Das Unternehmen Nexiga ist bereits seit mehr als 40 Jahren im Bereich Location Intelligence aktiv, bei dem der Schwerpunkt vornehmlich auf dem Einsatz von Geodaten liegt. Meist wurden in der Vergangenheit Unternehmen und Versorger bei Planung und Bewertung von Vertriebs- und Versorgungsgebieten, Standorten und Filialen sowie der Segmentierung und Profilierung von Zielgruppen unterstützt. Seit einigen Jahren hat sich das Unternehmen auf Grundlage dieser Expertise auch auf die kommunale Wärmeplanung spezialisiert und bietet in Zusammenarbeit mit Partnern umfassende Dienstleistungen für Kommunen jeder Größe an.
Im Interview spricht Norbert Stankus, Director Energy & E-Mobility der Nexiga GmbH, über Chancen und Herausforderungen der Wärmewende.
Die Kommunen verfügen selbst über viele Daten. Warum brauchen Sie einen externen Dienstleister?
SN: Korrekt. Kommunen verfügen zwar über zahlreiche Daten, auch die OpenData Offensive lässt derartige Vermutungen zu. Aber oft sind diese fragmentiert, unvollständig, veraltet oder in inkompatiblen Formaten vorliegend. Das hören wir oft von unseren Kunden wie z.B. Netzbetreibern oder Ingenieurbüros. Die Aufgabe einer Kommune ist es aber auch nicht Daten zu pflegen oder zu generieren. Dafür sind externe Dienstleister wie Nexiga mit spezialisierter Expertise, technischen Tools und langjährige Erfahrung in der Analyse und Aufbereitung solcher Daten da. Nexiga bietet ferner Zugang zu ergänzenden, hochwertigen Datensätzen und analytischen Modellen, die Kommunen häufig nicht eigenständig entwickeln oder pflegen können. Dazu gehören z.B. Baujahr, Wohnfläche, Wärmebedarf oder Heizungsalter der Gebäude. Die Daten sind dann auf Knopfdruck mit der richtigen Adresse und allen relevanten Attributen für die Wärmeplanung verknüpfbar.
Welche Voraussetzungen sollten Kommunen mitbringen, um gemeinsam mit Nexiga möglichst schnell zu möglichst belastbaren Ergebnissen zu kommen?
SN: Natürlich Datenbereitschaft, Kooperationsbereitschaft, eine klare Zielsetzung sowie interne Ressourcen. Den Rahmen für die Wärmeplanung gibt zudem das WPG (Gesetz für die Wärmeplanung) vor. Auf Grundlage unserer Daten kann jede Kommune in kürzester Zeit eine umfassende Bestandsaufnahme ihres Ist-Zustands erstellen und so einen Digitalen Zwilling der gesamten Kommune entwickeln.
Es gibt ja einige Leitfäden. Bieten diese eine geeignete Blaupause für die Umsetzung des KWP oder gehen Kommunen eher individuell vor?
SN: Leitfäden wie das WPG bieten eine wertvolle Orientierung. Dennoch ist jede Kommune einzigartig, das merkt man an den unterschiedlichen Ausschreibungen, die wir erhalten. In jeder Kommune ist die Ausgangslage unterschiedlich. Gibt es beispielsweise ein Fernwärmenetz oder nicht, gibt es industrielle Abwärme, die genutzt werden kann, etc. Die Ingenieurbüros und Partner, mit denen wir zusammenarbeiten, und die bereits zahlreiche Projekte umgesetzt haben, haben inzwischen Standardverfahren entwickelt, die als Blaupause genutzt werden können.
Welche Daten fehlen am häufigsten zu Beginn der Bestandsanalyse?
SN: Häufig liegen veraltete oder unvollständige Informationen über den energetischen Zustand von Gebäuden vor. Auch Informationen zum Gebäude selbst wie das Baujahr, die Heizart und das Heizungsalter sowie zum Sanierungsstand. Angaben zu bestehenden Wärme-, Strom- oder Gasnetzen sind ebenfalls oft lückenhaft, was wir im Projektverlauf des Öfteren hören.
