Ein neues Papier des BMVI sieht die Konsolidierung von Breitbandatlas und Infrastrukturatlas vor. Die politische Motivation dazu liegt auf der Hand, doch technologisch gesehen sind höchste Ansprüche zu berücksichtigen.
Im September 2019 veröffentlichte das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) eine Mobilfunkstrategie, die einen 5-Punkte-Plan zur Beschleunigung von modernen Mobilfunknetzen sowie zur Schließung von Mobilfunklücken umsetzt. Damit will das Ministerium den nationalen Schlüsselprojekten Breitbandausbau und 5G-Ausbau den dringend benötigten Vorschub leisten. Interessant aus IT-Perspektive ist bei der Mobilfunkstrategie vor allem der fünfte Punkt, der die „Bereitstellung von Informationen über ein elektronisches Portal“ beinhaltet. Als wesentliches Instrument zur verbesserten Informationsvermittlung sieht das BMVI vor, alle Netz- Informationen in ein einheitliches elektronisches Portal zu überführen und zu veröffentlichen. Konkret bedeutet dies: Die bisherigen Portale, der Breitbandatlas (BBA) und der Infrastrukturatlas (ISA), sollen konsolidiert werden.
Konsolidierung der Portale
Aus Perspektive der üblichen politischen Flughöhe ist dieses Vorhaben unbestritten sinnvoll. Doch rein technologisch gesehen ist dies ein höchst anspruchsvolles Vorhaben, zumal die Mobilfunkstrategie weitere ambitionierte Ziele für eine neue Zielarchitektur angibt: Das neue spezielle GIS-Tool mit allen öffentlichen Liegenschaften, Grundstücken, Infrastrukturen und Trägerstrukturen von Bund, Ländern und Kommunen so-wie Netzausbauplanung soll bis zum Frühjahr 2021 realisiert werden. Das BMVI gibt in seinem Paper zwar keine konkrete Strategie zur Konsolidierung an und führt demnach auch nicht auf, inwiefern die bisherigen Portale in ihrer Struktur bestehen bleiben sollen oder an welchen Stellen wirkliche Neuentwicklungen angesetzt werden sollen. Der Blick auf die bisherigen Entwicklungen, vor allem bei dem Infrastrukturatlas zeigen aber, wie hoch das Risiko zum Scheitern ist und dass sogar die Gefahr besteht, 10 Jahre intensive Projektarbeit auf das Abstellgleis der IT-Geschichte zu schieben.
Unterschiede von BBA und ISA
Wichtig an dieser Stelle ist es, die politische Dimension zu verstehen. Der Breitbandatlas (BBA) gehört seit seiner Gründung im Jahr 2005 bereits zum Verantwortungsbereich des BMVI und fokussiert auf die Breitbandverfügbarkeit, die Fördervorhaben sowie die möglichen Ausbauplanungen in Deutschland. Er zeigt auf Basis freiwilliger Angaben der rund 350 Breitbandanbieter, welche Bandbreiten sowohl Festnetz als auch Mobilfunk bis auf kleinräumigen Strukturen zur Verfügung steht. Die interaktiven Karten des BBA zeigen also vor allem Versorgungslücken auf.
Der Infrastrukturatlas (ISA) unterscheidet sich wiederum auf vielen Ebenen fundamental vom BBA. Das bei der Bundesnetz- agentur – und damit im Ressort des Wirtschaftsministeriums – angesiedelte ISA wurde 2009 ins Leben gerufen. Heute besteht er im Wesentlichen aus drei Teilen: ISA-Planung umfasst den ursprünglichen Informationsumfang und bietet eine Übersicht für gebietsbezogene Planungszwecke, die sämtliche Einrichtungen öffentlicher Versorgungsnetze, die zu Telekommunikationszwecken genutzt werden können, beinhaltet. Neben den Glasfaserkabeln sind dies sogenannte passive Netzinfrastrukturen als Leerrohre oder auch Abwassernetze. Somit sind also Netzbetreiber aller Sparten betroffen. Seit 2012 sind diese gesetzlich verpflichtet, Informationen bereitzustellen. Derzeit sind rund 30 Millionen Datensätze hinterlegt. Der Schutzbe- darf des gesamten Systems ist sehr hoch. Der ISA ist in einen internen (DMZ) sowie einen externen Bereich gegliedert und stellt so sicher, dass kein Zugriff auf den internen Bereich mit den Primärdaten möglich ist.
10 Jahre enge Teamarbeit
Dem Betrieb und der Weiterentwicklung des ISA liegt das Zusammenspiel dreier Akteure zugrunde. Zum einen ist die Fachabteilung der Bundesnetzagentur vor allem für die Interaktion mit den Datenzulieferern verantwortlich, was nach Angaben der BNetzA eine umfassende Betreuung für die Aufbereitung der gelieferten Daten umfasst. Als externer Partner fungiert das Softwarehaus GDV mbH, das für die Entwicklung der grundlegenden Softwarearchitektur verantwortlich ist. Die IT-Abteilung innerhalb der BNetzA sorgt vor allem dafür, dass die hohen Sicherheitsstandards eingehalten werden, die notwendige Rechen- und Speicherleistung bereitgestellt wird und demnach Performanz und Virtualisierung den heutigen Anforderungen genügen.
