Mit ihrer Technologie zum Aufbau Digitaler Zwillinge schafft die LocLab GmbH aus Darmstadt insbesondere für Energieversorger neuartige Chancen für das Asset Management.

Im Rahmen des Pilotprojekts von VERBUND und LocLab wird derzeit getestet, welchen Mehrwert Digitale Zwillinge im Asset Management und in der Prozessoptimierung leisten können. Bild: LocLab Consulting GmbH
Unter einem Digitalen Zwilling (Digital Twin) wird ein virtuelles Abbild eines physischen Elements verstanden. Aber welche Anforderungen muss dieser eigentlich erfüllen? Ist ein Digital Twin ein rein logisches Datenmodell oder besitzt er Geometrie? Wenn ja, wie hoch ist die geometrische Genauigkeit, wie vollständig sollten die Daten sein? Und welche Anforderungen gibt es an die visuelle Repräsentanz?
Bei dem Thema Digitale Zwillinge gibt es heute ein Spannungsfeld, dass – grob gesagt – von der Methodenvielfalt für die Erfassung und Prozessierung der Daten bis zu den Anforderungen an eine intuitive Nutzung reicht. „Wir haben häufig die Situation, dass der Begriff Digitaler Zwilling in Projekten unterschiedlich verstanden wird, die verschiedenen Kompetenzträger und Rolleninhabern verschiedene konkrete Vorstellungen im Kopf haben und die einzelnen technischen Differenzierungen von Digital Twins zunächst überdeckt werden. Wenn das nicht frühzeitig geklärt wird, kann das im späteren Projektverlauf zu Konflikten und einer falschen Erwartungshaltung führen“, sagt Dr. Ilka May, Geschäftsführerin des Unternehmens LocLab Consulting GmbH in Darmstadt.
Neuer technologischer Ansatz
Das Problem ist nicht neu. Planungsdaten von Anlagen, Gebäuden und Infrastruktur haben oft mit der Realität nur wenig zu tun und liegen nur selten in 3D vor. Es werden aber zunehmend 3D-Daten von Bestandsbauten benötigt, um Planungen und Optimierungen des Bestands vornehmen zu können. Daher ist eine 3D-Bestandsmodellierung notwendig, die möglichst kostengünstig sein soll und dabei verschiedene Anwendungsfälle abdecken muss. Dafür gibt es aber noch keine Standards. Viele Bestandshalter fordern daher Planungsstandards für eine Modellierung von Bestand. Das führt allerdings nicht unbedingt zu den gewünschten Ergebnissen. „Oft wird sehr viel Geld in die hochdetaillierte Modellierung investiert und der Bestand mit Planungssoftware nachmodelliert. Der Aufwand und die Kosten dafür sind allerdings immens, was in der Folge dazu führt, dass Projekte stecken bleiben“, so May.

„Digitale Zwillinge sorgen für einen veränderten Umgang mit Daten und Informationen im gesamten Lebenszyklus von Bauwerken und technischen Anlagen“, betont Ilka May, Geschäftsführerin der LocLab Consulting GmbH aus Darmstadt und Expertin für Digitale Zwillinge.
Mit einem speziellen technologischen Ansatz hat LocLab Consulting hierfür eine Lösung gefunden. Mit einer Modellierungs-Engine, die ihren Ursprung in der Gaming Branche hat, hat das Unternehmen im Laufe der Zeit einen Ansatz für die objektorientierte 3D-Modellierung entwickelt, der die Brücke zwischen Ingenieurtechnischer Planung und intuitivem Informations- und Assetmanagement schlägt. Konkret werden also rein alphanumerische Digitale Zwilling und die objekt-basierte Abbildung verheiratet. „Dabei werden Attribute und andere Informationen, die außerhalb des Geometrie-Modells verwaltet werden, verknüpft und verlinkt“, erklärt May. Dies betreffe den gesamten Lebenszyklus von Bauwerken und technischen Anlagen.
Ein weiterer zentraler Punkt liegt in der Datenerfassung für die Bestandsaufnahme. Dafür LocLab hat eine semi-automatisierte Methode auf Basis von Videogrammetrie unter Einsatz von KI entwickelt. „Vor allem liegt darin ein enormer Hebel zur Kostenersparnis für unsere Kunden“, so die Geschäftsführerin.
Anwendungsfälle in der Energiewirtschaft
Ein signifikanter Anwendungsfall solcher Digitalen Zwillinge ist der Netzausbau, vor allem des Übertragungsnetzes, bei dem diese die notwendige Öffentlichkeitsarbeit unterstützen. „Hier ist viel Transparenz, Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit erforderlich, denn die Vor- und Nachteile des Ausbaus sind ungleich verteilt“, so May. Kunden von LocLab nutzen Digitale Zwillinge daher, um solche gesamtgesellschaftlich relevanten Diskurse mit sachlich-informativen Fakten breitenwirksam zu untermauern. Die Digitalen Zwillinge umfassen Trassenkorridore, Planungs-Varianten, Sichtachsen, Auswirkungsanalysen und vieles mehr. „Obwohl es sich hierbei um große Datenmengen handelt, gewährleisten wir dennoch eine intuitive, interaktive Visualisierung“, so May.
Asset Management bei VERBUND
Ein zweiter Anwendungsfall in der Energiewirtschaft ist das Asset Management und die damit zusammenhängende Prozessoptimierung. Getestet und angewandt werden diese Anwendungen aktuell im Rahmen eines Pilotprojekts von dem österreichischen Stromunternehmen VERBUND, dem größten Erzeuger von Strom aus Wasserkraft in Europa. In diesem Projekt erstellte LocLab Consulting ein interaktives VR-Modells des Wasserkraftwerks Rabenstein einschließlich der unmittelbaren Kraftwerksumgebung. Grundlage waren 3D-Vermessungsdaten und Fotoaufnahmen.
Konkret wird untersucht, welche Vorteile der Digitaler Zwilling für Betrieb und Instandhaltung der Wasserkraftwerke bringen kann. Besonders stehen VR-Modelle im Fokus: „Wir sehen bereits in der jetzigen Projektphase, dass die Chancen für sicherheitstechnische Unterweisungen, Trainings-/Schulungsumgebungen wie Simulation von Überschwemmungen oder von Störungsereignissen sehr hoch sind. Vor allem macht sich dies am intuitiven Zugang zu relevanten Informationen fest“, so May. Daher wird das Konzept des Digitalen Zwillings bereits erweitert. Beispielsweise wurden, so May, bereits technische Unterlagen und auch Livedaten aus der Prozessleittechnik erfolgreich integriert.

Digitale Zwillinge können beispielsweise in der Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation im Zusammenhang mit dem Netzausbau eingesetzt werden. Bild: LocLab Consulting GmbH
„Über die Verlinkung im digitalen Zwilling sind diese Daten nicht nur schneller auffindbar, sondern sie können durch den sichtbaren räumlichen Zusammenhang am digitalen Modell auch andere Erkenntnisse bereitstellen“, so May. In dieser Kombination von Echtzeitdaten aus Sensorik und IoT könnten aus den Daten auch Anomalien erkannt werden, die auf mögliche Probleme und einen Bedarf für Wartungsmaßnahmen schließen lassen.