeld ein Straßennetz von 130 Kilometern Gesamtlänge erfasst. Foto: Topcon

Zum diesjährigen „Hessentag“ erwartet das osthessische Bad Hersfeld (30.000 Einwohner) mehrere hunderttausend Besucher in nur zehn Tagen. Um den Menschenandrang zu meistern, hat die Stadt den Auftrag erteilt, einen digitalen Zwilling zu erstellen. Den Auftrag erhielt das Unternehmen Topcon, das diese Aufgabe mit einem mobilen Mapping-System und einer Flugdrohne innerhalb weniger Tage realisierte. Anhand des digitalen Modells kann die Stadtverwaltung nun Verkehrsströme, Rettungswege und die gesamte Event-Logistik der Festtage minutiös und haarklein planen.

Das osthessische Bad Hersfeld hat viel Erfahrung mit Großveranstaltungen. Seit den 1950er Jahren locken die Festspiele der Stadt Theaterbegeisterte aus der ganzen Welt in die Kreisstadt an der Fulda. In den letzten Jahren drängten in den Festspielwochen mehr als 100.000 Besucher in die Schauspielstätten der Stadt. Doch in zehn Juni-Tagen in diesem Jahr erwartet die Stadt zusätzlich mehrere hunderttausend Besucher. In diesem Zeitraum gastiert dort nämlich der Hessentag, das größte Landesfest Deutschlands. Um ein Verkehrschaos zu den Festtagen in Bad Hersfeld zu vermeiden, setzt die Stadtverwaltung mit Bürgermeister Thomas Fehling an der Spitze auf moderne Technologie. „In gemeinsamen Gesprächen haben wir überlegt, wie kann eine Kleinstadt wie Bad Hersfeld von einem digitalen Zwilling profitieren. Schnell haben wir gemerkt, dass wir die selbe Sprache sprechen und dass wir die Brücke zwischen Technologie, Industrie und Verwaltung bauen können“, erinnert sich Fehling.
700.000 Messpunkte pro Sekunde
Die gerufenen Infrastruktur-Experten mit Projektmanager Heiko Lohre von Topcon setzten ein mobiles Mapping-System und eine Flugdrohne ein. Damit wurden das Stadtzentrum, die Logistikwege, Zubringer und die zur Verfügung stehenden Parkräume digital erfasst. „Unser Stadtmodell bildet alle Wege ab, über die der Transport und die Versorgung der Hessentagsbesucher abgewickelt werden“, konkretisiert Lohre. In nur sechs Stunden sammeln die Techniker alle nötigen Geodaten eines insgesamt 130 Kilometer großen Verkehrswegenetzes in Bad Hersfeld und im Umland.
Das eingesetzte mobile Mapping-Systems IP-S3 von Topcon besteht aus einem Wegstreckenmesser, einer inertialen Messeinheit (IMU) und einem Empfänger satellitengestützter Navigationsdaten, der nicht nur mit dem amerikanischen GPS-System, sondern auch mit den Systemen anderer Länder korrespondiert, wodurch er noch zuverlässigere und genauere Daten bereitstellt. Montiert auf einen PKW erfasst das mobile Mapping-System während des Fahrens 700.000 Lasermesspunkte pro Sekunde.
Bei der Datenerfassung kann das Fahrzeug mit bis zu 80 Stundenkilometern unterwegs sein. „Kommt das Fahrzeug vor einer Ampel zum Stehen, stoppt die Datenerfasssung automatisch.“ Dennoch sammeln die Infrastruk- turexperten enorme Informationsmengen in kürzester Zeit. „Pro Fahrtstunde erfasst unser mobiles Mapping-System ein Datenvolumen von 50 Gigabyte“, so Lohre. Auf der Rückbank des Fahrzeugs befindet sich ein PC mit vier Festplatten, der die erfassten Daten während der Fahrt speichert. Bestimmte Strecken muss das Vermessungsteam mehrfach abfahren. Denn schon ein abgestellter LKW kann die korrekte Erfassung des dahinterliegenden Gehwegs verhindern. „Also fahren wir die Stelle einfach nochmals ab, sobald das Erfassungshindernis nicht mehr besteht“, so Lohre weiter.
Daten von fünf Sensoren kombinieren
Sind die Mapping-Fahrten abgeschlossen, generieren die Topcon-Experten aus den Rohdaten den digitalen Stadt-Zwilling. „Die Genauigkeit des Modells entsteht im Büro“, erläutert Lohre. Ingesamt werden die Daten von fünf unterschiedlichen Sensoren zu einer einheitlichen Punktwolke verschnitten. Außer den satellitengestützten Navigationsdaten, den Lasermesspunkten und weiterer Fahrzeugdaten, wie das Neigeverhalten des fahrenden PKW, fließen auch Fotodaten in das Bad-Hersfeld-Modell ein, die das Mapping-System zugleich mit den anderen Daten erfasst hat. Insgesamt hat Topcon in der Hessentag-Stadt 200 Gigabyte an Rohdaten eingesammelt.
Zur digitalen Erfassung der Stiftsruine setzte Topcon den Octokopter Falcon 8+ ein. Foto: Topcon
Zur digitalen Erfassung der Stiftsruine setzte Topcon den Octokopter Falcon 8+ ein. Foto: Topcon

