Revolution beim mobilen GIS: Bei Wartungs- und Instandhaltungsmaßnahmen am Kanal- oder Gasnetz kommen verstärkt mobile GIS-Lösungen in Form von Apps für Smartphones zum Einsatz. Der Markt ist reif für die Digitalisierung des Außendienstes.

Netzdaten auf dem Smartphone: Durch moderne Apps, die sowohl online als auch offline arbeiten, können mobile Mitarbeiter in digitale Workflows enger eingebunden werden. Quelle: pixabay (Pexels_art; Arcaion)
Mobile Geoinformationssysteme (GIS) gibt es schon seit mehr als zehn Jahren. Nun werden zunehmend GIS-Apps angeboten – insbesondere für das Kanalmanagement. Verkaufen die Anwender damit lediglich alten Wein in neuen Schläuchen? Und unterscheidet sich eine App grundlegend von einem mobilen GIS? Die Antworten erschließen sich, wenn man den Markt nicht in seiner gegenwärtigen Situation analysiert, sondern auch in die Zukunft schaut.
Mobile GIS oder App
Bisher gab es einen grundlegenden Unterschied zwischen einem mobile GIS und einer mobile App. Eine mobile App bezeichnet eine Anwendungssoftware für Mobilgeräte, die in erster Linie für den Einsatz in mobilen Betriebssystemen gedacht ist. Sie ist funktionell überschaubar und soll nur einen definierten Anwendungsbereich abdecken. Damit ist sie maßgeschneidert für den jeweiligen Nutzer. Ein mobiles GIS läuft, folgt man der allgemeingültigen Definition, eher auf einem leistungsfähigen mobilen Rechner und verfolgt den klassischen GIS-Ansatz eines funktional reichhaltigen Expertensystems. De facto haben sich diese beiden Idealtypen in den letzten Jahren jedoch in der Praxis angenähert: Mobile GIS sind schlanker geworden und setzen verstärkt auf hohe Nutzerfreundlichkeit, so dass sie auch als Apps kategorisiert werden könnten. Gleichermaßen gibt es Apps, die so anspruchsvoll und umfassend sind, dass sie der gängigen Vorstellung eines spielerischen Gadgets ebenso wenig entsprechen.
Der Vorteil von mobilen Apps ist, dass sie hohe Performance auch bei komplexem Rendering von Grafiken liefern, sie über die gängigen Marketplaces bezogen werden und hohe Flexibilität für die Gestaltung der Nutzeroberflächen leisten können. Als Nachteil gilt, dass insbesondere die sogenannten Native Apps meist auf eine spezielle Software-Plattform zugeschnitten sind und dementsprechend auch nur in Verbindung mit dieser Plattform genutzt werden können. Plattformunabhängige Hybrid- und Cross-Plattform-Anwendungen sind vor allem im technischen Bereich noch nicht weit verbreitet und daher meist vergleichsweise teuer.
Waren mobile GIS bisher vorwiegend dazu gedacht, einen mobilen Trupp mit einer zentralen Informationsplattform auszurüsten, geht es bei den GIS-fähigen mobile Apps darum, dass möglichst viele Mitarbeiter diese geräteunabhängig (zum Beispiel auf Smartphones oder Tablets) verwenden können. Soll beispielsweise ein Hausanschluss eingemessen werden, kann theoretisch jeder Mitarbeiter dazu befähigt werden, GIS-Daten zu nutzen und zu bearbeiten. Stellt ein Außendienstmitarbeiter bei einer Kontrolle fest, dass Leitungsteile zwar noch keinen Schaden genommen haben, aber in naher Zukunft ausgebessert werden müssen, so kann er die betroffene Stelle via App präzise verorten und in der mobilen Karte markieren. Darüber hinaus kann er im mobilen GIS ein Foto zum Punkt speichern und einen Hinweis zum Reparaturbedarf hinterlegen.
Der Trend zur mobile App geht in erster Linie darauf zurück, dass mobile Geräte schneller, leistungsfähiger und günstiger werden und zunehmend auch marktübliche Standard-Geräte den Ansprüchen entsprechen. Zudem weicht im Zuge der Digitalisierung die Arbeit mit Zetteln und Papier der Arbeit mit digitalen Daten. Hier stehen den Anwendern vom handlichen Smartphone bis hin zum robusten Hochleistungs-Tablet- PC viele unterschiedliche Gerätetypen zur Verfügung.. Ein Vorteil von Tablet- und Smartphone-basierten Anwendungen ist die standardmäßige Standortfunktion. Auch die mobilen GIS-Lösungen werden um Funktionen erweitert, die bisher nur in den Desktop-Versionen oder auf speziellen Endgeräten verfügbar waren. Dies ist beispielsweise bei Navigations-Apps der Fall. Einige Anbieter haben die Navigationsfunktion in die Anwendung integriert und können dabei beispielsweise DFX- oder Shapefiles als Hintergrundkarte verwenden. Manche Lösungen fungieren außerdem als Dispositionstool, mit dem Mitarbeiter in Bereitschaft bei einem Störungsfall per Smartphone-App alarmiert werden und direkt Rückmeldung zur Verfügbarkeit geben können.
