Für die Deutsche Bahn stellt die Digitalisierung ein Mittel dar, um den Kunden ihre Mobilitätsdienstleistungen schneller, transparenter und zuverlässiger zur Verfügung zu stellen. In diesem Zusammenhang wurde seit 2016 auch BIM als Strategie unterhalb des Vorstandsressorts Infrastruktur in 20 Pilotprojekten angewandt und umgesetzt. Parallel hierzu wurde die initial erstellte BIM-Strategie verifiziert und weiter verfeinert.

Im Endeffekt zielt die Digitalisierungs- strategie der Deutschen Bahn auf die Optimierung der Mobilitätsdienst- leistungen ab. Foto: unsplash (Fabrizio Verrecchia)
Aktuell beinhaltet die BIM-Strategie der DB neue Rahmenbedingungen und Handlungsempfehlungen für den Zeitraum bis in das Jahr 2025. Fokussiert werden dabei drei zentrale Themenfelder: Erstens die Stabilisierung der Infrastrukturprojekte im Bezug auf die Zielgrößen, Qualität, Termine und Kosten, zweitens die Erhöhung der Produktivität und der Effizienz bei der Abwicklung von Infrastrukturmaßnahmen hinsichtlich des anstehenden Investitionshochlaufs und drittens die Erhöhung der Verfügbarkeit bestehender Anlagen und der Wirtschaftlichkeit im Anlagenbetrieb durch eine signifikant verbesserte Datenqualität.
Treiber im Konzern
DB Systel ist als Konzerntochter der Deutschen Bahn nicht nur Treiber der digitalen Mobilität und Logistik, sondern auch Digitalpartner der DB-Gesellschaften. Konkret fallen ihr drei Rollen zu: IT Service Provider, IT Integrator & Enabler und Digital Innovator.
DB Systel hat sich zudem dazu entschieden, ein auf die BIM-Strategie des Konzerns abgestimmtes Portfolio zur Verfügung zu stellen. Dafür werden rund um BIM bedarfsgerechte, innovative Services auf Basis von Cloud, Big Data, IoT, Blockchain und KI entwickelt. Produkte und Lösungen werden dabei präferiert als Software-as-a-Service (SaaS) angeboten.
Ein Beispiel für eine solche Lösung verbirgt sich hinter dem unscheinbaren Produktnamen BIM-Arbeitsplatz. Der BIM-Arbeitsplatz ist eine typische Best-of-Breed-Lösung für das Arbeiten in BIM-Projekten. Er bietet den Projektmitarbeitern auf der DB-Seite im Projekt – also der Auftraggeberseite – alle Produkte und Tools, um BIM-Modelle zu speichern, zu inspizieren und mit Planern und anderen Projektbeteiligten multidimensional zu diskutieren. Ergänzt wird der BIM-Arbeitsplatz um weitere Lösungen und Services. Dazu zählen u.a. Common Data Environment (CDE), Planfeststellungsverfahren (Informationsbereitstellung im Anhörungsverfahren und das Management von Einwendungen), Punktwolken-Service, Stakeholder Management oder Service für GIS-Daten.
„An dieser Mischung ist bereits zu erkennen, dass typische CAD- und GIS-Anwendungen immer weiter zusammenwachsen werden“, so Stephan Wrede, BIM-Experte bei DB Systel. Schon heute werden in zahlreichen Arbeitsschritten des digitalen Planens, Bauens und Betreibens Geodaten eingebunden, manchmal bilden sie sogar die Arbeitsgrundlage. Die ideale Vorgehensweise soll zukünftig so aussehen, dass die für die Planung erforderlichen Daten vorab mit den wichtigen Informationen aus dem Betrieb ergänzt werden.
DB Systel baut auf Synergieeffekte mit anderen Technologiefeldern. Intellectual Property und Supply Chain Transparency sind etwa zwei Themen, die die DB mit BIM gemeinsam als Ganzes betrachtet. Für deren Realisierung ist die Blockchain-Technologie, für die DB Systel bereits die nötige Expertise besitzt, das Mittel der Wahl. Aktuell sind diese Themen nur teilweise in der Praxis umsetzbar, denn erste Proof-of-Concept-Projekte haben ergeben, dass dazu eine Standardisierung der Prozesse in BIM erforderlich ist. Erst wenn dies gegeben ist, sieht das Unternehmen das Risiko gebannt, keine Insellösungen zu schaffen.
