Markus Heinrich ist Rechtsanwalt mit dem Schwerpunkt Energierecht bei der Kanzlei Wolter Hoppenberg in Hamm. Für Business Geomatics hat er einige Fragen zur Haftung bei Leitungsschäden beantwortet.
Statistisch werden jährlich in Deutschland rund 200.000 Leitungsschäden mit einer Schadenssumme von 200 Millionen Euro ausgewiesen. Die daraus entstehenden Haftungsfragen sind kompliziert. Welche Bedingungen muss ein Netzbetreiber bei der Auskunft erfüllen, um das juristische Risiko zu minimieren? Welchen Einfluss hat die Beauskunftung über Dritte bei der Haftungsfrage? Rechtsanwalt Markus Heinrich klärt für Business Geomatics über die wichtigsten Punkte auf.
Business Geomatics: Was ist heute bei Schadensfällen üblich? Zahlen die Bauunternehmen in der Regel die Schäden oder fallen die Kosten auf die Netzbetreiber zurück?
Markus Heinrich: Nach unserer Erfahrung weisen Tiefbauer regelmäßig Schadensersatzforderungen aus Leitungsschäden zurück. Der Netzbetreiber muss daher häufig den Klageweg beschreiten. Hier stehen die Chancen für den Netzbetreiber gut, da die obergerichtlichen Präzedenzfälle, anhand derer sich die Gerichte orientieren, netzbetreiberfreundlich sind und den Bauunternehmern umfangreiche Sorgfaltspflichten bei der Durchführung von Baumaßnahmen im Bereich von Leitungen auferlegen.
Wann ist für den Netzbetreiber bei Bauschäden eine Mitschuld anrechenbar?
Eine Mitschuld des Netzbetreibers wird bei deutlichen Abweichungen der Leitungslage von den in der Planauskunft skizzierten Leitungsverläufen angenommen. Daneben kann eine Mitschuld des Netzbetreibers auch bei geringen Abweichungen vorliegen, wenn er im Rahmen seiner Planauskunft nicht darauf hinweist, dass mit solchen zu rechnen ist. So hat das Oberlandesgericht Naumburg im Jahr 2013 entschieden, dass den Netzbetreiber in solchen Fällen ein Mitverschulden von 30 Prozent trifft, er also 30 Prozent des Schadens selbst tragen muss.
Welche Abweichungen bei der Lage der Leitungen werden vom Gesetzgeber toleriert?
Gesetzliche Vorgaben existieren insoweit nicht. Die obergerichtliche Rechtsprechung hat jedoch in verschiedenen Entscheidungen Grenzen gesetzt, auf welche sich die Gerichte regelmäßig beziehen. Diese sind indes nicht einheitlich. Zu differenzieren ist insoweit zwischen Abweichungen in der vertikalen und in der horizontalen Lage von Leitungen. Bezüglich der horizontalen Angaben werden teils Abweichungen von bis zu drei Metern akzeptiert, so entschied das OLG Nürnberg. Hinsichtlich der vertikalen Lage von Leitungen gibt es überhaupt keine Verpflichtung, diese in den Plänen vorzusehen. Es existieren jedoch DIN-Normen, welche Vorgaben über Verlegetiefen setzen. Diese sehen jedoch recht großzügige Spielräume vor und die Rechtsprechung sieht es als allgemeinen Erfahrungssatz, dass diese Vorgaben regelmäßig nicht eingehalten werden, so dass bei ungewöhnlichen Verlegetiefen in den seltensten Fällen ein Mitverschulden angenommen wird. Ich selbst hatte kürzlich einen Fall, in welchem ein Telekommunikationskabel beschädigt wurde, welches in der Asphaltdecke einer Fahrbahn lag. Auch hier verneinte das Gericht ein Mitverschulden des Netzbetreibers.
Gibt es gesetzliche Vorgaben für die Aktualität und die Vollständigkeit der Pläne?
Hinsichtlich der Vollständigkeit der Pläne gilt, dass jedenfalls das vollständige Fehlen von Versorgungseinrichtungen im Planwerk ein Mitverschulden des Netzbetreibers auslöst oder die Haftung des Tiefbauers sogar vollständig ausgeschlossen ist. Selbiges gilt, wenn nach einer Leitungsumverlegung die neue Lage in den Plänen nicht verzeichnet wird.
Nach welcher Frist verfällt eine Auskunft und eine neue muss gestellt werden?
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Auch insoweit gibt es keine gesetzlichen Vorgaben. Es bietet sich jedoch aus Sicht des Netzbetreibers an, ein „Verfallsdatum“ für eingeholte Planauskünfte zu setzen, um zu gewährleisten, dass der Tiefbauer bei erforderlichen Aktualisierungen des Planwerks stets dazu gezwungen wird, sich über die jeweils aktuellen Leitungslagen zu informieren.
Sind Netzbetreiber bei der Auskunft gefordert, neueste Technologien einzusetzen und deren Gebrauch zu unterstützen, beispielsweise die Auskunft auf Tablets?
Eine Verpflichtung hierzu existiert noch nicht. Die Planauskunft kann auch in Papierform erteilt werden. Jedoch ist der Netzbetreiber laut Landgericht Frankfurt, welches die Erteilung von Planauskünften als Teil der allgemeinen Schadensminderungspflicht des Netzbetreibers sieht, dazu verpflichtet, mindestens eine Form der Planauskunft kostenlos anzubieten. Bietet der Netzbetreiber eine elektronische Auskunft an, kann er sich die Gratisausfertigung großformatiger Papierplanwerke sparen.
Inwiefern darf oder muss ein Bauunternehmer die Abstellung einer Fachkraft des Netzbetreibers bei den Arbeiten vor Ort einfordern?
Diesbezüglich besteht weder eine Verpflichtung, noch ein Anspruch des Tiefbauers. Regelmäßig ist dies jedoch aus Sicht aller Beteiligten sinnvoll, um einen reibungslosen Bauablauf ohne anschließende Auseinandersetzungen, über welche sich dann primär die Anwälte freuen, zu gewährleisten.
Werden Haftungsfragen bei Beauskunftung über Dritte juristisch gesehen komplizierter?
Auch wenn ein Netzbetreiber sich eines Dienstleisters für die Erteilung von Planauskünften bedient, bleibt er gegenüber dem Bauunternehmern für die vollständige und – im Rahmen der eben genannten Vorgaben der Rechtsprechung – fehlerfreie Erteilung von Auskünften verantwortlich. Kann der Netzbetreiber den Bauunternehmer aufgrund einer fehlerhaften Auskunft des Dienstleisters nicht zum Ersatz eines Schadens verpflichten, ist ihm gegenüber in der Regel stattdessen der Dienstleister schadensersatzpflichtig. Haftungsfragen gestalten sich somit weder aus Sicht des Netzbetreibers, noch des Bauunternehmers komplizierter oder in sonst irgendeiner Form nachteilig.