Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat an einer Katastrophenschutzübung in Österreich teilgenommen und dort neue Methoden zur Lageerfassung und Lageauswertung mitentwickelt, damit wichtige Informationen den Krisenstäben bei Einsätzen schneller und umfangreicher als üblich zur Verfügung stehen. „Die Daten- und Informationsvielfalt in Katastrophenlagen hat durch moderne Technik in den letzten Jahren enorm zugenommen. Bisher wird aber nur ein kleiner Teil dieser Daten für die Lageeinschätzung genutzt“, erklärt Dr. Marc Wieland vom Earth Observation Center (EOC) im DLR. Er ist Leiter des deutsch-österreichischen Projekts AIFER (Artificial Intelligence for Emergency Response). In dem Projekt arbeiten die Forschenden mit Methoden der Künstlichen Intelligenz, um Informationen aus der Erdbeobachtung und aus dem Internet zu kombinieren. „Dabei werden Daten von Satelliten, Flugzeugen, Hubschraubern und Drohnen sowie Daten aus sozialen Medien automatisiert ausgewertet, zusammengefasst und aufbereitet. Die entwickelten Verfahren sollen den Bevölkerungsschutz unterstützen“, ergänzt Marc Wieland.
Im Rahmen des Forschungsprojekts beteiligten sich das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, die Paris Lodron Universität Salzburg sowie das Österreichische und des Bayerische Rote Kreuz am 29. April 2023 an der Katastrophenschutzübung. Dabei wurde der Einsatz der innovativen Technologien in einem eigens eingerichteten Lagezentrum demonstriert. Expertinnen und Experten von verschiedenen Organisationen bewerteten die Ergebnisse, während Rettungskräfte vor Ort im Einsatz waren. „Die Übung ist sehr realitätsnah“, sagt Dr. Konstanze Lechner vom Zentrum für satellitengestützte Kriseninformation (ZKI) im EOC.
„Die Informationen aller Einsatzabschnitte wurden hier dynamisch und aktuell auf Grundlage von Satellitenbildern, Drohnenbefliegungen und sozialen Medien erhoben. Unsere Aufgabe war, sie dann echtzeitnah auszuwerten und im Lagezentrum zu einem komplexen Lagebild zusammenzuführen.“ Ein Videostream im Lagezentrum zeigte Aufnahmen einer bodengestützten Kamera, ein anderer Live-Drohnenbilder. Die DLR-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter präsentierten außerdem ein digitales Geländemodell von einer Region aus der Katastrophenübung. Eine Drohne hatte am Vortag die Daten dafür geliefert. Das virtuelle 3D-Modell wurde aus dem DLR-Sicherheitsforschungsprojekt FOPOS (Forschung und nutzerkonforme Produkte für nationale und internationale Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben) heraus entwickelt.
Die Übungsszenarien waren an vier unterschiedlichen Orten aufgebaut worden. Schwimmende Dächer im Wallersee simulierten eine überflutete Siedlung, während in Salzburg die Abrissstelle eines Verwaltungsgebäudes als eingestürztes Haus diente. In Kuchl wurde ein Chemieunfall durch einen am Bahnhof entgleisten Zug, in Oberndorf/Laufen die Rettung von Menschen aus der Salzach nachgestellt. Einheiten aus Tirol und Deutschland ergänzten die lokalen Kräfte. Im Fokus der Großübung standen laut dem Land Salzburg nicht nur Koordination und Zusammenarbeit. Es ging auch darum, „wichtige Daten zu sammeln“.
Unterstützung für Rettungskräfte vor Ort
Das Projekt AIFER wird vom deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung und vom österreichischen Bundesministerium Finanzen gefördert. Das Verbundprojekt ist im Februar 2021 gestartet. Auf deutscher Seite wird es vom DLR in Oberpfaffenhofen koordiniert. Im Oktober 2022 fand im Rahmen des Projekts eine Übung mit Rettungskräften im Ahrtal statt. Die Region war besonders stark vom Hochwasser im Juli 2021 betroffen.
Damals hatte das ZKI innerhalb kürzester Zeit Satellitendaten und DLR-Luftbildaufnahmen ausgewertet und den Einsatzkräften direkt sowie als Kartenprodukte zur Verfügung gestellt. Helferinnen und Helfer in den von der Flut betroffenen Gebieten in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen konnten damit schnell erkennen, welche Infrastrukturen für Rettungseinsätze noch nutzbar waren.