Wie das Internet of Things (IoT) die Geowelt verändert
Der Trend der Digitalisierung ist nicht mehr aufzuhalten. Digitale Technologien können heute schon den Weg bereiten für verbesserte Prozesse und neue Services. Dabei wachsen unterschiedliche Technologien zusammen und ermöglichen gemeinsam neue Chancen.
Viele Menschen empfinden bei dem Begriff IoT ein leichtes Grummeln in der Magengegend, wird doch mit diesem Kunstwort ein Trend beschrieben, der unsere Welt im Ganzen erfasst hat und weite Teile des öffentlichen Lebens in das Internet verlagert. Das „Internet der Dinge“, wo alles denkbar und nichts manifestiert ist, wird mehr und mehr von einem geflügelten Wort zur Realität. So wird auch die Geowelt mittlerweile von dieser Welle erfasst und es zeigen sich durch das Zusammenwachsen von Technologien plötzlich neue Potenziale und Möglichkeiten.
Geoinformatik und Sensorik
So entstehen etwa derzeit neue Phantasien durch die Kopplung von raumbezogenenen Informationstechnologien mit neuer Sensorik. Zwar existieren aus der GNSS-Welt bereits zahlreiche Anwendungen etwa im Telematikumfeld, wo standortbezogene Daten mit sensorerfassten Daten gemeinsam verarbeitet werden, etwa beim LKW, der über diese Verbindung zum Beispiel Motortemperatur, Ölstand und andere dynamische Daten an die Zentrale liefert, doch werden solche standortbezogenen Dienste zumeist auf dem normalen GSM-Telekommunikationsweg transportiert. Nun drängen aber neue Standards auf den Markt, die dynamische Daten aller Kategorien per Funk über große Strecken transportieren können und dabei den Vorteil haben, kaum Energie zu verbrauchen und selbst in Gebäuden eine erhebliche Durchdringung aufweisen. Einer dieser neuen Standards ist Lo- RaWAN, das für Long Range Wide Area Network steht. LoRaWAN ist ein neuer Funkstandard, der ursprünglich in den USA entwickelt wurde, um riesige Rinderherden auf großer Fläche ohne entsprechende Mobilfunkversorgung ständig überwachen zu können.
Einfache Technologie
Die Architektur der LoRanWAN-Netze ist grundsätzlich sternförmig angelegt. Das heißt, die Funksensoren (Endgeräte) kommunizieren von Punkt zu Punkt mit sogenannten Gateways, welche die Datenpakete an einen Netzwerkserver senden. Der Netzwerkserver seinerseits verfügt in der Regel über verschiedene Schnittstellen, um Daten an verschiedenste IoT Plattformen und Applikationen zu liefern.
LoRaWAN nutzt regional unterschiedliche Frequenzbereiche im ISM-Band (Industrial, Scientific and Medical Band), zumeist im Frequenzbereich von 6,765 MHz bis 6,795 MHz. In Europa liegen die die ISM-Frequenzen zwischen 433 MHz (ISM-Band Region 1) und 868 MHz (SRD-Band Europa).
Die Reichweiten erstrecken sich von zwei km im Stadtgebiet über 15 km in die Vororte bis zu 40 km in ländlichen Räumen. Ein weiterer großer Vorteil ist die Durchdringung von Gebäuden, da hier auch zu einem gewissen Grad unterirdische Räumlichkeiten versorgt werden können. Tests haben ergeben, dass Gebäude von bis zu 20 Stockwerken keine Übertragungsprobleme haben, selbst wenn der Sender sich im Keller befindet. Der Stromverbrauch der Endgeräte ist denkbar niedrig und beträgt nur rund 10 mA. Dadurch werden Nutzungszeiten von deutlich über zehn Jahren ermöglicht, ohne dass ein Batterietausch notwendig wird.
Um eine hohe Effizienz bei Datentransfer und Energieverbrauch zu erreichen, nutzt LoRaWAN Frequenzspreizung. Interferenzen können so weitestgehend vermieden werden. Die Datentransferraten zu den Endgeräten passt der Netzwerkserver der jeweiligen Situation an. Die Kommunikation zum Netzwerkserver und zum Anwendungsserver im LoRaWAN ist zweifach mit 128 bit AES (Advanced Encryption Standard) verschlüsselt, so dass ein hoher Sicherheitsschutz vorliegt.
Dem größten südkoreanischen Telekommunikationsunternehmen SK Telecom gelang Anfang Juli 2016 die landesweite Einführung von Low-Power Wide-Area Network (LPWAN) basierend auf LoRaWAN-Technik für die IoT-Infrastruktur. Ein paar Tage vorher meldete das niederländische KPN die landesweite Bereitstellung des IoT-Netzwerkes mit LoRaWAN-Technik. Damit gehören die Niederlande und Südkorea zu den ersten Ländern mit flächendeckender LoRaWAN-Versorgung.
