Stuttgart gilt als Vorreiter bei der Arbeit mit Geodaten in 3D. Mit PlexMap Viewer wurde das 3DStadtmodell bereits zur Visualisierung im Internet veröffentlicht. PlexMap Magazine und Switchboard ermöglichen nun auch die vollumfängliche Nutzung der 3D-Daten.

Zum Stuttgart-Lauf im Juli 2017 stellte das Vermessungsamt eine 3D-Streckenkarte zur Verfügung, auf der beispielsweise Erste Hilfeund Trinkwasser-Stationen vermerkt waren. Foto: © LHS Stuttgart, Stadtmessungsamt
Moderne 3D-Stadtmodelle sehen nicht nur schön aus. Mit dem richtigen System können sie echten Mehrwert bieten für zentrale Aufgabenstellungen der Architektur, Stadt- und Raumplanung, Vermessung, mobile Telekommunikation, Umwelt und Facility Management. Vor diesem Hintergrund hat sich Stuttgart das Ziel gesetzt, ein multifunktionales und interaktives 3D-Stadtmodell zu entwickeln und es Bürgern und Verwaltung zur Verfügung zu stellen. Die Hauptstadt Baden-Württembergs gilt deutschlandweit als einer der Vorreiter in Sachen 3D. Bereits 1997 erstellte das Stadtmessungsamt 3D-Datensätze für ausgewählte Ämter. Seit 2004 verfügt Stuttgart sogar über ein vollständiges 3D-Stadtmodell, konnte es aber nicht im vollen Umfang für Verwaltungsprozesse nutzen. „Wir hatten schon damals eine ausgeprägte Geodateninfrastruktur mit einer Unmenge an Daten, aber insbesondere die Visualisierung für die Nutzer – ob Mitarbeiter oder Bürger zu Hause – war lange Zeit relativ schwierig“, erklärt Martin Grünheid vom Stadtmessungsamt Stuttgart, der das 3D-Stadtmodell verwaltet. „Um die Daten zu sehen oder zu nutzen, brauchte es eine spezielle Software, die aufwendig beim Nutzer installiert werden musste. Und an eine unkomplizierte Bereitstellung im Internet war mit den damaligen Softwaremöglichkeiten erst recht nicht zu denken.“
Potenziale nutzen
Veränderung brachte die browserbasierte Visualisierung auf Basis von WebGL mit sich. „Das war ein Quantensprung“, erinnert sich Martin Grünheid. „Ab da war einfach viel mehr möglich, was man natürlich auch in der gesamten Branche gemerkt hat.“ 2015 beschloss die Stadt, den Auftrag für eine performante, schnelle 3D-Visualisierungslösung auszuschreiben. „Die allerwichtigste Voraussetzung war, dass wir einen Webviewer anbieten, bei dem clientseitig keine Installation notwendig ist“, erklärt Grünheid. „Ganz wichtig war uns auch, dass wir unsere vorhandene Geodateninfrastruktur schnell und performant in das Produkt einbinden können. Sprich, die 2D-Daten, Luftbilder, Stadtplan, Bodentextur. Das alles natürlich zu einem angemessenen Preis.“
Schließlich entschied sich die Stadtverwaltung für PlexMap, die browserbasierte Systemsoftware für den Aufbau von zwei- und dreidimensionalen Geodateninfrastrukturen (GDI) des Osnabrücker Unternehmens Geoplex GmbH. „Mit dieser ersten PlexMap-Version waren wir erstmals in der Lage, unser 3D-Stadtmodell nicht nur für unser Intranet und andere Ämter, sondern auch für die Bürger über den WebViewer zu visualisieren, ohne dass Software beziehungsweise zusätzliche Plug-ins installiert werden mussten”, so Grünheid. Das 3D-Stadtmodell von Stuttgart beinhaltet alle 190.000 Gebäude in verschiedenen LOD-Stufen. Bei Aktualisierungen werden die Informationen über verschiedene Schnittstellen in die PlexMap-Anwendung geschoben (zum Beispiel wird das LOD1 wöchentlich aus ALKIS-Daten aktualisiert).
Informativer Webviewer
Über den PlexMap Viewer stellte das Messungsamt den anderen Ämtern verschiedene themenbezogene 3D-Karten zur Verfügung, visualisierte Modelle potenzieller, geplanter Gebäude im Rahmen verschiedener Architektur-Wettbewerbe und stellte mit nützlichen Informationen bestückte Event-Karten ins Internet. „Für das Umweltamt beauskunften wir zum Beispiel über den Nutzwärmebedarf, zu Frischluftschneisen oder zur Lärmausbreitung, indem wir die Lärmkarte unter das 3D-Modell legen, und für das Tiefbauamt erstellen wir gerade die dreidimensionale Auskunftskomponente für ein Klärwerksinformationssystem“, erklärt Grünheid. Aber auch für die Öffentlichkeit wurden bereits verschiedene thematische Karten erstellt. So erstellte das Vermessungsamt anlässlich des 24. Stuttgartlaufs im Juni 2017 eine 3D-Karte der gesamten Laufstrecke, in der beispielsweise Informationen zu Erste Hilfe- und Trinkwasserstationen, Fußgängerüberwegen, Parkmöglichkeiten und Entertainment hinterlegt wurden. Über den Webbrowser konnten die rund 20.000 Teilnehmenden und Interessierte die verschiedenen Wettkampfstrecken, wie etwa den Halbmarathon, kostenlos im Internet abfliegen.
Interaktive 3D-Lösung

