Mit Twin4Road kommt ein Projekt zum Abschluss, mit dem der Mehrwert von Mobile Mapping Daten des Straßenraums auf ein neues Level gehoben werden soll. Eine KI lernt dabei, wie Daten aus allen möglichen Sensorsystemen effizient ausgewertet werden.
Digitale Zwillinge gelten als die Zukunft der Geoinformationswirtschaft. Nicht nur die hochgenaue 3D-Vermessung, sondern auch die hohe Aktualität der Daten, ihr zentraler Zugriff über das Internet und neue Formen der Zusammenarbeit in verteilten Projektteams beflügeln die Vision der Digitalen Zwillinge. Bis zur flächendeckenden Umsetzung des Konzepts ist es allerdings noch weit. Einen Meilenstein auf diesem Weg hat nun das Forschungsprojekt Twin4Road genommen. Hier geht es darum, alle möglichen Daten aus dem Straßenraum mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) auszuwerten und so den detaillierten, aber auch heterogenen und speicherintensiven Daten mehr Nutzwert zu verleihen. Ein Hebel, um die Potenziale digitaler Zwillinge zu heben. Die Verwaltung und Instandhaltung der Straßeninfrastruktur soll dadurch nachhaltiger, effizienter und kostengünstiger werden.
Forschungsprojekt Twin4Road

Messfahrzeug der Stadt Essen inklusive Georadar (hinten). Die Stadt Essen hat 2024 ein Mobile- Mapping-Fahrzeug in einer verbesserten Konfiguration beschafft. Quelle: Stadt Essen
Das Forschungsprojekt Twin4Road startete im Dezember 2021. Ziel ist es, mit Hilfe von KI die Zustandserfassung zu automatisieren und eine Infrastrukturdatenbank für den Straßenraum aufzubauen. Dazu sollen die Daten des Digitalen Zwillings schnell und einfach zugänglich gemacht, umfangreiche Trainingsdaten generiert und die KI-basierten Fachanwendungen als Internetdienst zur Verfügung gestellt werden. Wichtig bei Twin4Road ist die Unabhängigkeit von Erfassungssystemen. Die KI verarbeitet Daten beliebiger mobiler Erfassungssysteme.
Neben 3D-Punktwolken und Bilddaten können auch Bodenradardaten verwendet werden. Das Projekt konnte auf die umfassenden Vorarbeiten und Daten der Stadt Essen zurückgreifen, die seit 2017 ein eigenes Fahrzeug betreibt. Die Daten werden fusioniert und gemeinsam ausgewertet. Im Projekt Twin4Road wurden bereits Daten verschiedener Systemtypen, z.B. von Trimble, verwendet. Projektpartner sind die Point Cloud Technology GmbH aus Potsdam als Konsortialführer, die Stadt Essen, das Hasso-Plattner-Institut für Digital Engineering gGmbH und der Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen.
Für alle Kommunen gedacht
Ziel des Projektes ist die Erforschung und Erprobung der Grundlagen für eine allgemein verfügbare Standardlösung für Kommunen und andere Betreiber von Verkehrsinfrastrukturen. Diese wird von Point Cloud Technology angeboten. Kunden können dann ihre Daten über einen SaaS-Dienst visualisieren und auswerten. „Die Idee ist, eine Art KI-basierte Fachschale für den Digitalen Zwilling des Straßenraums anzubieten“, beschreibt Geschäftsführer Dr. Rico Richter. Nicht jede Kommune muss dann zusätzlich zur Befahrung entsprechende Viewer und Auswertesoftware anschaffen und Systeme im eigenen IT-Netz installieren. Aus Sicht der KI stehen damit immer mehr Daten zur Verfügung, was eine Steigerung der Analysequalität bedeutet – ein üblicher Mechanismus bei KI-Anwendungen, von dem in diesem Fall alle Akteure gemeinsam profitieren. „Dahinter steht die Idee, wie ein KI-basiertes Straßenmanagementsystem der Zukunft für alle rund 830.000 Kilometer Straßen in Deutschland aussehen könnte“, beschreibt Richter. Das KI-basierte Software-Ökosystem verfolgt dabei das Ziel, mit möglichst geringem Ressourceneinsatz den größtmöglichen Nutzen für möglichst viele Nutzerinnen und Nutzer zu schaffen. Die Wirtschaftlichkeit einer Cloud-basierten Lösung ist für Nutzer dabei ein wichtiges Kriterium.
Weitere Kommunen in NRW haben bereits Interesse bekundet. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die Kommunen die erhobenen Straßendaten ohne Lizenzbeschränkungen und in standardisierten Formaten bereitstellen können. Die Komponenten der Datenhaltung, Visualisierung und Auswertung sind unabhängig voneinander. Viele Städte beschaffen sich heute sogar eigene Systeme für das Mobile Mapping, um hier maximale Freiheit und Gestaltungsmöglichkeiten zu haben.
Funktionale Vorteile

