Disy, Pöyry und SoundPLAN haben im Auftrag des Eisenbahn-Bundesamtes die EU-Umgebungslärmkartierung für die Haupteisenbahnstrecken des Bundes abgeschlossen.

Die Akustische Schiene, ein sehr komplexes 4D-Geometrieobjekt, das alle schallrelevanten Parameter abschnittsweise abbildet – hier ist beispielhaft der Parameter „Brücke“ visualisiert. Foto: Pöyry Deutschland GmbH
Laut der EU-Umgebungslärmrichtlinie ist das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) dazu verpflichtet, alle fünf Jahre Lärmkarten für die Schienenwege von Eisenbahnen des Bundes auszuarbeiten. Diese Karten dienen als Grundlage für die Lärmaktionsplanung im Speziellen und die Reduzierung der Lärmausbreitung im Allgemeinen.
Vor diesem Hintergrund hatte das EBA 2015 ein Konsortium der Firmen Disy, Pöyry und Sound- PLAN damit beauftragt, die EU-Umgebungslärmkartierung vorzunehmen. Dazu wurden alle Ballungsräume mit mehr als 100.000 Einwohnern bzw. Haupteisenbahnstrecken mit einem Verkehrsaufkommen von über 30.000 Zügen pro Jahr erfasst. Die Berechnung umfasst etwa 16.500 Streckenkilometer Haupteisenbahnstrecken und 70 Ballungsräume. Mitte Juli wurde die dritte Kartierungsrunde abgeschlossen und die Ergebnisse des Großprojekts der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt.
Heterogene Eingangsdaten
Die Koordination des Projekts übernahm die Disy Informationssysteme GmbH, die zuvor bereits an Projekten des EBA beteiligt war. „Die besondere Herausforderung bei dieser Lärmberechnung lag in der schier unvorstellbar großen und heterogenen Menge an Ausgangsdaten, die zu verarbeiten und für die Lärmberechnung vorzubereiten war“, sagt Disy-Projektleiter Markus Beck über das Großprojekt, für das er seit November 2015 im Auftrag des EBA verantwortlich war.
„Das sind zum einen Daten zur Eisenbahninfrastruktur, wie Gleisanlagen, Bahnhöfe, Schallschutzwände und Fahrplandaten der Deutschen Bahn, zum anderen aber auch Gebäude-, Gelände- und Landschaftsmodelle, Nutzungsinformationen und Einwohnerdaten aus Beständen verschiedener Bundesbehörden wie dem Bundesamt für Kartographie und Geodäsie, dem Statistischen Bundesamt, dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe sowie aus den einzelnen Ländern“.
Diese Daten stammten aus verschiedenen Quellen und lagen in unterschiedlichen Formaten, Qualitäten und räumlichen Darstellungen vor. Damit die Lärmkarten berechnet werden konnten, mussten die Daten miteinander in Beziehung gebracht und gegeneinander verifiziert werden. Dies habe eine komplexe Geodatenaufbereitung erfordert, die nur noch über datenbankgestützte, hochskalierte und automatisierte Datenflussprozesse mit integrierter Qualitätssicherung und in Kombination mit hoher Rechenleistung umsetzbar gewesen sei, so der Projektleiter.
Datenprüfung und -aufbereitung

