Im Januar gab das Unternehmen Vexcel Imaging bekannt, dass es den Befliegungsteil von Geomni, einem Geschäftsbereich des amerikanischen Softwareunternehmens Verisk, übernommen hat. Über die damit einhergehende Dynamik im globalen Markt der Photogrammetrie sprach Business Geomatics mit Alexander Wiechert, Geschäftsführer der Vexcel Imaging GmbH.
Herr Wiechert, fangen wir mit der Faktenlage an: Können Sie bitte genau erklären, wie Vexcel Imaging aufgestellt ist?
Zunächst einmal die klare Aussage, dass wir das bisherige Geschäftsmodell weiter fortführen: Im Kern also die Entwicklung photogrammetrischer Sensoren. Aktuell arbeiten wir an der vierten Generation unserer Kameras für den Einsatz in Flugzeugen, die ab 2020 schrittweise auf den Markt kommen soll. Neu ist jedoch, dass wir u.A. in den USA Flugzeuge, qualifizierte Mitarbeiter und umfangreiche IT-Ausstattung für die Auswertung der Daten hinzubekommen haben. Diese stammen aus einem Teil des Geschäftsbereichs von Geomni, die zu dem US-amerikanischen Softwarehersteller Verisk gehören. Im Zuge dieser Übernahme treiben wir vor allem unser Vexcel Data Program, kurz VDP, voran.
Mit Geomni übernehmen Sie eine Geschäftseinheit von Verisk, die personell und betrieblich viel größer ist als Vexcel Imaging bisher. Wie kam es dazu?
Hintergrund ist der zunehmende Bedarf an globalen, möglichst homogenen Datensätzen. Diese Entwicklung wird insbesondere durch die globalen Klimaveränderungen und die dadurch immer häufiger auftretenden Katastrophenereignisse wie Stürme, Hochwasser oder Dürren getrieben. Die Versicherungswirtschaft – und hier in besonderem Maße die großen Rückversicherer – hat diesen Bedarf vor allem für Risikomanagement und Schadensregulierung bereits lange erkannt. Insbesondere in den USA, wo die Hurricane-Saison 2017 ein einschneidendes Ereignis war.
Was hat sich dort konkret geändert?
Der Bedarf an einer schnellen Erfassung der gesamten Schadenslage wurde überdeutlich. Die Behörden, beispielsweise die US-Behörde für Katastrophenschutz FEMA oder das Red Cross, benötigten diese Daten für erste Hilfsmaßnahmen. Die USA sind diesbezüglich sehr gut organisiert und es herrscht eine Solidarität bei allen Marktteilnehmern. Die Versicherungsindustrie war in dem Fall der Auftraggeber und stellte gleichzeitig hohe Anforderungen an die schnelle Lieferung homogener, aussagekräftiger Daten. Hier haben wir ein Pilotprojekt durchgeführt und konnten Befliegung, Prozessierung und Bereitstellung der Daten in bisher unbekannter Qualität teilweise binnen 24 Stunden realisieren. Ein Ergebnis, das die Auftraggeber nachhaltig sehr beeindruckt hat.
Was hat sich dadurch in den USA in der Schadensregulierung geändert?
Sie unterliegt einer massiven digitalen Transformation. Bis vor wenigen Jahren haben Schadensgutachter dort meist noch manuell gearbeitet. Bei einem durch einen Hurricane zerstörten Gebiet beispielsweise dauerte es lange, bis der komplette Prozess der Schadensregulierung für jedes einzelne Haus durchlaufen war. Durch unser Befliegungsprogramm konnten wir beispielsweise nach dem Hurricane Irma 2017 die Schadenerfassung extrem verkürzen. Zwischen Befliegung und Schadensdokumentation lagen nur wenige Tage. So konnten dann auch die Betroffenen viel schneller unterstützt werden.
Und wie kam es dann zum Datenprogramm?
Nach diesem erfolgreichen Pilotprojekt kam dann eins zum anderen. 2018 haben wir ein Befliegungsprogramm für ganz Nordamerika begonnen, damals noch mit gecharterten Flugzeugen. Das wurde zu einem herausragenden Erfolg, der gezeigt hat, dass wir groß angelegte Datenprogramme sehr gut in der Praxis umsetzen können. Wir hatten Datenprojekte in globaler Größenordnung zudem unter der Ägide von Microsoft erfolgreich umgesetzt. Spätestens damit wurden wir auch für Verisk interessant, die Teile ihres Geschäftsbereichs Geomni veräußern wollten und einen Partner gesucht haben, der zu der Aufgabe passt.
