Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) rückt Stress in den Fokus von Stadtplanung- und Entwicklung. Das Projekt Urban Emotions widmet sich Stress-Auslösern im städtischen Raum.
Gefühle messbar machen, um sie bei der Stadtund Raumplanung zu berücksichtigen. Das ist das Ziel des Projekts Urban Emotions am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Der Hintergrund: Räumliche und soziale Strukturen einer Stadt lösen individuelle, aber auch kollektiv unterschiedliche Empfindungen aus. Da ist der Radfahrer, dem kalter Angstschweiß den Rücken herunterläuft, wenn ein Lastkraftwagen nur wenige Zentimeter an ihm vorbeifährt. Oder der Fußgänger, dem in einer Unterführung mulmig zumute wird.
Mensch im Mittelpunkt
Angstpunkte sollen mit dem Projekt aufgedeckt und Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Aber auch als Grundlage für bürgerzentrierte raumplanerische Prozesse sind die Ergebnisse des Projektes gedacht. „Barrierefreiheit zum Beispiel erfordert für Menschen mit Sehbehinderung etwas anderes als für Rollstuhlfahrer. Objektiv messbare Belange haben in einer Diskussion mehr Gewicht und erleichtern beim Abwägen die Entscheidung“, erläutert Dr. Peter Zeile, Forschungsleiter des Projektes am Institut Entwerfen von Stadt und Landschaft, Fachgebiet Stadtquartiersplanung des KIT. Zusammen mit der Universität Salzburg und Partnern der Universität Heidelberg, vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) Kaiserslautern, dem Harvard-MIT GIS Center sowie der University of São Paulo der São Carlos School of Engineering soll der Mensch in den Mittelpunkt der planerischen Betrachtung gerückt werden. Doch wie wird das emotionale Empfinden gemessen?
„Bei Stress steigt die Hautleitfähigkeit und die Körpertemperatur sinkt“, erklärt Dr. Zeile. „Diese Körperreaktionen lassen sich nicht beeinflussen, deshalb ermöglicht ihre Messung den Versuch Gefühle objektiv zu erfassen.“ Dieser Datensammlung haben sich neben Stadtplanern ebenso Psychologen, Soziologen und Geoinformatiker im Projekt Urban Emotions verschrieben. Das international vernetzte und von der Deutschen Fördergemeinschaft (DFG) wie auch dem österreichischen Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung unterstützte Vorhaben soll vor allem neue Einblicke geben, wie Menschen die Stadt emotional erleben.
Verknüpfung von Emotionen und Umgebung
Dafür werden mit Smartband-Sensormessungen echtzeitnah die körperlichen Stressreaktionen von Probandinnen und Probanden erfasst. Die Testpersonen sind dabei auf festgelegten Strecken in unterschiedlichen städtischen Situationen unterwegs. Zugleich nimmt eine am Fahrrad oder Körper befestigte 360-Grad-Videokamera die jeweilige Umgebung auf. Über GPS wird währenddessen die Position des Probanden ermittelt. Durch die Verknüpfung der körpereigenen Daten mit den Bildern und Standortdaten der befahrenen oder begangenen Umgebung soll es dann möglich sein, zu bestimmen, wann und wo die Versuchsteilnehmer Stress erlebt haben. „Es zeigt sich zum Beispiel, dass das Linksabbiegen von einer Spur mit geradeaus fahrenden Kraftfahrzeugen für Radfahrer starken Stress bedeutet, aber auch unebene Fahrbahnen werden als verunsichernd empfunden“, beschreibt Stadtplaner Zeile.