Das Ergebnis der Lärmkartierung: Ausschnitt von Bonn aus der neuen Lärmkarte der dritten Runde mit der flächenhaften Isophonendarstellung mit Legende. Foto: Disy Informationssysteme GmbH
Pöyry Deutschland GmbH übernahm als Consulting- und Engineering-Unternehmen mit Erfahrung im Bereich Verkehrsinfrastrukturplanung die Prüfung der Eingangsdaten. Aufbauend auf den ausgewerteten Fahrplandaten und den konsolidierten Hauptfahrgleisen erzeugte Pöyry algorithmisch die sogenannte „Akustische Schiene”, ein 4D-Geometrieobjekt, das alle schallrelevanten Parameter vereint. Auf Basis dieser und weiterer Bahndaten, des digitalen Geländemodells und der Gebäude- und Einwohnerdaten führte Pöyry die Qualitätssicherung der schalltechnischen Ausbreitungsrechnungen durch. Parallel dazu konzipierte und entwickelte Disy den Prozess der Datenaufbereitung. Dabei wurden die vielfältigen Ausgangsdaten in eine homogene Form überführt, die für die strategische Lärmkartierung weiterverarbeitet werden konnte. Das Ergebnis ist das Schalltechnische Modell (StM), welches die Grundlage für die Lärmausbreitungsberechnung bildet.
„Auch bei der Erstellung des StM gab es einige konzeptionelle Herausforderungen zu meistern“, sagt Markus Beck. „Ziel war es hier zum Beispiel, alle Gleise, die von Außenstehenden als zusammengehörig wahrgenommen werden, zu einem gemeinsamen Verkehrsweg zusammenzufassen – und das über automatisierte Rechenprozesse. Dafür haben wir mit der Disy Spatial Workbench ein nachhaltiges Konzept zur datenbankgestützten Geodatenaufbereitung geschaffen, das sich auch auf andere Aufgabenstellungen übertragen lässt.“
Berechnung der Lärmausbreitung
Der dritte Projektpartner, das Ingenieurbüro SoundPLAN GmbH, war für die Aufbereitung des Geländemodells und die eigentliche Lärmausbreitungsberechnung verantwortlich. Aus Höhenpunkten in einem 10×10-Meter-Raster für ganz Deutschland entstand durch intelligente Filterung der Punkte ein digitales Geländemodell (DGM), das die für die Lärmberechnung richtige Balance zwischen Genauigkeit und Datenmenge aufwies. Anschließend wurden die Trassen automatisiert bereinigt, um gewährleisten zu können, dass die Emission der Schienen nicht vom Gelände überdeckt wird.
Für SoundPLAN stellte dies eine algorithmische Herausforderung dar. Die Lärmausbreitungsberechnung erfolgte auf Grundlage des Schalltechnischen Modells (StM). Dazu stellte Disy die Datenbank mit dem StM zur Verfügung, auf dessen Basis von SoundPLAN automatisiert Projekte erzeugt und im Batchbetrieb verteilt auf mehreren Rechnerclustern kontinuierlich berechnet wurden. Nach der Qualitätssicherung durch Pöyry wurden die Ergebnisse von SoundPLAN in die Datenbank zurückgeschrieben und Isophonen sowie die notwendigen Statistiken gemeindeweise automatisiert erzeugt.
Nach Abschluss aller Berechnungen liefen die Ergebnisse in Form von bundesweiten Rasterlärmkarten, Gebäudelärmkarten und diversen Tabellen bei der Gesamtprojektleitung von Disy zusammen, wurden für die verschiedenen Zwecke der Veröffentlichung final aufbereitet und termingerecht an das EBA übergeben. Das EBA meldete die Daten an das Umweltbundesamt sowie die EU-Kommission und informierte die Öffentlichkeit in Form eines interaktiven Online- Kartendienstes.
Grundlage für Lärmaktionspläne

Flächenhafte Isophonendarstellung in 3D. Die Lärmausbreitung wird durch Abschirmung und Reflexionen der Gebäude und Schallschutzwände sowie durch die Topographie beeinflusst. Foto: SoundPLAN GmbH
Bei der nächsten Lärmkartierung, die bis zum Jahr 2022 abgeschlossen sein muss, kommt die neue Berechnungsvorschrift CNOSSOS-EU zur Anwendung. Diese gilt in Deutschland ab 31.12.2018 und dient der einheitlichen Erfassung und Bewertung des Lärms mit europaweit harmonisierten Lärmberechnungsmethoden. „Auch wenn diese Berechnungsvorschrift das Quellmodell vereinfacht, wird die Berechnung des Umgebungslärms durch zusätzliche Parameter komplexer.
Mit der gebündelten Erfahrung und Kompetenz der Lärmexperten und der deutschlandweit führenden Kompetenz zur datenbankgestützten Geodatenaufbereitung wäre das Konsortium auf jeden Fall gut aufgestellt, um das EBA wieder technologisch zu unterstützen,“ gibt Markus Beck einen Ausblick auf mögliche zukünftige Herausforderungen.