Heutige Funktionsstandards

Apps sind im Gegensatz zu Mobile-GIS-Anwendungen so konzipiert, dass sie maßgeschneiderte Funktionen für den einzelnen Mitarbeiter bieten. Foto: Mettenmeier
Erster Punkt im Pflichtenheft mobiler Lösungen ist meist die Auskunft. Viele mobile Anwendungen erlauben allerdings nicht nur den Zugriff auf Netz- und Kanaldaten, sondern auch die Bearbeitung, Veränderung und Fortführung – nicht nur für Kanaldaten, sondern auch für Arbeits- und Verwaltungsprozesse. Während der Wartung kann der Mitarbeiter etwa Fotos oder Videoaufnahmen des Einsatzortes beziehungsweise des betroffenen Objektes machen und diese im System hinterlegen oder sie den entsprechenden Kartenobjekten zufügen – schließlich sind leistungsfähige Kameras bei der Hardware mittlerweile Standard. Viele Lösungen bieten zudem Raum für Notizen und Bemerkungen, die Bearbeitung und Markierung der hinterlegten Kartenobjekte sowie die Möglichkeit, grafische Elemente mit Sachdaten zu beschreiben.
Während Desktoplösungen üblicherweise keine nennenswerten Beschränkungen beim Arbeitsspeicher haben, braucht es für die mobile Anwendung schlanke und bedarfsorientierte Software, um eine konstante Leistungsfähigkeit zu gewährleisten. Der Trend geht in Richtung modulare Lösungen nach Baukastenprinzip.
Ein Knackpunkt bei mobilen Apps ist die Offline-Fähigkeit. Je nach Einsatzort ist kein flächendeckendes Mobilfunknetz verfügbar, so dass der Anwender mit Unterbrechungen rechnen muss. Die Offline-Fähigkeit ist jedoch eine Herausforderung für die Entwickler der Systeme. Obwohl der Offline-Zugriff bei den meisten Software-Herstellern mittlerweile Standard ist, verstecken sich an dieser Stelle große Leistungsunterschiede. Die Alternative eines durchgängigen Zugriffs auf eine zentrale Datenbank ist die Bildung eines Sekundärdatenbestandes, der dann im Feld bearbeitet wird. Zurück in der Zentrale kann der Mitarbeiter die Daten über USB-Kabel, Netzwerkzugang, WLAN oder SD-Karte zurückspielen oder über den Server synchronisieren. Einige Anbieter haben außerdem spezielle Mechanismen entwickelt, die den Ein- und Ausspielvorgang regeln. Neben der Synchronisation sind die Nutzer- und Zugriffsrechte auf den mobilen Endgeräten von Bedeutung. Während einige Anbieter nur den Lesezugriff auf mobilen Endgeräten erlauben, gibt es bei vielen Apps die Möglichkeit, sowohl den Grad der Verschlüsselung als auch die Rechte zum Überschreiben, den Zugriff auf Originaldaten, oder die Rückverfolgbarkeit geschriebener Daten individuell anzupassen. So lassen sich beispielsweise wichtige Stammdaten optimal vor Manipulation schützen.
Smartphone wird Vermessungsgerät
Der Trend zur App wird befeuert von der hohen Entwicklungsdynamik bei den mobilen Endgeräten. Moderne Mainstream-Entwicklungsplattformen zielen fast ausnahmslos auf Smartphones und Co. Kein Wunder also, dass auch GIS-Entwickler auf diesen Zug aufspringen und die Vorteile möglichst schnell an die Kunden weiterreichen möchten.
Der interessanteste Aspekt liegt jedoch darin, dass das Smartphone schon heute zum Vermessungsgerät werden kann. Die weltweit tätigen Geodäsie-Unternehmen bieten seit Neuestem Software-basierte-Lösungen, mit denen man per Smartphone selbst zentimetergenaue Positionsdaten gewinnen kann. Vielleicht wird man dies einmal als historische Zäsur begreifen.
Im Strombereich werden solche Anwendungen bereits diskutiert, weil so wertvolle Informationen für die Umrüstung der Stromzähler durch Smart Meter gewonnen werden können. Auch die baulichen Gegebenheiten für den Rollout könnte bald ein Außendienstmitarbeiter ermitteln, der – lediglich mit Standard-Smartphone ausgestattet – die nötigen Bilder aufnimmt. Um ein vermessungsgenaues 3D-Modell zu bekommen, benötigt man nicht einmal eine umfangreiche Ausbildung. Ähnliche Anwendungen sind beim Kanalnetz denkbar, etwa bei der Dokumentation von Baustellen. Dies ist zweifelsohne Zukunftsmusik, die Technologie steht aber bereits in den Startlöchern. In Zukunft könnte es also passieren, dass man nicht mehr fragt, ob man mobile Apps einführen soll, sondern welche.