KI-basiertes maschinelles Lernen: Daumenkino mit Satellitendaten

Die Sentinel-Satelliten liefern uns Fernerkundungsdaten aus dem All. Doch sind diese überhaupt zivil nutzbar? Wer sich den Markt genauer anschaut, findet interessante Antworten bei Unternehmen, die die gesamte Wertschöpfungskette von Datenbeschaffung bis zur Erstellung von Datenprodukten beherrschen.

Der Blick aus dem Weltraum zeigt, wie groß das Ausmaß ist, mit dem die Australier zu kämpfen haben – mit diesem Satz wird auf der Homepage www.d-copernicus.de ein längerer Beitrag darüber angekündigt, wie mit dem Einsatz des Satelliten Sentinel 3 der sogenannte „World Fire Atlas“ bestückt wird und wie dieser zuletzt den Katastrophenfall der Buschbrände auf dem fünften Kontinent unterstützte. Der Feuer-Atlas soll gleichermaßen global wie aktuell zeigen, wo es auf der Welt überall brennt. Die Botschaft der Webseite liegt auf der Hand: Moderne Satellitentechnik und das daran angegliederte Copernicus-Programm liefern als Instrument der Erdbeobachtung heutzutage Daten, die vielerorts sinnvoll gebraucht werden können. Vor dem Hintergrund des Klimawandels sind sie sogar eines der wichtigsten Erkenntniswerkzeuge überhaupt für Entscheidungen auf sämtlichen Ebenen – auch für zivile Anwendungen.

Doch das Beispiel zeigt gleichzeitig auch ein Problem. Denn der lange Bericht (Urheber ist die ESA) ist auf Englisch und zeigt NICHT, wie der Auswerteprozess der Satellitendaten genau aussieht. Ein Laie könnte denken, der Satellit produziert automatisch Karten. Wie Karten genau produziert und ausgewertet werden, sprich welches Potenzial Copernicus für eine weitere zivile Nutzung im Allgemeinen besitzt, bleibt unsichtbar. Die Herausforderung des EU-Programms wird also allzu deutlich: Satelliten-Fernerkundung setzt bei Jedermann eine enorme Vorstellungskraft in Gang, kaum einer weiß jedoch, was sie genau kann und wie sie in Geschäftsprozesse integriert werden soll. Diese Frage beantwortet auch der ESA-Bericht nicht – und die ESA-Öffentlichkeitsarbeit ebenso wenig. Sie scheint den Katastrophenfall lediglich für Marketing-Zwecke zu „kapern“, um den zivilen Nutzen zu veranschaulichen. Doch gibt es diesen überhaupt?

Nutzer im Fokus

Konkrete Antworten liefert das Unternehmen Tama Group aus München. Das 2015 von dem Fernerkundungs-Spezialisten Ralph Humberg gegründete Unternehmen nutzt die Software eCognition von Trimble, entwickelt damit Prozessketten für die Datenauswertung und bietet rund um diesen vielschichtigen Prozess verschiedenste Formen von Dienstleistungen an.

Ausgangspunkt sind die verschiedenen Stufen der Datenverarbeitung. Zunächst werden die Satellitendaten geladen, daraufhin in verschiedene Layer aufgeteilt, anschließend folgen die Stufen, Segmentierung, Klassifikation und Export. Die Aufgabe der Tama Group liegt darin, Methoden der Automatisierung von Informationsextraktion immer weiter zu verfeinern und diese mit KI-basiertem maschinellem Lernen und Expertenwissen anzureichern. „Der Prozess wird dabei genau an die Bedürfnisse der Nutzer angepasst“, verspricht Humberg.

Zur Veranschaulichung der Waldzustands- entwicklung des Nationalparks Bayerischer Wald hat die Tama Group ein ganz spezielles „Datenprodukt“ – einen Folder, der wie ein Dau- menkino funktioniert – entwickelt.
Zur Veranschaulichung der Waldzustandsentwicklung des Nationalparks Bayerischer Wald hat die Tama Group ein ganz spezielles „Datenprodukt“ – einen Folder, der wie ein Daumenkino funktioniert – entwickelt. Foto: Tama Group

Grundlage sind alle Arten von Geo-Sensoren, die bildähnliche Daten generieren, von der Drohne bis zum Satelliten – in diesem Fall der Optik-basierte Sentinel 2-Satellit. So können dann zum Beispiel Vertreter aus dem forstwirtschaftlichen Bereich sehen, wie sich der Borkenkäferbefall in den Wäldern ausbreitet. Andere Beispiele: eine Analyse des Wattenmeers oder der Landbedeckung im Großraum Berlin per Sentinel-Zeitserie, die mit Hilfe von neuronalen Netzen geschah. „Im Bayerischen Wald haben wir mit Sentinel-Daten ein ‚Daumenkino‘ gebaut, mit dem sich Veränderungen sehr gut darstellen lassen“, so Humberg.

Wichtig bei eCognition ist: Viele Tma-Kunden entwickeln ihre Lösungen mit dem entsprechenden fachlichen Support selbst. Dazu zählen Kunden wie das BKG in Frankfurt, das BEV in Wien oder die Landesvermessung Rheinland-Pfalz. Dabei gibt es einige Features wie etwa die Land-Wasser-Maske, die die Tama Group im Zuge von Kundenprojekten selbst entwickelt hat. „Sie ermöglicht eine sehr genaue Trennung der beiden Klassen Land und Wasser, wodurch beispielsweise auch die Veränderung von Gewässerlinien berechnet werden“, so Humberg. Bei Analysen des norddeutschen Wattenmeers wird dies nach Angaben der Tama Group sogar vollautomatisch berechnet und dargestellt.

Beispiel Waldanalysen

Beim Anwendungsfall Nationalpark Bayerischer Wald können Forstbetriebe ihre Bestandsgrenzen hochladen, Tama durchsucht die vorhandenen ESA-Daten automatisch und bereitet die Daten „augengerecht“ auf, sodass Förster Veränderungen in ihren Beständen visuell beobachten können. Am Boden eingemessene Punkte (Ground Truth Points) können in der Tama Cloud hochgeladen und angezeigt werden. „Das System ist noch im Probebetrieb und wird schrittweise um Drohnendaten und Apps erweitert“, sagt Humberg. Ebenso sollen Insitu-Daten oder Drohnenbilder ergänzt werden. Das unterstützt die schnellere Erfassung von Kalamitäten oder die Langzeitbeobachtung des Erfolgs bei Wiederaufforstungen. „Man muss sich in die Prozesse manchmal eindenken, aber die erzielbaren Ergebnisse sind heute wirklich beeindruckend,“ so der Experte. (sg)

www.tama-group.com

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