Wetterextreme stellen Wirtschaft, Gesellschaft und Verwaltung gleichermaßen vor große Herausforderungen und werden durch den Klimawandel künftig sogar noch vermehrt auftreten. Während die Gefahren und Risiken von Starkregen und Hochwasser in Deutschland spätestens seit Sommer 2021 im Zuge der heftigen Unwetter in weiten Teilen Nordrhein-Westfalens und Rheinland-Pfalz auch der Öffentlichkeit bekannt sind, gilt das für Niedrigwasser und Trockenheit nur bedingt. Dabei behindert Niedrigwasser die Schifffahrt und gefährdet damit Lieferketten und es kann zu Störungen industrieller Prozesse mit großem Kühl- und Brauchwasserbedarf und zur Verschlechterung der ökologischen Gewässereigenschaften und Wasserqualität kommen – zum Beispiel durch erhöhte Sauerstoffkonzentrationen und thermische Belastungen. Auch Bodenwasserspeicher und Grundwasserneubildung werden durch lang anhaltende Trockenheit negativ beeinflusst, was zu Schwierigkeiten für Trinkwasserversorgung und Landwirtschaft führt.
Das vom BMDV geförderte Forschungsprojekt „Nachhaltige und praxistaugliche Implementierung eines Entscheidungshilfesystems für Niedrigwasser und Trockenheit (NieTro2)“ setzt genau hier an und arbeitet an modellgestützten Entscheidungshilfen für Landesämter und Landkreise, für Versorgungsunternehmen und Wasserverbraucher sowie für interessierte Bürger. Mithilfe moderner hydrologischer Modelle, aktueller Daten und Wettervorhersagen sowie benutzerfreundlicher Werkzeuge zur Datenanalyse, Datenvisualisierung und Planungsunterstützung sollen ein zuverlässiges Lagebild und verlässliche Prognosen zur Entwicklung von Indikatoren wie Wasserverfügbarkeit, Bodenfeuchte usw. zielgruppenspezifisch angeboten werden. Mobile Apps sollen das System abrunden, um bei der Datenerfassung vor Ort und bei der Sensibilisierung für die Thematik zu unterstützen.
Im Kern der geplanten Softwarelösung steht ein ständig laufendes, landesweites Wasserhaushaltsmodell, welches das Büro für Angewandte Hydrologie (BAH Berlin GmbH) bspw. für das Land Brandenburg seit vielen Jahren betreibt. Das Modell basiert auf dem Modellierungssystem ArcEGMO-PSCN, einem öko-hydrologischen Modellierungssystem zur räumlich und zeitlich hochaufgelösten, physikalisch fundierten Simulation aller maßgeblichen Prozesse des Gebietswasserhaushaltes und des Abflussregimes. ArcEGMO-PSCN deckt ein sehr breites Anwendungsspektrum mit vielseitigen Einsatzmöglichkeiten für verschiedene wasserwirtschaftliche, aber auch landesplanerische Fragestellungen ab. In NieTro2 wird das landesweite Modell für den Niedrigwasserbereich weiter optimiert, wesentlich in der Betrachtungsgüte und hinsichtlich der Beschreibungsindikatoren erweitert und durch die neuesten Vorhersagedienste des Deutschen Wetterdienstes (DWD) verbessert. Dies soll zu detaillierten Daten zur aktuellen Situation sowie kurz- und mittelfristigen Prognosen zur hydrologischen Lage führen.
Zur prototypischen Realisierung einer effizienten, skalierbaren und benutzerfreundlichen Gesamtlösung arbeitet die Disy Informationssysteme GmbH, Karlsruhe, im Projektkonsortium mit. Disy ist führender Anbieter von Softwaresystemen für Datenanalyse, Business und Location Intelligence für öffentliche Organisationen im deutschsprachigen Raum. Disy schafft mit seinen Softwarelösungen die Grundlage datenbasierter Entscheidungen, gerade in komplexen Fachgebieten mit Orts- und Raumbezug, wie Umwelt, Wasser, Land- & Forstwirtschaft, Infrastruktur und Verkehr. Im Zentrum der meisten Disy-Lösungen steht die Datenanalyse-Plattform disy Cadenza. In NieTro2 soll disy Cadenza Datenmanagement und Schnittstellen anbieten, es soll die hydrologische Modelltechnik von BAH ansteuern und dafür benutzerfreundliche, verständliche Informationszugänge mit interaktiven Visualisierungen und Datenanalyse-Dashboards für verschiedene Zielgruppen realisieren. Außerdem sollen szenariobasierte Planungsmethoden erforscht werden, um eine echte Entscheidungshilfe für die zukünftige Maßnahmengestaltung zu ermöglichen. (jr)