In einem Pilotprojekt in Sachsen etabliert die Schüßler-Plan Ingenieurgesellschaft 3D-basierte BIM-Methoden im Straßenbau.
In einem Pilotprojekt des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) unter Federführung der Deutschen Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (DEGES) soll ein rund 14 Kilometer langer Streckenabschnitt der Bundesstraße 87 zwischen Eilenburg und Mockrehna in der Vorplanungsphase mittels BIM untersucht werden. Damit beauftragt wurde die Schüßler-Plan Ingenieurgesellschaft mbH.
Die Anforderungen an die benötigten Modelle sowie die Definition des Planungsziels, Festlegungen zur Planungsgenauigkeit, den Liefergegenständen und Prozessabläufen wurden von der DEGES in den Auftraggeber-Informationsanforderungen (AIA) beschrieben. Diese beinhalteten für das Projekt unter anderem die BIM-Projektziele, die BIM-Anwendungsfälle, die technischen Anforderungen zur Software, Datenaustausch und Datenübergabeformaten sowie Aussagen zu 3D (Ist-Zustand und Planung), 4D (Bauablauf und Termine), 5D (Kosten) und 6D (Lebenszyklusbetrachtung). Basierend auf diesen Anforderungen wurde in Zusammenarbeit mit dem Planer und dem Auftraggeber das „Drehbuch“ – der BIM-Abwicklungsplan (BAP) – für den Planungsprozess geschrieben.

Die Schüßler-Plan Ingenieurgesellschaft konnte aus dem 3D-Planungsmodell eine Visualisierung ableiten, die Merkmale des fertigen Bauwerks aufweist – hier beispielsweise eine Bahnstrecke, Erschließungsstraßen oder ein CityGML-Modell von Eilenburg. Foto: Schüßler-Plan Ingenieurgesellschaft mbH
Für die erfolgreiche Umsetzung des Projekts musste sich der Ingenieur-Dienstleister auf neue Methoden einlassen: So erforderte die Planung mittels BIM etwa eine neue Herangehensweise bei der Trassenuntersuchung. Während bei der traditionellen Planung Korridore mit einem geringen Raumwiderstand auf zweidimensionalen Karten im Grundriss gesucht und anschließend im Aufriss betrachtet werden, erfolgt im Rahmen der BIM-Methode von Beginn an alles dreidimensional. „Planungsgrundlage ist nicht mehr der Lageplan, ergänzt um einen Höhenplan, sondern das 3D-Modell. Aus den im Vorfeld erhobenen Vermessungsdaten wurde dann ein digitales Geländemodell generiert, in welches alle weiteren Informationen – etwa die Flächennutzung, Leitungsinformationen oder Umweltinformationen – zu integrieren sind”, sagt Dirk Stiehler, Mitarbeiter von Schüßler-Plan und Gutachter für die Bundesverkehrswegeplanung 2030. Das daraus entstehende Bestandsmodell bildet somit die 3D-Grundlage für die Linienfindung.
Unterschiedliche Softwarelösungen
Bei der Erstellung des Planungsmodells bis zur 6D-Tiefe war die Anwendung unterschiedlicher Softwaretypen erforderlich: In Abhängigkeit von der Planungsphase waren das CAD-, AVA- sowie Projektmanagementlösungen. Im vorliegenden Projekt wurde als Trassierungs-CAD-Software VIS-All 3D von Softwareservice John zur Trassenfindung sowie card_1 von IB&T zur Feintrassierung eingesetzt. Die Modellierung, also die Erstellung des gewerkeübergreifenden Gesamtmodells mit BIM-Analyse und -Koordination, erfolgte mit der BIM-Analysesoftware desiteMD von ceapoint, welche sich auch mit der AVA-Software iTWO von RIB oder Managementlösungen wie MS-Projekt verknüpfen lässt.
Per CPIXML-Schnittstelle wurden die einzelnen Trassen als 3D-Objekt inklusive Attributierung an desiteMD übergeben. Damit bei eventuellen Änderungen nicht immer ein Gesamtexport aller Trassen an das Planungsmodell übergeben werden musste, entschied sich Schüßler-Plan hier für die Methode der Einzeltrassen-Abschnitte. Dafür wurde der Ingenieurgesellschaft von IB&T eine Stapelausgabe zur Verfügung gestellt. So konnte Schüßler-Plan in der vorgegebenen Zeit 21 Varianten analysieren und letztlich vier davon für die Voruntersuchung auswählen. Würde man alle Varianten abbilden wollen, würde man mehr als drei Millionen 3D-Objekte benötigen – durch die angewandte Arbeitsweise im Baukastensystem konnte die Anzahl der 3D-Körper nach Angaben der Ingenieurgesellschaft jedoch auf etwa 300.000 reduziert werden.

