André Caffier (GDI-DE) im Interview: „Wichtig ist zu wissen, warum Open Data nicht genutzt wird”
|Das Land Nordrhein-Westfalen stellt seine Geobasisdaten von Landesvermessung und Liegenschaftskataster zum März 2020 unter der Datenlizenz Deutschland in der Variante „zero“ Open Data zur Verfügung. Die Standardisierung der Lizenzen ist auch ein wichtiges Thema in der Geodateninfrastruktur Deutschland (GDI-DE). Business Geomatics sprach mit André Caffier, Mitglied im Lenkungsausschuss GDI-DE, über die Bedeutung von Open Data und der neuen Zusammenarbeit der GDI-DE mit der Wirtschaft.
NRW ist Vorreiter bei Open Data. Wie sind Ihre bisherigen Erfahrungen mit Open GeoData?
Tatsächlich werden unsere Erwartungen übertroffen. Seit der Bereitstellung der offenen Geobasisdaten zum 01.01.2017 werden unsere Dienste permanent genutzt. Und auch die bis dahin schon frei nutzbaren WMS-Dienste haben noch mal eine deutliche Nutzungssteigerung erfahren. Im März 2019 haben wir einen Datendownload von einem Petabyte erreicht. Wir reden hier also mittler-weile von Big Data.
Aber nur die wenigsten Bundesländer stellen ihre Geodaten nach diesem Prinzip zur Verfügung. Warum?
Bei den Bundesländern stehen hauptsächlich Fragen der Refinanzierung einer offenen Datenpolitik gegenüber. Zuallererst werden immer die Einnahmeausfälle benannt, die es zu kompensieren gilt. Das muss in jedem Bundesland zwar individuell gelöst werden, dennoch sollten Fragen dazu eigentlich im Rahmen der Verabschiedung der PSI-Richtlinie und des Bund-Länder-Finanzausgleichs bereits beantwortet worden sein. Es bleibt daher zu hoffen, dass die Umsetzung der PSI-Richtlinie zu einer deutlichen Steigerung der Bereitstellung offener Geodaten und insbesondere der Geobasisdaten führt.
Wo liegen die Probleme für die konsequente Umsetzung von Open Data?
Auch nach knapp drei Jahren Open Data lassen sich die volkswirtschaftlichen Mehrwerte offener Geodaten nicht monetär messen und den Einnahmeausfällen 1:1 gegenüberstellen. Im Arbeitsalltag beschäftigt uns mittlerweile viel mehr die Frage, wer unsere Daten eigentlich für was nutzt. Viel wichtiger noch ist aber die Frage, wer sie warum nicht nutzt. Für eine umfassende Nutzeranalyse fehlt es uns aber aktuell an geeigneten Maßnahmen – und nicht zuletzt auch an Personal. Daher bauen wir in NRW auf unsere enge Kooperation mit Wirtschaft und Wissenschaft im sogenannten GeoIT Round Table NRW aber auch auf die Vernetzung der GDI-DE mit dem neu gegründeten Wirtschaftsrat GDI-DE. Vergessen darf man aber auch nicht, dass wir mit Open Data eine neue Bereitstellungsphilosophie vertreten. Es wird bereitgestellt, was wir in höchster Qualität haben. Der Nutzer muss aus den von uns bereitgestellten Daten höchster Qualität seine eigenen Produkte ableiten. Er bekommt keine fertigen Produkte.
Es gibt erste Portale für Open Data. Wo steht die Entwicklung aus technisch-organisatorischer Sicht und was kann man aus Nutzersicht noch erwarten?
Als verantwortliche Stelle für das Geoportal.NRW stehe ich den vielen Open Data-Portalen etwas skeptisch gegenüber. Sie entwickeln sich vielfach parallel zu unserer Geo-Welt und lassen unsere etablierten Standards meist unbeachtet. Leider sind unsere Technologien aber auch noch nicht so intelligent, dass die Daten in Gänze abgegriffen und gefiltert werden können. Auf Landesebene versuchen wir daher das Problem über die Abstimmung der Metadatenkataloge aufzufangen. Der Nutzer wird vom Open.NRW-Portal an den Geokatalog.NRW übergeben, sofern er bestimmte räumliche Informationen ausfüllt. Anders herum liefern wir alle unsere Kataloginformationen an die Open Community weiter, sofern sie als Open Data gekennzeichnet sind.
Wie wird das Thema einheitliche Lizenzierung bei Open GeoData diskutiert?
