Die Software ObViewSly von Geofly ermöglicht unter anderem das teilautomatische Ableiten von 3D-Objekten aus Luftbilddaten in einer einfachen Browseranwendung.
Baurecht und Stadtplanung, Umweltschutz, Katastererstellung – öffentliche Verwaltungen sehen sich heute mit einer Vielzahl an unterschiedlichen Aufgabenstellungen konfrontiert, für die präzise Geodaten unerlässlich sind. Die Daten dafür stammen oftmals aus der flugzeugbasierten Photogrammetrie. Durch den Einsatz von Kameras mit verschiedenen Sensorköpfen können dabei parallel Nadir (Senkrecht)- und Oblique (Schräg)-Bilder hergestellt werden. Seit einigen Jahren geht der allgemeine Trend in der Geobranche zur Nutzung dieses Kameratyps, da Oblique-Bilder Informationen zu senkrechten Flächen – beispielsweise Gebäuden – liefern können. Aus Sicht von GIS haben die Schrägluftbilder jedoch noch einige Kinderkrankheiten: Die Ansichten können nicht maßstabsgetreu dargestellt werden, Messungen sind nur schwer möglich und GIS kommen meist mit der perspektivischen Darstellung grundsätzlich nur schwer zurecht. Dementsprechend schwierig gestaltet sich auch die Auswertung der aufgenommenen Bilder – selbst dann, wenn mehrere verschiedene Aufnahmen gemacht wurden.
Diese Lücke will das Magdeburger Unternehmen Geofly GmbH schließen. Dazu hat der Befliegungsspezialist mit seiner Software ObViewSly eine Lösung auf den Markt gebracht, mit der man 3D-Modelle teilautomatisiert aus den verschiedenen photogrammetrischen Ausgangsdaten ableiten kann. Ursprünglich als Viewer für Schrägluftbilder entstanden, hat sich ObViewSly im Laufe der Jahre weiterentwickelt: Erstmals ermöglicht die Lösung eine gleichzeitige Ansicht von 3D-Daten, Oblique-Bildern und Karteninformationen in einem Browser. Inzwischen können Anwender mit dem Modul Object aus den georeferenzierten Daten in einem (teil-)automatisierten Prozess auch vektorbasierte Modelle von Gebäuden extrahieren und diese dann weiterführenden Formaten – beispielsweise zur Erstellung eines 3D-Stadtmodells im CityGML-Format – zur Verfügung stellen. Dafür verfolgt die Softwarelösung einen ebenenbasierten Ansatz.
Formen automatisch erkennen
Die Objekte können dabei in dem Online-Tool ohne zusätzliche Plug-Ins abgeleitet und direkt editiert werden. „Ziel ist es, auch aus unvollständigen oder fehlerhaften Datenprodukten jeweils das Beste rauszuholen und in ein homogenes 3D-Modell zu überführen“, sagt Aicke Damrau, Geschäftsführer von Geofly. So sollen etwa inhomogene Mesh-Auflösungen, Sichtbeschränkungen durch Vegetation oder schwierige 3D-Geometrien überwunden werden. Besonderheit dabei sind die einzelnen Funktionen zur Digitalisierung von Flächen und Kubaturen. „Wird ein Gebäude in ObViewSly angeklickt, erkennt das Modul automatisch Dach- sowie Wandformen und verbindet diese zu einem Objekt. Anschließend können die Kanten und Flächen einfach korrigiert werden“, so Damrau.
In ObViewSly lassen sich je nach Anwenderbedarf unterschiedliche photogrammetrische Produkte integrieren. Digitale Orthophotos sowie True Orthophotos beispielsweise besitzen die geometrischen Eigenschaften von Karten und können so für die Erstellung und Fortführung von Karten in ObViewSly genutzt werden. Auch können Infrarotaufnahmen integriert werden. Diese ermöglichen beispielsweise das Ermitteln der Vegetationsdichte, was dem Anwender etwa die Analyse von Baumschäden sowie die Dokumentation von Veränderungen des Baumbestandes gestattet. Damrau: „Damit haben Städte, Gemeinden und Kommunen die Möglichkeit, Veränderungen in einem Zeitstrahl zu visualisieren, zu vergleichen und daraus Erkenntnisse für die Umwelt und die Stadtplanung zu ziehen – und gegebenenfalls passende Maßnahmen einzuleiten.”