Die Planungsvariante der B87, die hier über die bereits vorhandene Bahnstrecke verläuft. Foto: Schüßler-Plan Ingenieurgesellschaft mbH
Im Laufe des Projekts traf Schüßler-Plan bei der Erstellung des Bestandsmodells auf einige Herausforderungen, so etwa die Aufbereitung der vorhandenen Leitungen. Da diese bis dato nicht vermessen worden waren und zumeist in 2D-Zeichnungen in den Formaten .dwg und .dxf vorlagen, war nach Angaben von Schüßler-Plan erheblicher Arbeitsaufwand nötig, um daraus BIM-fähige Daten zu erhalten. Dabei wurde der Ingenieur-Dienstleister von card_1 unterstützt. Über den in der Softwarelösung integrierten Leitungskorridor sowie CardScript, die Programmiersprache von card_1, konnten die Experten der Ingenieurgesellschaft schließlich dialogbasierend allen 2D-Leitungslinien DGM, Überdeckungshöhen, Nennweiten und Dimensionen des Sicherheitsabstands (3D-Glaskörper) für die 3D-Modellierung zuweisen. Darüber hinaus wurden automatisch alle relevanten Informationen den 3D-Leitungen als Attribute mitgegeben.
Apropos Automatisierung: „Dank der engen Zusammenarbeit mit IB&T hat sich unser anfänglich halbautomatisches System zum vollautomatischen I weiterentwickelt”, sagt Dirk Stiehler. „Das bedeutet, dass die in einer Datenbank vorgehaltenen Schlüsselattribute schon direkt bei der Querprofilentwicklung vergeben werden können.”
Positives Fazit trotz Schwierigkeiten
Auch die Kollisionsprüfung im 3D-Modell erwies sich als Herausforderung. Weil die 3D-Modelle aller Fachdisziplinen im Rahmen der Überprüfung in einem multidisziplinären, konsolidierten Koordinationsmodell zusammengeführt werden, wiesen die 3D-Modelle eine beachtliche Datengröße auf. Damit einhergehend stiegen auch die Anforderungen an die Hardware. Zudem zeigte sich bei der Kollisionsprüfung, dass es sinnvoll war, mehr 3D-Objekte zu modellieren als es zunächst notwendig schien. Der Grund: Die Informationen lagen teilweise mit geringeren Genauigkeiten vor als für das Projekt benötigt. Ein Beispiel dafür war die Darstellung von Leitungsbeständen, da die aufbereiteten Daten nach Angaben von Schüßler-Plan zumeist nur in einer relativ ungenauen geografischen Lage abgebildet werden konnten. „Würde die Kollisionsprüfung nun mit dem nachmodellierten 3D-Körper der Leitung gegen die Planung erfolgen, wären Fehlinterpretationen wahrscheinlich. Weiterhin könnte der Betrachter des 3D-Modells zu dem Schluss kommen, dass die Lage der Leitungen wirklichkeitsgetreu darstellt wird”, erklärt Dirk Stiehler. Um dieses Problem zu umgehen, modellierten die Experten einen zusätzlichen „Glaskörper“ als Unsicherheitsbereich um die Leitungen. So konnten Risikobereiche definiert werden, die in einer späteren Planungsphase näher untersucht wurden. Auch stellten fehlende Standarddefinitionen eine Herausforderung dar. So verzichtete Schüßler-Plan beispielsweise auf die Ausmodellierung von Zwickelflächen, Böschungskegeln und Einmündungen. Zudem wurde auf die Darstellung von Schutz- und Leiteinrichtungen verzichtet.
Trotz dessen zieht Schüßler-Plan ein positives Fazit aus dem Pilotprojekt. Wie die Ingenieurgesellschaft erklärt, könne die BIM-Methode mit Programmergänzungen von einem größeren Nutzerkreis angewandt werden. Darüber hinaus ermöglicht das Verfahren den Planern einen größeren Freiraum für verschiedenste Untersuchungen im Planungsprozess. Im Ergebnis führt BIM laut den Experten von Schüßler-Plan zu einer klaren Steigerung der Qualität von Planung und Unterlagen. Dirk Stiehler resümiert: „Letztlich kann dies für den gesamten Planungsprozess nur positiv sein”.