Klassifizierte Daten. In dem Projekt ist wichtig, dass Daten jeglicher Erfassungssysteme von der KI verarbeitet werden können. Quelle: Point Cloud Technology GmbH
Solche zukunftsorientierten Konzepte sind vor dem Hintergrund der heutigen Praxis gerechtfertigt. Verschiedene Dienstleister und Sensortechnologien liefern Daten und Datenformate, wobei eine gemeinsame Verarbeitung oder Visualisierung schlecht möglich ist. „Folglich ist die Bedienung der Anwendungen viel zu kompliziert, die Visualisierung im Internet oft auch zu langsam und ein kooperatives Arbeiten erheblich erschwert – ganz davon abgesehen, dass so an eine erfolgreiche Implementierung von KI überhaupt nicht zu denken ist“, so Richter.
Darüber hinaus bietet dieser Ansatz zahlreiche funktionale Vorteile. Die Datenfusion ermöglicht es z.B. auch, Daten aus verschiedenen Erhebungen vergleichbarer zu machen und so z.B. Zeitreihenanalysen durchzuführen. Das Teilen und Exportieren von Daten ist jederzeit möglich, ebenso das Zusammenführen heterogener Daten. Große Datenmengen können problemlos verarbeitet werden. Funktionalitäten bezüglich Authentifizierung (Sicherheit), Rollen oder hierarchischem Zugriff sind einfach und flexibel implementierbar. Zudem werden Kommunen langfristig unabhängig von Methoden, Sensorsystemen und Herstellerlösungen bei der Datenerfassung.
KI erkennt schon heute bis zu 95 Prozent aller Objekte
Bei Twin4Road hat sich bereits gezeigt, dass KI in der Lage ist, bis zu 95 Prozent aller gesuchten Objekte zu identifizieren. Ampeln, Schilder, Fahrbahnmarkierungen, Bordsteine oder Schäden können sehr gut erkannt werden. „Was das menschliche Auge in den Rohdaten an Objekten erkennt, kann die KI mindestens auch“, sagt Richter und verweist auf andere Bereiche der KI-basierten Analyse, die bereits weit entwickelt sind. „Im Bereich Mobile Mapping stehen wir noch am Anfang, weil die Fusion der entsprechenden Datensätze noch nicht so weit fortgeschritten ist und umfassende Trainingsdaten fehlen“, beschreibt Richter.
Der Ansatz in Twin4Road profitiert enorm davon, dass verschiedene Sensordaten parallel verarbeitet werden. „Die KI holt das Beste aus den jeweiligen Datensätzen heraus und kann so zum Beispiel Informationen über Schlaglöcher oder Spurrillen viel besser erkennen und den Zustand der Straßen bewerten“, beschreibt Richter.

Panoramabild (oben) und die mit KI klassifizierte Punktwolke im gleichen Bildausschnitt. Die KI erkennt Objekte, die der Mensch auch erkennen würde, automatisch.
Quelle: Point Cloud Technology GmbH
www.pointcloudtechnology.com
www.essen.de
www.strassen.nrw.de
www.hpi.de