Kommunikation & Kollaboration
Beim BIM stehen die Menschen im Vordergrund – Technologie ist hier „nur“ unterstützendes Werkzeug. Die digitalen Modelle sieht DB Systel als gemeinsame Datenbasis, die abgestimmte Informationsflüsse sicherstellt und damit die Grundlage für ein kollaboratives Arbeiten über die gesamte Lieferkette bereitstellt. „Eine der wichtigsten Aufgaben für die Anwendung der BIM-Methodik ist es daher für Unternehmen, neben dem technischen auch das erforderliche kulturelle Umfeld zu schaffen“, so Wrede. Neben Kollaboration komme auch noch die Agilität der Mitarbeiter dazu.

Die Digitalisierung der Infrastruktur bei der DB mit den BIM-Anteilen (blau). Grafik: DB Systel
Das schließt auch die Änderung der Arbeitsumgebung der Mitarbeiter mit ein: „Dies ist nicht einfach, weil hier teilweise alte Strukturen aufgebrochen werden müssen, um die Menschen in den BIM-Projekten systematisch von bisherigen, mehr oder minder strikt voneinander getrennten Arbeitsweisen in die neue Arbeitswelt zu führen“, so Wrede.
Die DB hat deshalb ein BIM-Lab am Standort in Karlsruhe aufgebaut. Dort sind die Mitarbeiter nicht nur technisch, sondern auch ergonomisch im Hinblick auf BIM ausgestattet. Vor allem bei der Ergonomie stützt sich das BIM-Lab auf Ideen, wie sie bereits in neuen Bürowelten von Alphabet (dem Google-Konzern), Microsoft oder auch der Konzerntochter DB Systel berücksichtigt wurden.
Zudem ist es beispielsweise möglich, Planungen auf einer wandfüllenden, interaktiven Fototapete zu visualisieren, wobei diese direkt mit einem Stift bearbeitet und mit Projektbeteiligten an anderen Standorten geteilt werden können.
„Konzepte wie das BIM-Lab bieten die Voraussetzungen dafür, dass BIM zur realen Kollaboration führt. Dafür brauchen wir einen Kulturwandel hin zu Offenheit, Transparenz sowie eine positive Fehlerkultur“, beschreibt Wrede. Dies soll im BIM-Lab konkret veranschaulicht werden.
„BIM stellt riesige Ansprüche – ‚etwas BIM‘ wäre nicht BIM“, sagt Wrede. Menschen müssen sich demnach in BIM-Projekten auf die veränderten Ansprüche einlassen. Die Technologie sollte ihnen dabei keine Wahl lassen. „Dieses ‚Müssen‘ wird in den nächsten Jahren sicher noch manche hitzige Diskussion auslösen, weil Verordnungen wie die HOAI die rechtlichen Konsequenzen der Digitalisierung und Kollaboration in BIM konzeptionell noch nicht berücksichtigen können“, so Wrede.
Dieser unternehmerische Wandel braucht Zeit. Die Deutsche Bahn hat innerhalb des Vorstandsressorts Infrastruktur einen Zeitplan mit drei Phasen entwickelt. Dieser enthält allerdings explizit den Wunsch, die BIM-Kompetenzen der Phasen 2 und 3 auch schon früher zu erreichen. Zur Verwirklichung wurden in 2016 zahlreiche Pilotprojekte gestartet. Zweck dieser Pilotprojekte ist es, kurzzeitig wertvolle Erfahrungen zu sammeln. Diese Erfahrungen sollen danach unmittelbar in die ab 2020 verpflichtend mit der BIM-Methodik umzusetzenden Projekte einfließen.
Im Februar und März 2019 haben Experten aus allen Pilotprojekten in einem agilen Projekt, das als „BIM Accelerator Camp“ bezeichnet wird, die Erkenntnisse aus den Pilotprojekten gebündelt und damit die Grundlage für die flächendeckende BIM-Anwendung und den Know-How-Transfer bei der DB geschaffen. (sg)