Die abschließende Erstellung des Digitalen Zwillings benötigt ungefähr die vierfache Zeit, die das mobile Mapping beansprucht. „Das zentrale Hilftsmittel hierzu ist unsere Infrastruktur- und Bau-Software Magnet Collage“, so Projektleiter Lohre. Die Software-Lösung ermöglicht das Zusammenführen, Veranschaulichen und Analysieren von Punktwolkendaten – selbst wenn die Daten aus unterschiedlichen Quellen stammen.

Das fertige 3D-Modell wurde dem Bürgermeister auf einer Festplatte übergeben. „Hierzu nutzen wir LAS- und LAZ-Dateien – beides gängige Austauschformate für 3D-Punktwolken“, erläutert Lohre. Die weitere Nutzung bewältigt Bad Hersfeld selbst. Lohre berichtet von einer weiteren Vorgabe, die sein Team in Bad Hersfeld zu beachten hatte. Bürgermeister Fehling hatte den Experten aufgetragen, dass das in Bad Hersfeld angewandte Verfahren auf andere Gemeinden und Städte übertragbar sein müsse. „Das war für uns kein Problem“, so Lohre. Die Arbeitsabläufe und Erfassungsprozesse seien jederzeit in anderen Städten wiederholbar.
Flugdrohne erfasst Festspielstätte
Als die hessische Landesregierung von dem Vermessungsprojekt erfahren hatte, erhielt Topcon gleich einen zweiten Auftrag. Parallel hat das Vermessungsteam die Ruine der Bad Hersfelder Stiftskirche per Flugdrohne vermessen. Das rund 900 Jahre alte Gemäuer im Besitz des Landes Hessen ist die weltweit größte romanische Kirchenruine und zugleich die imposante Kulisse der jährlichen Bad Hersfelder Festspiele. Mit den von Topcon erfassten und verarbeiteten Modelldaten können ab sofort die Bühnenbilder für die 1.400 Quadratmeter große Festspiel-Hauptbühne, die sich in der Stiftsruine befindet, passgenau geplant werden, wie Lohre versichert.
Anhand des digitalen Zwillings hat Bad Hersfeld bereits erste Schritte hin zu einem erfolgreichen und geordnet ablaufenden Hessentag getan. Nun ist die exakte Zahl der verfügbaren Parkplätze bekannt, als auch die Stellen, an denen im Innenstadtbereich Feststände aufgestellt werden können, ohne einen Rettungsweg zu versperren oder übermäßig zu verengen. Auch die Eventlogistik lässt sich mit dem Digitalmodell leichter abwickeln. Bürgermeister Thomas Fehling freut sich: „Nun können die Mitarbeiter unserer Stadtverwaltung von ihrem Arbeitsplatz aus ermitteln, wie die Besucher von A nach B kommen und wie groß die Bühnenbauteile sein dürfen, um sie problemlos an den jeweiligen Veranstaltungsort anliefern zu können.“ (sg)

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