Interview: Helmut Wenninger hat umfassende Untersuchungen der Leistungsfähigkeit von UAS für die Vermessung durchgeführt. Seiner Erfahrung nach genügen kommerzielle Systeme für den Großteil von Vermessungsaufgaben.
Der Markt für Multikopter und Drohnen in der Klasse unterhalb von fünf Kilogramm Aufstiegsgewicht entwickelt sich rasant. Das gilt sowohl für High-end-Systeme als auch für kommerzielle Drohnen, die Kameratechnik und auch die Softwarelösungen für die Bildauswertung. Wie also kann das heutige Marktangebot aus Sicht des Preis-/Leistungsverhältnisses bewertet werden? Business Geomatics sprach dazu mit Helmut Wenninger, der seit 45 Jahren Geschäftsführer der Wenninger Ingenieursgesellschaft ist.
Business Geomatics: Was bewegt einen Geoinformatik-Spezialisten wie das Ingenieurbüro Wenninger dazu, sich intensiv mit dem Thema UAV auseinanderzusetzen?
Helmut Wenninger: Dazu muss man vielleicht grundsätzlich wissen, wie wir seit Jahrzehnten in dem Markt agieren. Unsere Hauptmotivation war immer, eine einfache, verständliche Vermessungstechnik und Software zu fairen Preisen bereitzustellen, dabei aber die Kompetenz des Vermessungsfachmannes hervorzuheben. Genau dafür sind die Technologien rund um den UAV-Markt prädestiniert. Die technologischen Entwicklungen aus den Bereichen Automobil, Computergrafik, 3D-Bildverarbeitung und ganz allgemein bei der Bildverarbeitung haben enorme Sprünge gemacht, so dass für Vermesser heute ein enorm leistungsfähiges Arsenal an Hardware, Software und Methoden zur Verfügung steht. Aber er braucht ein umfassendes Know-how, um brauchbare Ergebnisse zu liefern. Vor allem ist eine kluge Messanordnung gefragt, um möglichst exakte Koordinaten zu bekommen.
Wie genau kann eine solche Anordnung aussehen?
Grundsätzlich lässt sich jede moderne Sensortechnik egal ob GNNS, Scanner, Totalstation oder der Fotoapparat in eine Drohne integrieren. Die Fotovermessung ist aber das momentan vielversprechendste Verfahren. Um einen handelsüblichen Fotoapparat zu einem wirklich guten Vermessungssystem zu machen, hat es in den letzten Jahren eine Entwicklung gegeben, die man aus Sicht von Anwendern und auch Softwareentwicklern nur als sensationell beschreiben kann. Motor war sicher die Film- und auch die Automobilindustrie, die Algorithmen für die Gesichts-, Verkehrszeichen- oder Strukturerkennung und interessante Möglichkeiten geschaffen hat, Texturen zu verarbeiten. Mit diesen Methoden der Photogrammmetrie können heute 3D Modelle mit hervorragender Genauigkeit errechnet werden.
Was ist beim, wie Sie es nennen, „Flying- Surveyor-System“ wichtig für den Vermesser?
Entscheidend sind aus unserer Sicht fünf Punkte. Fluggerät, Aufnahmesystem für die Sensoren, Flugplanungssoftware, die Auswertesoftware zur Erstellung von Orthophotos oder 3D-Modellen sowie eine Software für die Aufarbeitung der Ergebnisse in Richtung CAD- und GIS.
Wie kann man deren Wichtigkeit bewerten?
Heute kommt es auf das Gesamtsystem an, nicht so sehr auf einzelne Aspekte. Die Kamera selbst, also der Vermessungssensor und die Objektive, sind so gut wie nie zuvor. Man kann davon ausgehen, dass selbst Standardkameras hervorragende Werte in Bezug auf die geometrische Exaktheit liefern. Heute liefern sogar Handykameras Top-Daten. Die Qualität der reinen Messdaten wird vor allem von der Positionierungstechnik und der Aufhängevorrichtung der Kamera bestimmt.
Sind RT K-Systeme wichtig für die Positionierung?
RTK-basierte UAS wie etwa die DJI Matrice 210 RTK, die für rund 13.000 Euro am Markt verfügbar sind, können die Standardgenauigkeit deutlich bis in den Sub-Meterbereich verbessern, man kommt aber auch hier ohne Passpunkte am Boden nicht aus. Viel wichtiger ist die Aufhängevorrichtung der Kamera. Dieses sogenannte Gimbal, also die kardanische Lagerung der Kamera, sorgt für eine ruhige Kameraposition während der Aufnahme. Ein kleiner Gyrosensor sorgt bei den ausgereiften Systemen für den Ausgleich der Flugbewegungen. Der Markt profitiert hier vor allem von den Anforderungen der Filmindustrie nach einem ruhigen „Bird View“. Diese „Gyros“ werden auch im Fluggerät selbst verwendet und vereinfachen die Steuerbarkeit deutlich.
Bei Fluggeräten ist die Auswahl am Markt riesig. Wie kann man sich orientieren?
Vor allem sollte man auf den Preis achten. Nicht aufgrund übertriebener Sparsamkeit, sondern weil die Leistungsfähigkeit in dieser Klasse enorm ist. Wir haben mehrere Versuche mit Mittelklassedrohnen in der Kategorie 1.500 Euro bis 5.000 Euro durchgeführt. Ist das Ziel die klassische Geländeaufnahme mit Massenermittlung und Lageplan zum Beispiel für Deponien, Haufwerken oder im Tiefbau, sind moderne Konsumerdrohnen völlig ausreichend für Topergebnisse. In dieser Klasse hat es im letzten Jahr einen dramatischen Qualitätssprung in den Bereichen Flugstabilität, Kamera und Flugplanungsmöglichkeiten gegeben. Die Fluggeräte sind sicher, leicht und haben lange Flugzeiten, vor allem bei dem größten Hersteller weltweit, DJI. Am Beispiel des Flugsystems DJI Phantom, der wohl meistverkauften Drohne der Welt, lässt sich das gut deutlich machen. Von dem neuesten Typ 4, der seit Dezember 2016 auf dem Markt ist, werden aktuell 10.000 Stück pro Tag ausgeliefert. Demnach ist im Markt die Akzeptanz für Investitionen in High-end-Systeme, die gerne mehrere Zehntausend Euro kosten können, stark gesunken.