Wie detailliert sollten bzw. können die Daten für eine Bestandsanalyse sein?
SN: Hier gilt die Regel: so detailliert wie möglich. D.h. die Daten sollten optimalerweise gebäudescharf, also auf Gebäudeebene, vorliegen, um konkrete Maßnahmen planen zu können. Sie können durch modellierte Daten ergänzt werden, wenn Lücken existieren. Das ist allerdings teils schwierig und mit Qualitätsverlusten verbunden. Gebäudespezifische Daten sind z. B. Baujahr, Größe, energetischer Zustand. Infrastrukturdaten: z. B. Lage von Wärmenetzen oder erneuerbaren Energiequellen. Gebietsbezogene Daten: z. B. Bebauungsdichte, Flächennutzung. Die Gebäude-Daten lassen sich dann beliebig auf gröbere Ebenen aggregieren, wie z.B. auf Baublock-Ebene oder andere Quartiers-Ebenen, was auch im Wärmeplanungs-Gesetz so vorgegeben wird.
Vielfach wird heute von einem Digitalen Zwilling gesprochen. Wie kann dieser mit der kommunalen Wärmeplanung interagieren?
SN: Der Digitale Zwilling bildet die physische Realität der Kommune virtuell nach und ermöglicht Simulationen in Echtzeit. Er bildet den Status quo der Wärmeversorgung einer Kommune ab, einschließlich Wärmeerzeugung und -verbrauch, basierend ausschließlich auf den verfügbaren Daten. Dieses digitale Modell dient als Grundlage für die zukünftige Planung der Wärmeversorgung und die Simulation verschiedener Szenarien zur nachhaltigen Weiterentwicklung, z. B. Energieverbrauch oder Emissionswerte pro Gebäude oder die Wirkung von Sanierungsmaßnahmen oder der Ausbau erneuerbarer Energien.
Stichwort Langfristigkeit: Wie dynamisch sollte eine kommunale Wärmeplanung sein und sich jeweils an Entwicklungen anpassen?
SN: Die Wärmeplanung sollte als lebendiges Projekt betrachtet werden, das regelmäßig aktualisiert wird. Sie sollte ein Instrument zur aktiven Steuerung der Wärmewende in einer Kommune sein. Auf Veränderungen wie neue Speichertechnologien oder effizientere Heizsysteme sowie Anpassungen an neue Gesetze, Förderprogramme oder demografische Verschiebungen sollte reagiert werden können. Da idealerweise alle Daten digital in einem System hinterlegt sind, lassen sich somit auch die Daten flexibel und kurzfristig an Veränderungen anpassen. Zudem sind gemäß des WPG die planungsverantwortlichen Stellen verpflichtet, den Wärmeplan spätestens alle fünf Jahre zu überprüfen und die Fortschritte bei der Umsetzung der ermittelten Strategien und Maßnahmen zu überwachen und bei Bedarf anzupassen.
Wie können Kennzahlen für die Wirtschaftlichkeit der Umsetzung der Wärmewende entwickelt werden?
SN: Kennzahlen sollten klar definiert, messbar oder anhand verfügbarer Daten berechenbar sein. Eine mögliche Kennzahl ist der Wärmebedarf aller Gebäude in einer Kommune. Weitere relevante Kennzahlen könnten die Angaben aus Energieausweisen, die Immissionswerte aus Schornsteinfegerdaten oder ein berechneter CO₂-Wert der Kommune umfassen. Hierzu sollten verbindliche Empfehlungen oder Vorgaben formuliert werden, die von Fachspezialisten erarbeitet werden. Solche Kennzahlen können mit datenbasierten Modellen von Nexiga unterstützt und kommunenspezifisch angepasst werden.