Die Bauausführung im BIM-Zeitalter soll nicht nur von einer verbesserten Planung profitieren. Auch die Bauüberwachung nutzt einen modellbasierten Ansatz. Die Kostenentwicklung wird dabei in Echtzeit abgebildet.
Eine der wichtigsten Aufgaben von Bauherren ist es, für die Überwachung der Bauausführung zu sorgen. Hier wird geprüft, ob übereinstimmend mit Genehmigungen, Verträgen, Ausführungsunterlagen, einschlägigen Vorschriften sowie den allgemein anerkannten Regeln der Technik gearbeitet wird. Dazu gehören das Aufstellen, Fortschreiben und Überwachen eines Terminplans sowie die Dokumentation des Bauablaufs und der Bauqualitäten. In diesem Aufgabenspektrum herrscht in Deutschland vielfach noch Handarbeit vor. Die Führung eines Bautagebuches ist zwar Pflicht, wird aber weitgehend noch handschriftlich vorgenommen. Die Baudokumentation allgemein erfolgt auf Gruppenlaufwerken, Excel, Word u.a. mit Hilfe von Software. „Dieses bedingt einen extrem aufwendigen Tool- und Methodenmix“, sagt Michael Maronde, Referent Grundsätze und Strategie bei der DB Engineering & Consulting. Die Nutzung der Daten zu späteren Zeitpunkten sei für aufbauende Prozesse aufwendig und oft nur bedingt möglich. Damit nicht unbedingt Zustände vorherrschen und die geplanten Aufgaben in unkoordinierter Art und Weise verlaufen, ist die Bauüberwachung heute ein maßgeblicher Bestandteil für den Erfolg der jeweiligen Infrastrukturmaßnahme, insbesondere für die Kostentransparenz.
Der BIM-Leitfaden des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur hat es deutlich herausgearbeitet: Gerade bei Großprojekten müssen Kosten noch besser und vor allem transparenter dargestellt werden. Übliche Kalkulationszuschläge von 20 Prozent oder mehr müssen vermieden werden. BIM ist eine Arbeitsmethode von Bauvorhaben, die den gesamten Lebenszyklus von Infrastruktur umfasst. Grundlage ist ein digitales dreidimensionales Modell des Bauwerks, innerhalb dessen alle Prozesse vernetzt sind. Bevor also die Risiken für Termin- und Kostenverlauf reduziert werden können, besteht die Herausforderung darin, die bisher getrennten Modelle geometrisch exakt zusammenzuführen.
Die bisherigen Standard-Objektkataloge beim konstruktiven Ingenieurbau oder bei der Verkehrsanlagenplanung sind dafür unzureichend, da sie keine geometrisch korrekte Zusammenführung erlauben. Experten gehen davon aus, dass diese technische Barriere in naher Zukunft überwunden wird. Besteht ein ganzheitliches geometrisches 3D-Modell, soll eine höhere Planungsqualität an den Tag gelegt werden, die sich dann in einer optimierten Bauausführung niederschlägt. Vor allem sollen Differenzen bei den Planungen einzelner Bauabschnitte oder -elemente erkannt werden. Bauteilgruppen werden innerhalb der BIM-Modellierung neu definiert, regelbasiert geprüft, automatisch vervollständigt oder zielgerichtet in verschiedenen Arbeitsgruppen weiter verwertet. Zu diesen Modellprüfungen gehört in erster Linie die Kollissionsprüfung (Clash-Detection). Bei der Zusammenführung der einzelnen Modelle prüft eine BIM-Software automatisch, ob die Geometrie zueinander passt. Was heute bereits im Hochbau üblich ist, soll zukünftig auch im Tiefbau gelten. Dort schlägt eine Software beispielsweise „Alarm“, wenn Abwasserabführung und Versorgungsleitungen kreuzen. Durch eine solche koordinierte Planung der einzelnen Fachbereiche werden Kollisionen bereits frühzeitig erkannt und können schneller korrigiert werden.
Das digitale 3D-Modell ist der Ausgangspunkt für die Einbindung von Terminplan (4D) und zugehörigen Kostenverläufen (5D). Dieser 5D-Ansatz verknüpft sämtliche Planungsschritte miteinander. So werden die einzelnen Ausführungspläne direkt aus dem BIM-Modell abgeleitet.
Bauüberwachung morgen
Dies gilt auch für die Bauüberwachung, bei der die in der Planungsphase angelegten 5D-Modelle als Grundlage für Steuerungs-, Abrechnungsund Überwachungsprozesse genutzt werden. Sie sind gemeinsame Plattform für Projektleiter, Bauvorlagenberechtigte, Bauüberwacher und Bauleiter sowie auch für das Eisenbahnbundesamt. Sie ermöglichen kollaborative Prozesse und Kommunikation stets mit Modellbezug, auch wenn etwa die Bauüberwachung für den Auftraggeber üblicherweise durch Drittunternehmen durchgeführt wird, so beispielsweise die Engineering&Consulting GmbH.