Wolkenloser Himmel bedeutet gute Sicht, doch wenn aktuelle Aufnahmen nach einem Katastrophenfall gefragt ist, zählt vor allem die Aktualität und schnelle Verfügbarkeit, unabhängig von gutem Wetter. Dabei werden potentiell die in der Nähe verfügbaren UltraCam Systeme eingesetzt, egal welchen Typs. Die Bestandsaufnahme muss möglichst schnell her, Auflösung, Flughöhe, Überdeckung und andere Qualitätsparameter sind meist sekundär. Das Primat der Aktualität gilt genauso für die Auswertung.Blue Sky
Blue Sky, also Flüge mit wenig oder keiner Bewölkung, sind die Grundlage für hochauflösende Ortho- beziehungsweise True Orthofotos für eine Vielzahl von Anwendungen. Das in den USA, Europa und Australien eingesetzte Verfahren zielt auf hohe bis höchste Qualitätsparameter, die detailliert definiert sind. Zum Einsatz kommen die UltraCam Osprey für die hochaufgelöste Befliegung der Städte, sowie die UltraCam Condor für die landesweite Befliegung in niedriger Auflö- sung. Blue Sky-Befliegungen finden zudem regelmäßig statt.
Wie sieht es mit der langfristigen Perspektive für die Veränderungen im Markt aus?
Sowohl Verisk als auch uns ist klar, dass im weltweiten Markt die Nachfrage für globale Datenprogramme photogrammetrischer Qualität steigen wird. Von daher deckten sich unsere strategischen Vorstellungen bereits. Die Übernahme basiert daher auch auf Gegenvereinbarungen. Dazu gehört beispielsweise die Bereitstellung von Daten an Verisk. Zudem ist Versik auch Gesellschafter bei Vexcel Imaging geworden – zwar in einer Minderheit, aber durchaus signifikant.
Welche Auswirkungen wird das auf den Markt haben?
Wichtig ist es vor allem, zwei wesentliche Elemente unseres Datenprogramms zu unterscheiden: Wir bezeichnen diese als „Gray Sky“- und „Blue Sky“ (Anm. der Redaktion, siehe Kasten). Das ist eine neue und am Markt bisher noch nicht gängige Klassifizierung, die aber unserer Sicht sehr viel Sinn macht. Unser Programm in den USA war anfangs vor allem durch Katastrophenereignisse wie Hochwasser und Hurricanes („Gray Sky“) geprägt Wir begannen dort mit Befliegungen für „Gray Sky“, haben aber mittlerweile massiv um regelmäßige Befliegungen („Blue Sky“) erweitert – und dies nicht nur in den USA, sondern auch in Europa. Eine weitere Expansion in andere Regionen der Welt steht für dieses Jahr noch an.
Das greift dann aber in den bisherigen Befliegungsmarkt ein?
Sicher, alleine schon dadurch, dass Vexcel Imaging ein neuer Auftraggeber im Markt ist und damit auch den Markt stimuliert. Aber wichtig ist, dass wir mit dem Datenprogramm eine klare Grenze zu dem Markt für Auftragsbefliegungen, so wie er bisher bestand, machen.
Wie weit ist Vexcel mit dem Blue Sky-Programm?
In den USA fliegen wir seit Anfang 2019 regelmäßig mit ca. 30 Sensoren. Außerdem befliegen wir Europa und Australien bereits seit Mitte 2019 im Rahmen der Ersterfassung. Auf beiden Kontinenten werden dafür Flugzeug, Pilot und Operator gechartert. Die Städte sollen alle ein bis zwei Jahre erfasst werden, in der Fläche werden die Befliegungszyklen mehrere Jahre umfassen. Wir wollen zudem das Geschäft global ausdehnen, auch nach Asien und Ozeanien. Dabei folgen wir natürlich dem Bedarf unserer Großkunden, also vorwiegend z.B. der Versicherungen.
Wie grenzt sich Vexcel vom bisherigen, eher projektorientierten Befliegungsmarkt ab?