Gilt das auch für die Auswertesoftware?
Für die Auswertesoftware gibt es inzwischen mehrere Softwarepakete, die sowohl die räumliche Zusammenführung der Fotos, aber auch die Verschneidung durchführen. Im Rahmen unserer Ausbildung zum Flying Surveyor haben sich eine Reihe von Produkten und Onlinediensten herauskristallisiert, die allesamt gute Ergebnisse liefern, aber unterschiedliche Vorgehensweisen beziehungsweise Arbeitstechniken implizieren.
Es wird immer wieder von Unterschieden zwischen Cloud-basierte Systemen und Desktopsoftware geredet. Ist das noch aktuell?
ESG. Unsere Themenschwerpunkte im Bereich GeoIT und Fernerkundung
liegen in der Konzeption und Realisierung von Geodatenmanagementsystemen,
Geodateninfrastrukturen, verlegbaren (mobilen) Geoinformationssystemen
und Software für die automatisierte Bildauswertung sowie für die
Karte/Lage-Darstellung in Einsatzsystemen.
Portfolio: Aerial Mapping, 3D-Modelle/Auswertung, Orthobilder und GIS/CAD-Anwendungen, Thermalanalyse/Wärmebild zur Inspektion am Boden und aus der Luft, Reseller von Multispektralkameras mit Expertise u.a. in Präzisionslandwirtschaft + Tagebau, Unternehmensberatung zur Einbindung von UAVs im industriellen Geschäftsbetrieb, sowie Anwenderschulungen.
Corporation – weltweit führend in der Herstellung von optischen und elektronischen
Instrumenten für die Medizin, Vermessung und Bauwirtschaft. Topcon
entwickelt und produziert innovative Positionierungslösungen und bietet ein
ganzheitliches Produktportfolio an GNSS-Systemen, Lasern, Produkten für die
optische Vermessung und Maschinensteuerung, sowie Anwendungssoftware an.
Software, u.a. Agisoft Photoscan. Daneben bieten wir eine aufgabenspezifische
Durchführung von nahbereichs- und UAV-photogrammetrischen Vermessungen
und teilen unsere Erfahrung und unser Wissen im Bereich moderne Photogrammetrie
mit unseren Kunden im Rahmen von Photogrammetrie-Seminaren und
onlinebasiertem On-the-job Support.
Im Moment sicher noch, obwohl die Grenzen hier verschwinden. Die Internetdienste ermöglichen den Upload von Bildern und liefern einige Stunden später ein fertiges 3D-Modell ab. Einfache Dienste kommen vorwiegend aus dem Modellbau und dem Architekturbereich (etwa Remake von Autodesk), es gibt aber auch komplexe Dienste für Geländeaufnahmen und landwirtschaftliche Auswertungen, etwa Drohnedeploy oder Altizure. Beide liefern eine kostenlose Flugplanung, sind aber in der Auswertung relativ teuer. Bei den Desktopauswertesystemen gibt es eine ebenso enorme Geschwindigkeit der Entwicklung. Es sind vor allem vier Systeme auf dem Markt. Das bekannteste ist wohl immer noch Agisoft aus Russland. Es liefert gute Ergebnisse und arbeitet schnell und effizient. Preislich ist es im oberen Segment angesiedelt. Noch teurer ist Pix4D, dass als High-End- System bezeichnet werden kann. Die Newcomer sind 3Dsurvey und 3DFlow. Beide beliefern in Zukunft auch den deutschen Markt, teilweise auch über das CADdy Vertriebsnetz, und sind günstig. Gerade 3Dsurvey scheint hier auf die Belange der Vermessungsbranche sehr schnell zu reagieren und interessante Features einzubauen, so zum Beispiel die schnelle Erstellung von Profilen, die Massenermittlung und das Erzeugen von Konstruktionshorizonten mit der Ausgabe in übliche CAD- und 3D-Formate. Aber hier ist auch irgendwann eine funktionale Grenze zu beachten. Sollte eine prüfbare Massenermittlung oder gute Profilberechnung notwendig sein, kommt man um professionelle Produkte wie zum Beispiel CADdy Classic oder AutoCAD Civil 3D nicht herum. Hier lassen sich problemlos Längs- und Querprofile nach den üblichen Verfahren erstellen und die Massen etwa über die Prismenmethode oder über Elling ermitteln.
Schulungen
CADdy Geomatics fungiert als Händler für diverse photogrammetrische Softwarepakete und ist offizieller Händler des weltweit größten UAV-Herstellers DJI aus China. Das Münchner Unternehmen bietet mit dem „Learn&Earn“ Angebot einen 3-Tages-Kurs an, in dem sowohl die Flugübungen, die rechtlichen Vorgaben, die Softwarevoraussetzungen als auch der gesamte Workflow der UAV-Vermessung behandelt wird. Die Kosten liegen bei rund 2.000 € für die Schulung, für 3.700 € gibt es ein Gesamtpaket zuzüglich UAS und Auswertesoftware. Aktuell haben bereits ca. 50 Vermessungsingenieure die Zusatzausbildung „Flying Surveyor“ absolviert.