Beim BIM-Pilotprojekt Homburger Damm setzt die Deutsche Bahn die BIM-Methodik ein. Auf Basis eines 3D-Modells werden Bauabläufe und Kosten verknüpft, um ihren Verlauf zu simulieren.
Professor Joachim Diaz von der Technischen Hochschule Mittelhessen und prämierter BIM-Experte hat es kürzlich in einem Vortrag auf den Punkt gebracht: 3D-Planungen sind in der Automobilindustrie bereits seit den 1980er Jahren üblich. Die Bauindustrie arbeitet heute noch überwiegend zweidimensional. Folglich haben, so Diaz, auch die Gewinnmargen in der Bauindustrie seit Jahren stagniert oder seien sogar rückläufig. Gleichzeitig werden die Bauvorhaben immer komplexer und anspruchsvoller. Alle Beteiligten am Produktlebenszyklus eines Bauwerks vernetzen sich zunehmend, die Anzahl der Schnittstellen erhöht sich, ebenso die Anzahl der zu berücksichtigenden Regelwerke. „Die Realisierung von großen Bauprojekten ist immer auch ein Unikat“, so Professor Diaz. Aus diesem Grund ereigne sich derzeit ein Paradigmenwechsel. Es entstehen nicht nur 3D-Modelle und -Planungen. Ebenso wird der zeitliche Ablauf (4D) und die Kostenentwicklung (5D) eines Bauvorhabens dargestellt. „Damit einher geht der Übergang von einer bisher etablierten, planzentrierten Arbeitsweise hin zu einer Modell- und Datenbank-orientierten, kollaborativen Form“, so Diaz weiter.
Im Zuge von BIM wird also die geometrische 3D-Planung mit einer Termin- und Kostenplanung verknüpft. Dadurch sollen Abweichungen frühzeitig erkannt und Lösungen entwickelt werden. Schon bevor überhaupt gebaut wird, können alle Bauphasen bis hin zum Betrieb virtuell dargestellt werden. „Das erleichtert die Projektplanung und -realisierung nicht nur intern, sondern auch in der Darstellung nach außen“, so Diaz. Das 3D-Modell wird also zu einer Art Koordinationsmodell, in dem gleichermaßen Bauabläufe, Baustelleneinrichtung und Baustellenlogistik abgebildet werden.
Ziel ist es auch, die Kostentransparenz zu erhöhen. Die Höhe der bauüblichen Nachträge liegt nach aktuellen Studien in der Regel bei 30 Prozent über der geplanten Bausumme. BIM soll diese bereits in der ersten Phase um 25 Prozent reduzieren. Nach Abschluss einer ersten „Lernphase“ erwarten Studien, dass die Nachträge auf fünf Prozent der Bausumme minimiert werden können. Kritiker argumentieren zwar, dass sich in gleichem Zuge die Planungskosten erhöhen. Wieviel konkret, kann derweil noch nicht abgeschätzt werden.

3D-Entwurfssimulation des Homburger Damms. Daten aus der Entwurfsphase werden auch beim Bau genutzt. Foto: Deutsche Bahn AG
Derzeitiges BIM-Projekt Homburger Damm
Warum ein geometrisches 3D-Modell die Basis für diesen 5D-Ansatz ist, zeigt das BIM-Pilotprojekt Homburger Damm, das die Deutsche Bahn derzeit im Knoten Frankfurt am Main umsetzt. Zwischen dem Hauptbahnhof und dem Abzweig Mainzer Landstraße entsteht dort auf einer Länge von 600 Metern ein neues Trogbauwerk mit anschließendem Kreuzungsbauwerk. Ziel des zweigleisigen Ausbaus ist es, die Kapazitäten für den Regionalverkehr Richtung Frankfurt/Höchst zu steigern. Die Bauarbeiten im Vorfeld des Hauptbahnhofs begannen im Juni 2017. Die Bauzeit läuft bis Ende 2021. Das Projektvolumen beträgt ca. 130 Millionen Euro. Der zweigleisige Ausbau des Homburger Damms zählt zu den ersten Projekten der DB Netz AG, bei denen die Anwendung der BIM-Methodik in der Bauphase getestet wird. Um Konflikte auf der Baustelle zu vermeiden, werden Bauabläufe anhand des 3D-Modells simuliert.
