Es herrscht weitgehende Einigkeit darüber, dass die Digitalisierung von Geschäftsprozessen Mehrwerte generiert und Vorteile für alle Beteiligten mit sich bringt. Das gilt auch für die Rechercheprozesse und Auskunftsverfahren zu unterirdischen Leitungen. Doch wie genau machen sich diese Vorteile bemerkbar und wer profitiert an welchen Stellen im Arbeitsalltag von einem digitalen Auskunfts- und Rechercheprozess?
Diese Fragen lassen sich konkret bei BIL, dem Bundesweiten Informationssystem zur Leitungsrecherche, beantworten. Das Portal bietet seit 2016 eine vollständige Workflow-Kontrolle für Bauanfragende und Leitungsbetreiber. 16.000 Nutzer generierten im letzten Jahr rund 108.000 Bauanfragen. Das damit meistgenutzte spartenübergreifende, unabhängige Portal für die Leitungsauskunft in Deutschland bildet den Anfrage- und Auskunftsprozess komplett ab, ist also eine Art „Digital Cockpit“ für den gesamten Prozess von der Formulierung der Anfrage bis hin zur Archivierung. „Die Bedienung ist einfach und intuitiv, sie führt zu deutlichen Prozess-Verschlankungen, sowohl bei Bauanfragenden als auch bei Leitungsbetreibern“, sagt Jens Focke, Vorstand der BIL eG.
Verschiedene Sichten
Leitungsbetreiber können als Genossenschafts- Mitglied oder als Teilnehmer bei BIL mitmachen und im Portal sogenannte Zuständigkeitsflächen für ihr Leitungsnetz einstellen. Diese Zuständigkeitsfläche( n) überträgt der Leitungsbetreiber in marktüblichen graphischen Datenformaten in Eigenverantwortung an BIL.
Eines der maßgeblichen Ziele des BIL-Portals ist es, dass Leitungsbetreiber somit keine Anfragen zu Baumaßnahmen erhalten, die nicht im Versorgungsgebiet liegen und zu denen dann sogenannte Nullbescheide erstellt werden müssen. Durch das BIL-Portal erhält er nur jene Anfragen, bei denen die geplante Baumaßnahme die eingestellte Schutzfläche tangiert.
Diese Reduktion des Anfrageaufkommens hat sich bisher statistisch als richtig erwiesen. „Unsere Evaluationen zeigen, dass BIL-Teilnehmer im statistischen Mittel bis zu 85 Prozent weniger Anfragen erhalten, für die sie bisher jeweils einen Nullbescheid erstellen mussten“, weiß Jens Focke. Allein dieser Filter sorgt für eine signifikante Kostensenkung.
Aus Sicht der Nutzer werden Leitungsrecherche und -anfrage zu Beginn bereits im gleichen Schritt abgearbeitet: Eine Anfrage für eine Tiefbau- oder Planungsmaßnahme wird nur einmal online erstellt. Ergebniss ist eine Positiv- und eine Negativ- Liste. Erstere zeigt an, an welche Betriebe die Anfrage aufgrund von Zuständigkeit weitergeleitet wurde, letztere zeigt, welche Leitungsnetzbetreiber von der weiteren Recherche rechtssicher ausgeschlossen werden können. Im Fall der Zuständigkeit weisen die BIL-Statistiken aus, dass lediglich rund 25 Prozent der Anfragen auch wirklich betroffen sind, also Leitungen im Baugebiet vorhanden sind.
Der Online-Nutzer kann die einmal erstellte Anfrage auch nutzen, um diese an weitere Netzbetreiber weiterzuleiten. Die individuelle Erstellung von Anfragen an einzelne Netzbetreiber könnte somit vermieden werden, genauso wie unvollständige Anfrageunterlagen oder fehlende Geokodierungen“, erklärt Focke, wissend, dass dies die Bauwirtschaft begrüßen wird.
Integraler Bestandteil ist eine kartographische Komponente. Der Bauanfragende zeichnet die von seinem Bauvorhaben betroffene Fläche als Polygon auf einer Grundkarte (auch luftbildbasiert) ein. Gleichzeitig wird die Bautätigkeit anhand einer Liste klassifiziert. Je nach Bewertung des lokalen Risikos wird anhand der Klassifikation von BIL eine Abstandsfläche um die geplante Baufläche automatisch generiert. Dieser „Puffer“ basiert auf in der Bauwirtschaft festgelegten Regularien. Der Bau eines Kleingebäudes hat demnach eine kleinere Pufferzone als der einer Verkehrstrasse. Die Klassifikation heißt für den Netzbetreiber auch, dass er genaue Kenntnis über die Maßnahmen erlangt, für die er bisher oft individuell nachfragen musste. „Der Netzbetreiber bekommt alle notwendigen Informationen strukturiert, vollständig und geobasiert ‚serviert‘ und erhält so die Chance, seine hausinternen Prozesse zu automatisieren“, erklärt Focke. Langfristig sollen sich so Anfrageprozesse und damit die gesamte Planungs- und Genehmigungsphase von Projekten beschleunigen. BIL wirkt sich dann auch als volkswirtschaftliche Dimension aus.
Rechtssichere Speicherung
Da die Zuständigkeitsprüfung und Kommunikation durchgängig über das BIL-Portal erfolgt, können alle Informationen und Statusmeldungen zum Prozess gespeichert, archiviert und intuitiv visualisiert werden. Im IT-Jargon wird dies als Single Point of Truth (SPOT) bezeichnet: Ein Datenbestand, der verlässlich alle Informationen aktuell und vollständig anzeigt.
Vor diesem Hintergrund stand beim Design des BIL-Portals bereits fest, dass es eine rechtssichere Abbildung und Dokumentation des vollständigen Anfrage- und Auskunftsprozesses beinhalten soll. Da der Anfragende in aller Regel mehr als einen zuständigen Betreiber für sein Anliegen ermittelt, ist im Digital Cockpit jeder Prozessschritt auch mit Zeitstempel dokumentiert. Der aktuelle Beantwortungsstatus wird in Echtzeit dargestellt und Benachrichtigungen können per E-Mail erfolgen.
Alle Daten und Dokumente werden gemäß den gesetzlichen Vorgaben archiviert. Somit ist nicht nur die spätere Recherche jederzeit möglich, BIL stellt auf Basis der erfassten Daten weitere statistische Auswertungen in Form von Monats- und Jahresberichten bereit. „Dabei ist die Erhebung eigener Statistiken über alle technischen Parameter aus der Datenbank möglich und erlaubt die Auswertung aller erhaltenen Anfragen“, beschreibt Ingo Reiniger, technischer Leiter bei der BIL eG. (sg)