„Technisch geht es um die Verarbeitung von Massengeodaten mit datenbankbasierten WebGIS-Systemen und stellt eine höchst anspruchsvolle Aufgabe dar“, sagt Thomas Riehl, Geschäftsführer der GDV. Dafür benötige man nicht nur umfassendes Software-Know-how, sondern auch eine Teamarbeit zwischen den drei wesentlichen Kompetenzträgern, die auf vertrauensvoller Zusammenarbeit basiere.
Der Infrastrukturatlas ist kein Papiertiger, sondern ein ausgereiftes Planungsinstrument für den Breitbandausbau. Dies lässt sich auch an der Menge von Datenlieferanten ablesen. Aktuell sind es bereits 1.000 Datenlieferanten, die teilweise eng mit der BNetzA kooperieren, Tendenz stark steigend. Bis Ende des Jahres will die Behörde 1.500 Lieferanten aus den Branchen Telekommunikation, Gebietskörperschaften, Verkehr, Energie und Wasser zählen, die ihre (Geo-)Daten liefern.
Die technischen und organisatorischen Anforderungen entstehen in den unterschiedlichsten Bereichen. „Für uns als Softwarehaus bedeutet dies, dass wir immer wieder die Anforderungen evaluiert haben und geschaut haben, auf welchem Weg der Kunde optimal bedient werden kann“, so Riehl. Vor dem Hintergrund des Wachstums des ISA und des damit einherge-henden Bedarfs an schierer Rechenpower ist es für die BNetzA zum Beispiel außerordentlich wichtig, die IT-Kosten im Griff zu behalten. Vor dem Hintergrund dieser Kriterien führt die GDV umfassende Neuerungen am ISA durch. Vor allem auf Seiten der Datenbankarchitektur, die bisher weitgehend aus Oracle-Komponenten besteht, verhinderte das Lizensierungsmodel, dass eine möglichst kostengünstige Skalierung der IT-Hardware gewährleistet werden konnte. Daher konzipierte die GDV eine zukunftsfähige Lösungsarchitektur, die seit rund zwei Jahren bereits in Teilen in die Praxis umgesetzt ist.
Dazu hat das Unternehmen eine Strategie gewählt, eine neue Systemarchitektur zu entwickeln, die zum Großteil auf Open-Source-Software basiert und die die GDV im Rahmen zielorientierter Programmierleistungen für die Bedürfnisse der BNetzA anpasst. Bei der Migration auf eine avisierte Oracle-freie Serverarchitektur wurde zum Beispiel ein zusätzlicher Applicationserver (Apache Tomcat, GeoServer und einem Geoserver-Plugin) implementiert, der für die Bereitstellung der WMS-Dienste sorgt. „Er ermöglicht das geforderte performante und sichere Echtzeitrendering von Geodaten“, erklärt Ulf Binnemann, Projektleiter bei der GDV.
In weiteren Erweiterungsschritten hat die GDV das Serversystem nochmals hierarchisiert, ein Subsystem mit fünf Servern implementiert, bei dem Testsystem und Produktivsystem separiert sind. „Diese Vergleichbarkeit gewährleistet einerseits Testläufe, die zu validen Ergebnisse führen und andererseits auch einen reibungslosen Produktivstart neuer Funktionen und Prozesse maßgeblich unterstützt“, so Riehl. Sprich, auch an dieser Stelle profitiert der ISA von der langjährigen teamorientierten Zusammenarbeit. Bis in zwei Jahren sollen alle Komponenten des ISA auf dieser neuen Architektur laufen, die bisher vorwiegend bei ISA-Mitnutzung umgesetzt wurde.
Auf dieser Basis können nicht nur alle zwischenzeitlich neu entstandenen sowie zukünftigen Anforderungen hinsichtlich Performance, Administration, Funktionalität und Sicherheit erfüllt, sondern auch nennenswert Lizenzkosten eingespart werden. „Diese Mittel können dann sinnvollerweise für die System-Pflege, -Wartung und -Weiterentwicklung eingesetzt werden, was einen echten Mehrwert sowohl für den Betreiber als auch die Anwender des Infrastrukturatlasses bringt“, ist Riehl überzeugt.
Herausforderung und Risiko
Eine Konsolidierung von ISA und BBA ist vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Komplexität beider Systeme eine Hochzeit zweier ungleicher Paare. „Die Gefahr besteht darin, dass die Komplexität des Systems, der dazugehörigen Prozesse und der Kompetenzträger unterschätzt wird und bei einem Migrationsprozess verloren geht“, sagt Riehl. Dann könnte sich das BMVI mit der Konsolidierung der Portale ein Eigentor schießen. Ganz abgesehen davon, dass dies auch politisch gesehen Gegenwind erzeugen könnte. Für den Breitbandausbau in Deutschland würde das konkret bedeuten: Gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht. (sg)
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