In Deutschland noch weitgehend unbekannt
In Deutschland ist LoRaWAN noch in den Kinderschuhen und es finden sich bislang wenige Anwendungen. Erste konkrete Anzeichen zur Nutzung der neuen Technologien gibt es in der Versorgungswirtschaft. Vorreiter ist hier die Firma ZENNER. Das saarländische Traditionsunternehmen, das weltweit zu den Marktführern bei Wasser-, Wärme- und Gaszählern gehört, will mit seiner IoT-Initiative die Versorgungswirtschaft revolutionieren. „Wir wollen das Internet der Dinge für die Versorgungswirtschaft erschließen und so neue Geschäftsmodelle ermöglichen“, erläutert Sascha Schlosser, Geschäftsführer bei ZENNER. Erster wesentlicher Nutzungsansatz ist dabei die sogenannte Mehrspartenablesung von Verbrauchsstellen.
Stadtwerke können beispielsweise mit der neuen Technologie eine flächendeckende Stichtagsablesung vornehmen. Dabei ermöglicht die Anbindung an die intelligenten Messsysteme spartenübergreifende Angebote. „Die neue Technologie bietet Stadtwerken und Energieversorgern Möglichkeiten, die deutlich über die derzeit verbreitete Fernablesung mit Walk-byoder Drive-by-Funk-Lösungen hinausgehen“, erläutert Sascha Schlosser. Beispielsweise lassen sich die Zählerdaten viel häufiger auslesen, weil die Daten tausender Objekte energiesparend in kürzester Zeit und über weite Strecken hinweg übertragen werden können. Die Anfahrten zu den Messstellen entfallen damit ebenso wie eventuelle Terminabsprachen mit Gebäudeeigentümern, um Zugang zu den Liegenschaften zu erhalten. Der Verbrauch abwesender Mieter muss nicht mehr geschätzt werden. Weil das System bidirektional funktioniert, lassen sich die Zähler auch aktiv ansteuern, um beispielsweise den Stichtag umzuprogrammieren, den Gerätestatus abzufragen oder den sogenannten Bewertungsfaktor für die Abrechnung zu ändern. „Messstellenbetreiber können die Verbrauchsdaten aller Versorgungssparten auslesen, verarbeiten, und diese Dienstleistung zum Beispiel der Wohnungswirtschaft anbieten“, führt Schlosser aus. „Im Umfeld des Smart Meter Rollouts im Strombereich, der derzeit in Deutschland stattfindet, ist das eine sehr interessante Option, die mit vergleichbar einfachen Mitteln umgesetzt werden kann.“
Viele Anwendungen denkbar
Doch nicht nur im Versorgungsbereich werden plötzlich neue Anwendungen denkbar. Auch in der Geoinformatik ergeben sich mit LoRaWAN neue Anwendungsphantasien. Das in Hamburg ansässige Unternehmen ZENNER IoT Solutions GmbH arbeitet derzeit an einem Projekt zur Überwachung von Unterflur-Müllcontainern. Per Ultraschall-Sensor wird dabei der Füllstand der Müllcontainer überwacht. Ist der Container voll, wird die Zustandsmeldung per LoRaWAN übertragen und auf einer App visualisiert. Der zuständige Abfallentsorgungsbetrieb ist mit diesen dynamischen Daten dann in der Lage, seine Containerentleerungsroute angepasst zu planen.
In der Schweiz setzen die ZENNER IoT-Solutions ein System zur Überwachung von Parkplätzen um. Es zeigt in einer App mit Kartenanwendung freie und besetzte Parkplätze an. So kann die Stadtpolizei zum Beispiel besetzte Behindertenparkplätze kontrollieren und prüfen, ob der Autobesitzer über einen entsprechenden Parkausweis verfügt.
Beim Projekt vemedo.com, das sich derzeit im Aufbau befindet, können sich Inhaber von Elektrofahrzeugen und Inhaber/Betreiber einer Ladestation für Elektroautos auf www.vemedo.com anmelden und ihre Ladestation registrieren. Über eine App können andere Nutzer eine Ladestation suchen und sehen auf einer Karte den Zustand „Frei“ oder „Besetzt“ visualisiert.
Diese ersten Projekte zeigen bisher nur rudimentär, welche Möglichkeiten das Internet of Things durch die Kombination von Geotechnologien und neuen digitalen Technologien bieten kann. Für die Geoinformatik könnte dabei LoRaWAN eine neue Schlüsselrolle übernehmen, da damit dynamische Zustandsdaten jedweder Art transportiert und mit Geotechnologien kombiniert eine neue Welt der Anwendungen eröffnen könnten. (PK)