Durch standardisierte Spezifikationen unseres Datenprogramms die globale Anwendung finden. Im Blue Sky-Programm haben wir sehr klare und festgelegte Spezifikationen für die Befliegungen: In der Fläche ist eine Auflösung von 20 Zentimetern gefordert, in dichten Siedlungsgebieten 7,5 Zentimeter. Das sind Merkmale, die für unsere Kunden aus der Versicherungswelt ideal sind. Der Markt von Spezial- und Auftragsbefliegungen ist dabei also kaum betroffen.
Die Grenze der Auflösungen für die Befliegungen für die Bundesländer, die einen sehr großen Marktanteil ausmachen, liegt meist aber nur ganz knapp über den Spezifikationen ihres Blue Sky-Programms. Sind Sie also doch ein neuer Wettbewerber?
Die Befliegung der Bundesländer ist sicher der interessanteste Markt. Grundsätzlich stimmen wir unsere Spezifikationen mit unseren Großkunden ab, diese haben aber ein weitaus größeres Auftragsvolumen als die Bundesländer. Wir erwarten, dass der Bereich der amtlichen Vermessung wie bisher von den spezialisierten Befliegungsdienstleistern abgedeckt wird. Aber klar ist: Der Befliegungsmarkt ist dynamisch. Die Anforderungen der Kunden ändern sich ständig, die Preise gehen zurück und ebenso entwickelt sich die Technologie weiter. Unsere Endkunden erhalten durch unser skalierendes Befliegungsprogramm natürlich auch Kostenvorteile. Natürlich muss man davon ausgehen, dass unser Datenprogramm sehr genau beobachtet wird, auch von der Öffentlichen Hand, die im Laufe der Zeit wahrscheinlich darauf reagieren wird.
Werden sich ihre standardisierten Spezifikationen auch auf die Vergabepraxis auswirken?
Spezifikation für die Befliegung sind natürlich ein Riesenthema. Alle Parameter bei der Auswertung und vor allem der Befliegung haben entscheidenden Einfluss auf das Endprodukt. Das war schon immer schwierig für Ausschreibeverfahren, die teilweise spezielle Parameter benötigen. Wir gehen davon aus, dass unser Datenprogramm darauf positive Auswirkungen haben kann. Denn es gibt erstmals ein Standardprodukt mit klaren Parametern und Preisen. Es könnte als Referenz dienen für die Frage, welche Datenqualität Auftragsbefliegungen haben sollten und welcher Preis dafür verlangt werden kann.
Welche Rolle spielt die Vexcel-Software bei dem neuen Geschäftsmodell?
Die Datenprozessierung basiert auf unserer Software UltraMap, die extrem gut skalierbar ist und damit eine ideale Ausgangslage für ein globales Datenprogramm darstellt. Die Software ist zwar im Moment nur für unsere Kameras geeignet, wir sind aber in der Entwicklung konkret dabei, sie für andere Kamerasysteme zu öffnen.
Planen Sie, auch Dienstleistungen für die Datenprozessierung anzubieten?
Nein, unsere Kapazitäten für die Datenprozessierung sind rein für unser Datenprogramm vorgesehen. Wir verarbeiten bereits Dutzende von Petabyte an Daten, in diesem Bereich bauen wir aber weiter Teams und IT-Kapazitäten aus. Außerdem rüsten derzeit auch unsere Partner massiv auf, um den weltweit steigenden Bedarf abzudecken.
Was macht ihr angestammter Geschäftsbereich der Kameraentwicklung?
Der bleibt nicht nur bestehen, wir treiben ihn weiter dynamisch nach vorne. Wir arbeiten aktuell an der Entwicklung der neuen, vierten Generation unserer Kamerasysteme, die ab 2020 schrittweise erscheinen wird. Da wir in Zukunft noch mehr Praxiserfahrungen mit unseren eigenen Kameras haben werden, gehen wir davon aus, dass sich dieser Erfahrungsschatz auch nochmal positiv auf die Entwicklung auswirken wird. Davon werden dann auch allen unseren Kamerakunden profitieren. Außerdem haben wir die Kapazität für die Kamera-Produktion in 2020 verdoppelt um Engpässe in der Nachfrage bestmöglich zu vermeiden und internen und externen Bedarf an Kameras bedienen zu können. (jr)