Mit der messtechnischen Erfassung durch SCHNIERING und die Auswertung durch HELLER kann das Radwegemanagement an die aktuellen Anforderungen angepasst werden.
Bundesfernstraßen werden seit Ende der 1990er messtechnisch erfasst. Die Bundesanstalt für Straßenwesen vergibt dafür entsprechende Zertifikate. Für die Zustandserfassung und -bewertung (ZEB) von Radwegen gibt es bisher noch keine offiziellen Regelwerke bzw. standardisierten Verfahren. Was sich aber aller Voraussicht nach bald ändern wird. Der Radverkehr zieht inzwischen höchstes gesamtgesellschaftliches und politisches Interesse auf sich. Die Gründung des Arbeitskreises 4.1.4 „ZEB Radwege“ der Forschungsgesellschaft für Straßen und Verkehrswesen (FGSV) oder aktuelle Forschungsprojekte können als Vorboten einer stärkeren Standardisierung gedeutet werden. Technologisch gesehen ist der Markt bereits gerüstet. So hat die Firma Schniering GmbH seit mehr als 10 Jahren Fahrzeuge im Einsatz, die in der Lage sind, detaillierte Höhenlängsprofile von Radwegen zu erfassen. Sie sind so genau, dass auch kleinere Erhöhungen etwa durch Wurzelwachstum ersichtlich werden, die einen erheblichen Einfluss auf den Nutz- und Substanzwert der Radwege haben. Die Auswertungen übernimmt die HELLER Ingenieurgesellschaft mbH aus Darmstadt, die ihre Methoden auch seit 2020 auf die Möglichkeiten der neuen Messtechnik abgestimmt hat.
Messtechnik setzt sich durch
Dabei hat die Schniering Ingenieurgesellschaft bereits lange Erfahrungen mit der Radwegeerfassung. Schon 2006 wurde das erste Messfahrzeug für die ZEB der Radwege aufgebaut, auf Basis der Kompetenzen aus dem Bereich der Straßen-Zustandserfassungen. Damals wurde ein Quad mit Kameratechnik, Ebenheitssensoren und Positionserfassung ausgestattet, der allerdings, vor allem was die Kompensation der Fahrzeugbewegungen und -schwingungen durch die Sensorik, noch nicht die Leistung erbrachte, die man von den „großen“ Fahrzeugen kannte. Vor allem aber gab es noch keinen Bedarf an Messtechnik für Radwege. „Zunächst wollte man bestenfalls visuelle Daten haben, alles andere schien unverhältnismäßig“, erinnert sich Volker Jakobi, Geschäftsführer der Schniering GmbH.
Laub, Dreck & Co.
Radwege können in der Regel einen stärkeren Verschmutzungsgrad vorweisen als Straßen, die durch den Verkehr eine Art Selbstreinigungseffekt erfahren. Die messtechnische Erfassung sollte auf trockenen und möglichst sauberen Radverkehrsanlagen erfolgen, um belastbare Erfassung zu erlangen. Aufgrund der guten Wiederholgenauigkeit lassen sich dann auch kleinste Trends bei der Zustandsentwicklung erkennen. (sg)
Doch im Laufe der Zeit entwickelte sich der Anspruch an detailliertere Daten. 2010 entwickelte HELLER gemeinsam mit der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr ein spezielles Verfahren für die messtechnische Zustandserfassung und -bewertung der straßenbegleitenden Radwege. Nicht nur Niedersachsen, sondern auch Bundesländern wie Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg und zahlreiche Landkreise setzten dies auch ein. Parallel hat auch SCHNIERING das Messfahrzeug beständig weiterentwickelt. Inzwischen hat die Essener Firma rund 50.000 Kilometer Radwege erfasst und durch HELLER bewertet. Die niedersächsischen Landesstraßen wurden 2020 bereits zum dritten Mal befahren.
2020 gab es einen weiteren Meilenstein in der Entwicklung. Induziert durch die Verbesserung der Messtechnik, mit der ein hochgenaues Höhenlängsprofil erstellt werden kann, wurde auch das Bewertungsverfahren durch beide Firmen entscheidend weiterentwickelt und um die messtechnische Bewertung der Ebenheit ergänzt. „Zur Erfassung der Ebenheit wird das aus der Bundes-ZEB bekannte HRM-Verfahren eingesetzt, wobei die Bewertung auf der Grundlage geometrischer Indikatoren erfolgt“, sagt Henning Balck von HELLER. Neben den Zustandsmerkmalen werden standardmäßig auch die Bauweise und die Breite der Wege erhoben.
Interessant dabei ist, dass die Auswertung aufgrund der Georeferenzierung einen eindeutigen Bezug zum Straßennetz hat. „So kann ein ganzheitlich orientiertes Erhaltungsmanagement durchgeführt werden“, sagt Jakobi. Das Auswerteraster lässt sich dabei flexibel an die erforderlichen Rahmenbedingungen anpassen. Im Ergebnis liefert es zwei Teilwerte, die die Gebrauchseigenschaften (Befahrbarkeit) und den erforderlichen Substanzerhalt beschreiben. Der jeweils schlechtere Wert definiert den Gesamtwert.
Der Zustand der einzelnen Zustandsabschnitte lässt sich merkmalsbezogen auf Karten und in Form von Streckenbändern darstellen. Sämtliche Ergebnisse werden den Anwendern auch über das von HELLER speziell für die Erhaltungsplanung entwickelte webbasierte Auskunftssystem OnKo3 zur Verfügung gestellt.
Eigenständiges Knoten-Kanten-Modell am nachhaltigsten
Grundlage für die Arbeiten ist die Erstellung eines digitalen Modells (Knoten-Kanten-Modell) des Radwegenetzes. Für dessen Erstellung gibt es bei straßenbegleitenden Wegen im Moment in der Praxis noch zwei unterschiedliche Paradigmen, einmal die Anbindung des Radwegemodells an das Straßennetz und einmal der Aufbau eines komplett eigenen Knoten-Kanten-Modells, wie es für freilaufende Wege ohnehin notwendig ist. „Hier gibt es erhebliche Unterschiede, da es auch bei den straßenbegleitenden Wegen hohe Abweichungen geben kann“, so Jakobi. Oft sei das Radwegenetz in Realität schnell erheblich kürzer oder auch länger als das Straßennetz. Solche Datenunstimmigkeiten haben großen Einfluss auf die Praxistauglichkeit der Modelle für die Planung. Die Erfahrung lehre, dass der Aufbau eines durchgängig selbständigen Modells das nachhaltigere Verfahren ist: „Datenverluste durch nicht durchführbare Zuordnung lassen sich so vermeiden und die Planung erheblich verbessern“, so Jakobi. (sg)