Funktionen von ObViewSly
Neben der einfachen Betrachtung von verschiedenen photogrammetrischen Ausgangsdaten kann die Geofly-Softwarelösung beispielsweise auch in der Wegeplanung eingesetzt werden. Hier gibt es etwa die Möglichkeit, Adressen zu suchen, auf der Karte auszuwählen und/oder weitere Zwischenstopps einzufügen. Zusätzlich können bestimmte Gebiete beim Routing ausgeschlossen werden. Das kann hilfreich sein, um stark befahrene Verkehrsknotenpunkte auszuschließen und sichere Notfallwege zu planen.
Darüber hinaus ermöglicht ObViewSly die Ansicht von Schrägbildern aus allen vier Himmelsrichtungen. Alle Werkzeuge und Funktionen der Softwarelösung stehen dem Anwender auch im Oblique-Modus zur Verfügung. Damit können beispielsweise geplante Routen in realitätsnahe Umgebungen eingebettet und Straßenverläufe oder Flächen vermessen werden.
Eine weitere Funktion ist der 3D-Modus. Hier gibt es die Möglichkeit, vorhandene Gebäude digital zu konstruieren, um beispielsweise den kommunalen Gebäudebestand als LoD2 (Level of Detail) zu erfassen oder den vorhandenen digitalen Gebäudebestand mit ObViewSly zu ergänzen. Die Daten können dann als City-GML oder KML exportiert werden. „Weitere Ausgabeformate werden derzeit bei uns entwickelt“, so Damrau. Optional können Oberflächenstrukturen wie beispielsweise Dachziegel oder Wandstrukturen mit exportiert werden. Für die Anwender ist nach Angaben des Unternehmens besonders die (teil-)automatisierte 3D-Gebäudeextraktion interessant. Denn: Die aus Befliegungen generierten Höheninformationen ermöglichen zusammen mit dem daraus berechneten 3D-Mesh eine nahezu realitätskonforme Darstellung städtischer Infrastrukturen. „Dabei werden rund 80 Prozent der 3D-Gebäudeobjekte durch die Softwarelösung selbst generiert. Für die Anwender entfällt damit der ansonsten hohe Aufwand. Zusätzlich kann im Editormodus eine manuelle Feinanpassung erfolgen”, erklärt Damrau. Über die Ebenenverwaltung gibt es darüber hinaus die Möglichkeit, externe Daten wie beispielsweise bereits generierte Gebäudemodelle einzuspielen und in ObViewSly darzustellen.
Praxiserfahrung
In der Praxis setzen bereits zahlreiche Städte, Gemeinden und Kommunen auf die Geofly-Lösung. Die Stadt Oldenburg beispielsweise nutzt ObViewSly für die Stadtplanung und den Naturschutz. In der Vergangenheit setzten die Niedersachsen auf zwei parallellaufende Lösungen. Zum einen auf einen Schrägluftviewer der Firma IGI als Desktopversion, der die 2013 erstmals beauftragten Oblique-Bilder visualisierte. Da die Lösung jedoch lediglich auf einem Arbeitsplatz installiert werden konnte, erhielt der Nutzer immer wieder Anfragen aus anderen Fachbereichen der Stadt. Zum anderen setzte Oldenburg den interaktiven Stadtplan „GooGis“ ein. Diese Lösung nutzte als Basis die Google Maps-API. Ab Sommer 2018 war diese Basistechnologie jedoch nicht mehr verfügbar.
„Als Hauptinformationsquelle nutzt Oldenburg Orthophotos”, erklärt Damrau. „Zudem werden Schrägluftbilder aufgrund der Möglichkeit, diese aus allen vier Himmelsrichtungen betrachten zu können, ergänzend genutzt, um sich einen Gesamteindruck zu verschaffen.” Insgesamt bedeutete die Geofly-Lösung für die Stadt Oldenburg nach eigenen Angaben eine Arbeitserleichterung durch die Verfügbarkeit der Software für alle betroffenen Abteilungen. (jr)