Das Thema Geoinformation ist bunt und vielfältig; hier bleiben wir uns leider auch bei der Lizenzierung treu und bieten bundesweit diverse Modelle an. In dieser Vielfalt ist es kaum möglich, den Überblick zu behalten und die Vorgaben auch korrekt anzuwenden. Das Lenkungsgremium GDI-DE hat diese Nutzungshürde allerdings erkannt und arbeitet an gemeinsamen Lösungen, die mindestens eine deutliche Reduzierung des Angebotes beinhaltet. Inwieweit die PSI-Richtlinie hier europaweite Vorgaben machen wird, ist heute noch unklar. Hilfreich wäre es aber sicherlich, wenn man in übergeordneten Bund- oder Ländergremien auch den Bereich der Lizenzierung standardisieren würde.
Es gibt die Datenlizenz Deutschland. Setzt sich diese durch?
Das hoffe ich. Wir haben in NRW durch ein Rechtsgutachten die Nutzbarkeit dieser Datenlizenz für die Bereitstellung von Geodaten prüfen lassen. Dabei konnte herausgestellt werden, dass es sich hier um eine sehr offene Lizenz handelt, die auf das deutsche Rechtsregime abgestimmt ist. In NRW wird die dl-de/by-2.0 – und ab dem 01. März 2020 dessen Variante „zero” – erfreulicherweise auf allen Ebenen vielfach verwendet und innerhalb der Vermessungs- und Katasterverwaltungen steht man auch der uneingeschränkten Nutzung der Geodaten positiv gegenüber. Für mich steht aber nicht zwingend die Lizenz im Vordergrund, sondern die Einheitlichkeit bei der Wahl einer Lizenz.
Sind die Mehrwerte offener Geodaten in der Wirtschaft ausreichend bekannt?
Die Mehrwerte offener Daten dürften in der Wirtschaft bekannt sein. Wichtiger ist auch die Frage, ob die Angebote offener Geodaten aus den öffentlichen Verwaltungen in der Wirtschaft aber auch Wissenschaft und Verwaltung bekannt sind. Das ist in der Breite sicher zu verneinen und stellt für uns ein Problem dar. Hier bedarf es neben der bisherigen Öffentlichkeitsarbeit deutlich mehr bundesweiter Anstrengungen.
Zuletzt wurde die Beratung der GDI-DE durch die Wirtschaft wiederbelebt. Was ist anders und welche Auswirkungen hat das für die Open GeoData bundesweit?
Als Lenkungsgremium GDI-DE haben wir im Jahr 2019 die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft auf ein neues Fundament stellen können. Zur INTERGEO 2019 in Stuttgart wurde ein Letter of Intent unterzeichnet, der die Zusammenarbeit begründet. Zur gleichen Zeit hat sich auch die Wirtschaft, vertreten durch verschiedene Verbände der Geoinformationswirtschaft, konstituiert und den Wirtschaftsrat GDI-DE gegründet. Wir können nun unmittelbar zu ausgewählten Themen mit dem Wirtschaftsrat diskutieren, Meinungen einholen, aber auch unsere Informationen transparent an die Verbandsmitglieder kommunizieren. Im Kontext von Open GeoData heißt das konkret, dass wir über unsere Angebote informieren und dass wir gleichzeitig den unmittelbaren Draht zum Nutzer wiedergewinnen können. Neben der aktuellen Diskussion zu Lizenzmodellen werden so Fragen wie Qualität und Standardisierung der Daten kommuniziert.
Welche Aufgaben kann beziehungsweise sollte die GDI-DE in Bezug auf Open GeoData übernehmen?
Zuallererst muss man festhalten, dass GDI-DE eine digitale Infrastruktur anbietet, in der externe geodatenhaltende Stellen ihre Geodaten über Metadaten und Dienste nach dem klassischen publish-find-bind-Prinzip bereitstellen. Eine unmittelbare Einflussnahme auf Closed Data-Fachbehörden sollte kein Ziel sein. GDI-DE kann aber zusammen mit dem Wirtschaftsrat GDI-DE die Thematik mit ihren unterschiedlichen Facetten beleuchten und die Grundlagen für Open Data-Länder schaffen. Sie sollte darüber hinaus auch ihre Möglichkeiten nutzen, sich für eine einheitliche Lizenzierung und den weiteren Ausbau der Standards wie INSPIRE einzusetzen. Ferner sollte auch sowohl von Bund, Ländern als auch Kommunen die Möglichkeit genutzt werden, sich stärker in die Open Data Bewegung einzubringen. Wir haben dazu mit unseren Geodaten eine Ressource, die man visualisieren und auch tatsächlich nutzen kann und soll. (sg)