Diese kontinuierliche Kontrolle und Steuerung des aktuellen Baufortschritts gegenüber den Planungsdaten aus den 4D-Modellen soll beispielsweise eine stichtagsgenaue Earned- Value Betrachtung ermöglichen, welche die Schlüsselwerte Planwert, Istkosten und Fertigstellungswert berücksichtigt. „Die BIM-basierte Bauüberwachung ist weniger eine Kontrolle, als vielmehr eine proaktive, vorausschauende und nachhaltigere Steuerung des Projekts“, sagt Stephan Wrede von der DB Systel. Die Analyse möglicher Kollisionen auf Knopfdruck mache manuell erstellte Zeit-Wege-Diagramme überflüssig. „Sie werden schon bald Geschichte sein wie Schiefertafel oder Zeichentisch“, ist der Ingenieur überzeugt.
Dashboards als Echtzeit-Cockpit
Die Zukunft der Deutschen Bahn gehört dagegen komplexen Dashboards, die als zentrale Steuerungsinstrumente fungieren, bei der alle Daten aus der Bauüberwachung modellbasiert zusammenfließen. Ein Cockpit also, das alle Prozesse des Bauens in Echtzeit digital überwacht. Der digitale Zwilling wird somit dynamisch an den Bauprozess angekoppelt. „Schon heute gibt es Instrumente, die Daten aus bekannten Systemen wie MS-Projekt oder Excel mit 3D Modellen verknüpfen“, so Wrede. Dies wird beispielsweise bereits mit dem 3D-Entwurfstool WorldInsight, das in den gesamten BIM-Prozess integriert ist, bei der Deutschen Bahn realisiert. Anstatt in Tabellen werden die beim Bau anfallenden Daten den Objekten der Entwurfsplanung zugeordnet. Solche Dashboards halten demnach die relevanten Informationen sozusagen doppelt graphisch vor, sowohl als Kurven- oder Balkendiagramme als auch als farblich abgestimmte 3D-Modelle. Auch die Bauabrechnung folgt dann einem modellbasierten Ansatz. Die Kosten der fertiggestellten Objekte nutzen das 5D-Modell und die damit verbundene Dokumentation als Grundlage. Für Bauleiter ist dies ein Hilfsmittel, um den geplanten und beschlossenen Bauablauf und dessen klassifizierte Abweichungen (positiv wie negativ) visuell und intuitiv darzustellen. Die Bauüberwachung mündet final in der Übergabe und wird dann nahtlos in die Betriebsphase übergeben.
„Die Zusammenstellung der Unterlagen nebst Aufmaß und Abrechnung wird sich besser in die abschließende, auf Jahre ausgelegte Nutzungsphase integrieren können. Eine der wenigen Voraussetzungen dafür: eine Übergabe der Daten und Informationen in maschinenlesbarer Form, am besten in offenen Formaten“, so Wrede.
Neue Methoden der Dokumentation
Die Dokumentation des Baugeschehens erfolgt zwangsläufig ebenso objektorientiert anhand der Modellierungen im 5D-Modell. Hier sind in den letzten Jahren viele neue Technologien entstanden, die unter dem Stichwort Digitalisierung der Baustelle zusammengefasst werden können. Mobile Apps und Browseranwendungen, die direkt auf der Baustelle die einfache Erfassung von IST-Daten ermöglichen, sind ein Beispiel für die Fütterung der 5D-Modelle direkt aus dem Feld. Vor allem sollen photogrammetrische Verfahren zur 3D-Datenerfassung intensiver genutzt werden. Moderne Anwendungen können insbesondere Geländestrukturen sehr genau in 3D erfassen. Eine Kamera-bestückte Drohne erfasst „normale“ 2D-Photos, die von entsprechenden Softwarelösungen in eine 3D-Punktwolke umgerechnet werden. Über Erkennung von bestimmten Mustern werden die einzelnen Bilder so zusammengefasst und ausgewertet.
Es entsteht innerhalb von wenigen Stunden quasi ein BIM-Modell des Geländes, auf dem dann auch die Abrechnungsleistungen für Erdarbeiten projektspezifisch abgerechnet werden können. Die 3D-Modelle können auch für AR- oder VR-Anwendungen verfügbar gemacht werden, schließlich liefert die Sicht der Baustelle aus der Luft meist mehr Informationen als eine Ortsbegehung. „Sie liefern quasi einen gewerkeübergreifenden Gesamtblick“, so Wrede.
Fazit
Gerade bei großen Infrastrukturbauten im Verkehrswegebau ist es wichtig, den Überblick über den Projektverlauf zu erhalten, sowohl in zeitlicher, als auch in räumlicher und finanzieller Dimension. Gemäß dem Ansatz der Deutschen Bahn AG „erst digital, dann real bauen“ soll die BIM-Methodik hier entscheidende Vorteile bringen.
In vielen aktuellen Projekten wird die objektund modellorientierte Bauüberwachung bereits durchgeführt. Damit ist das Unternehmen ein Vorreiter in Deutschland, gerade, was den Tiefbau angeht. Denn im Gegensatz zum Hochbau sind BIM-basierte Planungs- und Baumethoden einschließlich der Bauabrechnung im Verkehrswegebau noch nicht etabliert.
Auch große Baukonzerne in Deutschland haben bestenfalls Erprobungsprojekte aufgesetzt und lernen, BIM auch in Sachen Organisation, Kommunikation und Projektkultur in die Praxis umzusetzen. „Diese Aspekte machen den Großteil einer BIM-Einführung aus“, so Wrede. Das gilt besonders für die Bauausführung, denn dort laufen quasi alle Prozesse aus sämtlichen Phasen des Lebenszyklusses zusammen.