DLR wertet Datensätze aus der Erdbeobachtung von 2018 bis 2023 aus, die die Vielfalt und die Nutzung von landwirtschaftlichen Flächen zeigen.
Rund die Hälfte der Gesamtfläche Deutschlands wird für die Landwirtschaft genutzt. Anhand von Satellitendaten haben Forschende aus dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) für sechs Jahre analysiert, welche Feldfrüchte wo wachsen und welche Fruchtfolgen angebaut werden. Die Karten können zum Beispiel für das Monitoring verwendet werden, um die Folgen des Klimawandels abzuschätzen, Anpassungsmöglichkeiten zu identifizieren oder um Modelle für die Agrarlandschaft zu entwickeln. Die Forschenden haben mit rund 76.100 Satellitenaufnahmen gearbeitet, was 44 Terrabyte an Daten entspricht.
„Satellitengestützte Informationen über die Landnutzung sind zuverlässig, flächendeckend und unbestechlich. Sie unterstützen eine nachhaltige landwirtschaftliche Bodennutzung in Deutschland. Zudem geben die Daten einen Überblick, um die sich anbahnenden Auswirkungen des Klimawandels zu bewerten“, sagt Prof. Dr.-Ing. Anke Kaysser-Pyzalla, Vorstandsvorsitzende des DLR. „Mit den nun vorliegenden Feldfruchtkarten erkennen wir im Detail die Vielfalt und Strukturen der landwirtschaftlichen Nutzung in unserem Land. Die Erdbeobachtung liefert hier kontinuierlich Daten über Anbaugebiete und -flächen, die eine Abschätzung von Risiken für Ernteschäden, etwa aufgrund von Erosion und Starkregen, ermöglichen. Diese sind nicht nur für die Wissenschaft, sondern ebenso für regionale Akteure, Behörden und Verbände wie auch für die Wirtschaft von großem Interesse.“
Analyse für 18 verschiedene Feldfrüchte über sechs Jahre
Die Auswertung wurde erstmalig über sechs Jahre von 2018 bis 2023 mit einer räumlichen Auflösung von zehn Metern erstellt. Die Daten basieren auf Zeitserien der Sentinel-1 und Sentinel-2 -Satelliten, die etwa alle fünf Tage die Erdoberfläche aufnehmen. 18 verschiedene Feldfrüchte und Hauptnutzungsarten werden berücksichtigt: Winterweizen, Wintergerste, Winterroggen, sonstiges Wintergetreide, Sommerweizen, Sommergerste, Sommerhafer, Mais, Bohnen/Lupinen/ Erbsen, Kartoffeln, Zuckerrüben, Raps, Klee/ Luzerne, Ackergras, Grünland, Wein, Obst- und Feldgehölze sowie Hopfen. Der Blick auf die Karten zeigt, dass Weizen und Mais die größten Anbauflächen einnehmen, gefolgt von Gerste.
Feldfrüchte und landwirtschaftliche Nutzungsarten in den Regionen
Die Kartierung zeigt die kultivierten Feldfrüchte und landwirtschaftlichen Hauptnutzungsarten in Deutschland mit einer Auflösung von zehn Metern. Die Farben beschreiben die 18 unterschiedlichen Feldfrüchte. In dieser Darstellung für das Jahr 2021 sind in einheitlichem Maßstab verschiedene Agrarlandschaften Deutschlands zu sehen, welche die Vielfalt der Landschaftsstrukturen und ackerbaulichen Nutzung veranschaulichen: Hildesheimer Börde, Ostsee-Halbinsel Angeln, Fränkische Schweiz (obere Reihe); Körnermaisgebiet nahe Passau, Weinregion Breisgau, große Feldstücke im südlichen Brandenburg (mittlere Reihe); Weinbaugebiet Remstal nahe Stuttgart, von Wald umgebene Dörfer nahe München, Zuckerrübenregion in Franken (untere Reihe).
Betrachtung für jedes Feld möglich
„Wir können Feldfrüchte schlaggenau, also für jedes Stück Ackerland, flächendeckend und für ganz Deutschland einheitlich detektieren. Unsere Datensätze ermöglichen so einen Vergleich der Ackerlandnutzung über die Jahre sowie die Ableitung von Fruchtfolgen auf einzelnen Schlägen. Bestimmte Fruchtfolgen sind zum Beispiel wichtig für die Pflanzen- und Boden-Gesundheit und werden sich in der Folge des Klimawandels wahrscheinlich verändern“, erklärt Dr. Ursula Geßner, die die Gruppe Agrar- und Waldökosysteme im Earth Observation Center (EOC) des DLR leitet. Die Kartierungen können die Agrarstatistik ergänzen, die Informationen nicht feldgenau, sondern auf Verwaltungseinheiten gebündelt bereitstellt. Die Datensätze liefern jedoch nicht nur parzellengenaue Informationen zur angebauten Kulturart. Darüber hinaus geben sie indirekte Informationen über Agrarlandschaften, zum Wasserbedarf, zur Anfälligkeit für Trockenheit und Schädlinge und zur Agrardiversität.
Die Sentinel-1-Satelliten, die zum europäischen Copernicus-Programm gehören, haben Radartechnologien an Bord. Sie beobachten die Erdoberfläche unabhängig von Licht oder Wolken. Die Sentinel-2-Satelliten sind mit optischen Instrumenten ausgestattet, die zum Beispiel Veränderungen in der Grünheit der Vegetation erkennen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am EOC haben die Zeitreihen der Satelliten mit Verfahren des Maschinellen Lernens kombiniert. Die KI, die die Forschenden verwenden, erzielt eine hohe Genauigkeit. Generell gibt es aber Unterschiede in der Genauigkeit der einzelnen Klassen. So sind beispielsweise Zuckerrüben, Raps und Mais sehr gut detek- tierbar. Nutzungsarten, die sich in Aussehen und Entwicklungsverlauf stark ähneln, wie Sommergetreide- oder Grünland-Arten, sind schwieriger voneinander zu unterscheiden.
Die Datensätze sind über den EOC Geoservice öffentlich zugänglich. Sie können von Behörden, Institutionen und Forschungseinrichtungen als Informationsgrundlage genutzt werden, um Agrarstatistiken zu ergänzen oder Strategien zur Anpassung an den Klimawandel zu entwickeln. Es handelt sich zusätzlich um Basisdatensätze für weiterführende wissenschaftliche Arbeiten. Diese können etwa die Modellierung des Wasserhaushalts oder der Treibhausgasspeicherung und -emissionen in der Landwirtschaft betreffen.