Die Solarpotential-Analyse zeigt farbcodiert
die Eignung der Dachflächen
von rot (sehr gut) bis blau (bedingt). Foto: © LHS Stuttgart, Stadtmessungsamt
„Die Visualisierung war der nächste große Schritt für uns. Was allerdings noch fehlte war die Möglichkeit, das 3D-Modell interaktiv für verwaltungstechnische Aufgabenstellungen wie Solarpotenzial, Baumbestand oder auch den Heizbedarf von Gebäuden zu nutzen“, erklärt Grünheid. Dies will die Stadt nun mit der neuen Version von PlexMap und den beiden Tools PlexMap Magazine und Plexmap Switchboard ab 2018 realisieren. PlexMap Magazine ist die Datenhaltungskomponente der Softwarelösung, die in erster Linie auf PostGIS/PostgreSQL basiert. „Magazine ermöglicht es uns auch, die 2D- und 3D-Daten zu verarbeiten, zu filtern und zu sortieren“, so Grünheid. Im Magazine werden zur Speicherung der Daten sogenannte Depots angelegt. Erfolgt eine Aktualisierung dieses Datenbestandes, erhalten die fraglichen Depots einen neuen Zeitstempel – der Ausgangsdatensatz bleibt so erhalten. Im PlexMap Switchboard werden aus diesen Depots Layer, die im Plex- Map Viewer angezeigt werden können. Wird ein Depot aktualisiert, aktualisieren sich die davon abhängigen Layer in den verschiedenen thematischen Karten auf Wunsch automatisch. Auf diesem Weg ermöglicht PlexMap die Präsentation von stets aktuellen thematischen Karten im Internet.
Dabei ist das Switchboard das Herzstück der neuen PlexMap Version 2.1. Hier lassen sich zwei- und dreidimensionale Geodaten und über 200 GIS-Funktionen in Form von Bausteinen frei miteinander kombinieren. Auf diesem Wege ist es unter anderem möglich, Geometrien zu teilen und zusammenzuführen und Informationen zu verbinden. „Wollen wir beispielsweise eine Solarpotentialanalyse machen, brauchen wir die Dachflächen- und formen, die Gebäudehöhen und die Daten aus dem Baumkataster“, erklärt Grünheid. Die 2D-Daten aus dem Baumkataster lassen sich mit den Informationen zu Baumtyp und -höhe aus dem Datenbestand kombinieren und so um die dritte Dimension erweitern.

„Diesen Baumlayer können wir dann über das 3D-Stadtmodell legen und zum Beispiel eine Verschattungsanalyse durchführen“, so Grünheid. Zudem lassen sich mit dem Switchboard 3D-Gebäudemodelle und weitere Geodaten fortschreiben. „Ein großer Vorteil insbesondere für die Bürgerbeteiligung ist, dass wir bei geplanten Bauprojekten die verschiedenen Modelle als einzelne Layer über das 3D-Stadtmodell legen und visualisieren können. So können wir und auch die Bürger die verschiedenen Entwürfe mit ihren Auswirkungen auf das Stadtbild vergleichen, was den Entscheidungsprozess erleichtert“, erklärt Grünheid.
Ein neuer Standard für die Verwaltung
Für Martin Grünheid und seine Kollegen ist die Arbeit in und mit 3D-Stadtmodellen keine Zukunftsvision mehr. „Es läuft alles darauf hinaus, dass 3D-Stadtmodelle, so wie wir sie nutzen, der Standard für alle größeren Städte werden. Man muss natürlich nicht alles in 3D beauskunften. Aber ich denke gerade mit Blick auf Nachhaltigkeit aber auch Umweltschutz und Katastrophenmanagement steigen die Anforderungen an eine moderne Stadt, wie sie es Stuttgart nun mal ist. Ein ordentlich geführtes 3D-Stadtmodell bietet da einfach die besten Möglichkeiten.“