Das Ausbauprojekt ist komplex. Es handelt sich hierbei nicht nur um das konstruktive Dammbauwerk mitten im Gleisvorfeld des Hauptbahnhofs, sondern auch um umfangreiche Neuund Umbauten im Bereich des Oberbaus von Gleisen und Weichen, der Oberleitung, der Leit- und Sicherungstechnik inklusive Softwarewechsel, sowie der Gleisfeldbeleuchtung und Weichenheizanlagen. Auch der Neubau eines Modulgebäudes, von Abstellanlagen und eines Umschlagplatzes zählt zu den Arbeiten. Um diese Prozesse in 4D- und 5D- zu simulieren, bedarf es eines durchgängigen und detaillierten dreidimensionalen Modells. „Dies wird dann mit Termininformationen verknüpft, um so den Bauablauf digital simulieren und bei Bedarf anpassen zu können. Die sonst üblichen Zeit- / Wege-Diagramme bieten nicht den gewünschten Effekt, Störungen oder Probleme im Bauablauf zu visualisieren“, so Stephan Wrede, Portfoliomanager bei der DB Systel GmbH. Die BIM-Methodik zwingt den Planer daher dazu, sich umfassenderer mit dem Bestand auseinanderzusetzen. Voraussetzung für den Einsatz der Methode BIM ist eine digitale 3DBestandsaufnahme und Integration der BIM-Modelle in die bestehenden Geodateninfrastrukturen. „Auch klassische Geobasisdaten in 2D sind nicht mehr ausreichend für die 3D Planung in BIM“, so Wrede. Um ein solches 3D-Modell zu erhalten, greift die Deutsche Bahn im Wesentlichen auf drei Datenebenen zurück: Ein digitales Geländemodell (DGM), das digitale Oberflächenmodell sowie technische CAD-Dokumentationen.
Drei Ausgangspunkte für das 3D-Modell
Das DGM beschreibt die Geländeoberfläche und besteht in der Regel aus Bodenpunkten, also einem regelmäßigen Punktraster. Jeder Punkt bei dem Rasterdatensatz stellt eine genaue Koordinate mit Lage- und Höheninformationen dar. Gebäude oder Vegetation werden nicht abgebildet, sondern lediglich das Gelände, sprich die Erdoberfläche. DGM stehen meist von Seiten der Öffentlichen Hand als Rasterdaten zur Verfügung, etwa im ASCII-XYZ-Format. Meist werden sie von den entsprechenden Landesvermessungsämtern bereitgestellt und basieren auf Befliegungen mit 3D-Laserscannern.

Übersicht über das Projekt Homburger Damm am Hauptbahnhof Frankfurt a. M.. Die Strecke wird während des Betriebs zweigleisig ausgebaut. Foto: Deutsche Bahn AG
Dem gegenüber steht das Digitale Oberflächenmodell (DOM). Dieses beschreibt die Oberfläche der Erde, der Vegetation sowie der Bebauung durch die dreidimensionalen Koordinaten einer repräsentativen Menge von Boden- und Nichtbodenpunkten.
Solche DOM können aus denselben Basisdaten gewonnen wie das DGM, allerdings werden Laserbefliegungen seltener durchgeführt. Aktuellere DOMs bekommt man durch photogrammetrische Auswertungen. Eine digitale Bildzuordnung (das in der Photogrammmetrie bekannte Verfahren des Digital Image Matching) kann entweder aus den Befliegungsdaten der Vermessungsbehörden (die in der Regel alle zwei Jahre gemacht werden) oder aus Befliegungsdaten kleinerer Gebiete erzeugt werden. Größere Kommunen beauftragen oft hochaufgelöste Luftbilder ihres Verwaltungsbezirks. Für die kleinräumige Datenerfassung werden zunehmend auch Drohnen eingesetzt, die Bilddaten erfassen. Die so erzeugbaren DOM sind ebenso wie die DGM Rasterdaten, die sehr speicherintensiv sind, wobei aus diesen Daten etwa per Dreiecksvermaschung weitere Datenprodukte erzeugt werden können, innerhalb derer technische Anlagen wie die Gleiskörper modelliert werden.
Um die die Anlagen auch ingenieurstechnisch abbilden zu können, werden die in CAD- Systemen erstellten Bauwerksdaten für Brücken, Gleise, Oberleitungen und Sicherungstechnik für die 3D-BIM-Modellierung genutzt. Diese Vektor-basierten Daten stammen meist aus den Planungsunterlagen der Bauwerke. Im Rahmen der BIM-orientierten Bestandsmodellierung werden diese einzelnen Datensätze zusammengefasst. „Dies ist heute ein in der Praxis meist noch schwieriges Vorhaben, bei dem noch mit vielen Abweichungen zu rechnen ist“, beschreibt Wrede. Diese müssen vor der Ausführungsplanung gemeinsam bereinigt werden. „Dass sich diese Vorarbeit aber lohnt, wird in zahlreichen Projekten immer wieder bewiesen“, so Wrede.
Die Strategie der DB sieht die Einführung von BIM bis spätestens Ende 2020 in drei Stufen vor. Bis dahin werden alle neuen standardisierbaren sowie komplexen Projekte mit BIM geplant. „Aus erfolgreichen Pilotprojekten in den letzten drei Jahren wurden bereits wichtige Erkenntnisse gewonnen“, so Wrede. Zum Beispiel sei hervorzuheben, dass die Anwendung der BIM-Methodik zu einem flüssigeren Projektablauf und damit zu Vorteilen bei allen Projektbeteiligten führt.
Software zur Umsetzung der Methodik ist weitestgehend auf dem Markt vorhanden. Was die genauen Anforderungen an die Werkzeuge und dessen Gebrauch sind, werde sich nach einer Lernphase herauskristallisieren. Ein abschließendes Fazit gibt es bereits: „Das Zusammenspielen der Gewerke ist zu ,üben’. Unlösbares wurde in den Piloten aber bisher nicht entdeckt“, so Stephan Wrede.