Das Thema Building Information Modeling (BIM) ist in aller Munde. Doch BIM ist auch ein heikles Thema. Es besteht das Risiko des Scheiterns an der Praxis. Die Ursache sehen Experten vor allem im Bereich fehlender Standards.
Der Kerngedanke von BIM steht in Zusammenhang mit der Digitalisierung des Bauens und der damit einhergehenden Betrachtung des gesamten Lebenszyklus von Bauwerken. Basis des Bauens (und Betreibens) soll in Zukunft ein einheitliches und integriertes Datenmodell sein, auf das in allen Phasen zugegriffen werden kann. BIM ist demnach keine Standardsoftware, sondern ein komplexer Prozess, der alle beteiligten Mitarbeiter vernetzt.
Soweit die Theorie, wie sie schon seit fast zehn Jahren diskutiert wird. Doch BIM nimmt Fahrt auf, vor allem im Tiefbau. Schließlich hat Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt Ende 2015 einen Stufenplan für die Einführung der Methode vorgestellt. Und dieser richtet sich in erster Linie an den Tief- und den Ingenieurbau. Ab Ende 2020 sollen Projekte, die im Zuständigkeitsbereich des Bundesverkehrsministeriums (BMVI) liegen, BIM-fähig sein. Gleichzeitig erwartet Dobrindt, dass Länder und Kommunen nachziehen. Die Deutsche Bahn, die gerade im Bereich Brücken einen extrem hohen Investitions- und Sanierungsaufwand vor sich hat, will BIM zügig adaptieren.
In der Praxis wird BIM allerdings noch sehr verschieden interpretiert. Leser berichten dieser Zeitung von BIM-Projekten, in deren Ausschreibungen lediglich ein zentrales Datenmanagement gefordert ist, bei anderen soll die Modellierung kleinste Details des Bauwerks abbilden. Teilweise werden Softwareanbieter gefragt, ob sie eine „BIM-Schnittstelle“ im Angebot haben.
Neuer Manager-Typ
Topcon Deutschland Positioning GmbH
Es gibt also noch viel Aufklärungsbedarf, soweit herrscht Konsens in der Branche. Die von den Softwareherstellern geprägte Vision einer integrierten Modellierung ist derweil am Markt die präsenteste. Demnach sollen alle Daten, die bisher in verschiedenen Systemen gehalten wurden, innerhalb einer integrierten Datenumgebung vorgehalten werden – idealerweise parametrisch verbunden. Wird also eine Änderung auf einer Systemebene durchgeführt, ändern sich alle anderen Daten innerhalb des Infrastrukturprojektes automatisch mit. Zum Beispiel: Verschiebt sich die Trassenführung, werden die Änderungen für den Erdaushub, die im Digitalen Geländemodell ersichtlich sind, automatisch mit berechnet, einschließlich der automatischen Massenermittlung für die Erdarbeiten. Das soll den Automatisierungsgrad innerhalb der Plan- und Entwurfsphase erheblich steigern, und vor allem Kostenschätzungen und zeitliche Bauablaufplanungen verbessern.
Aufgrund der fehlenden Standardisierung ist BIM aktuell noch Interpretationssache des Bauherrn, das gilt für den Hochbau, bei dem BIM schon tiefer in der Praxis implementiert ist, genauso wie für den Tiefbau. Experten fordern, dass in Projekten zentrale BIM-Manager installiert werden, die von der Hardwareanschaffung bis zur Weiterbildung der Teams das Projektmanagement ganzheitlich „renovieren“ sollen. Besonders die internationalen Erfahrungen zeigen dabei, dass BIM nicht von nur einigen Mitarbeitern und innerhalb verschiedener Projektinseln durchgeführt werden kann, sondern als Gesamtes gesehen werden sollte.
Bereits heute lassen sich konkrete Folgen ablesen. Mit BIM verschieben sich beispielsweise die jeweiligen Aufwände für die softwareorientierten Arbeiten. Zu Beginn des Projektlebenszyklus fällt mehr Modellierungsaufwand an, die damit zu erzielenden Vorteile kommen Projekten aber erst in späteren Phasen zu Gute. Solche Verlagerungen der Wertschöpfung werden derzeit aber in den Honorarrichtlinien nicht abgedeckt. Auch wenn die HOAI beispielsweise schon bei vielen Projekten der Bauwirtschaft nicht durchgehend berücksichtigt wird, so ist doch eine weitere Umbewertung bei der Vergütung einzelner Arbeitsschritte erforderlich.
Viel gravierender ist allerdings das Problem der Standardisierung. Es gibt zwar das offene Dateiformat Industry Foundation Classes (IFC), das vermeintlich den Datenaustausch zwischen BIM-Modellen gewährleistet, doch in der Praxis ist IFC kein Allheilmittel. Zum einen hat es seine Wurzeln in der Hochbauwelt respektive in der Automobilindustrie und ist demnach für den Tiefbau nur eingeschränkt anwendbar, zum anderen kann ein BIM-Prozess, der nicht standardisiert ist, qua Definition überhaupt nicht mit einer Standard- Schnittstelle definiert werden. So vielschichtig BIM-Prozesse sind, so unterschiedlich sind auch die Anforderungen an den Datenaustausch.
Standards gefragt
Was also in der Branche gefordert wird, ist ein zentrales Standardisierungsgremium auf höchster Ebene. Der Gemeinsame Ausschuss Elektronik im Bauwesen (GAEB) könnte hier als Vorbild fungieren. Hier wurde ab 2005 auf ministerieller Ebene ein Standard für den Datenaustausch im Ausschreibungsprozess aus der Taufe gehoben, der heute in der Praxis auf breiter Ebene funktioniert.
Wird die BIM-Standardisierung sich selbst überlassen, droht ein negatives Szenario: Die Softwarehersteller versuchen, ihre eigenen Lösungsplattformen in den Markt zu drücken, worunter die Interoperabilität leidet. BIM könnte die dringend erforderliche Akzeptanz nur schwer gewinnen. Auch die Deutschen Bauunternehmen, die vorwiegend als Klein- und Mittelständler organisiert sind, könnten zudem international den Anschluss verlieren, weil sie nicht genügend BIM-Expertise aufbauen können.
Der Bundesregierung mag Finnland ein gutes Beispiel sein. Das Land investierte in der Vergangenheit hohe Millionensummen in eine allgemeine Erarbeitung von BIM-Standards – und gilt heute als Paradebeispiel. Finnische Firmen gelten bei BIM inzwischen als europaweit führend. Auch Großbritannien, die Niederlande, Dänemark und Norwegen schreiben die Nutzung von BIM bei öffentlich finanzierten Bauvorhaben bereits heute vor. Die Baufirmen aus diesen Ländern erarbeiten sich zunehmend internationales Renommee. Experten der Baubranche fordern daher, dass die Bundesregierung bei den Investitionspaketen für Infrastruktur auch Initiativen für die Standardisierung von BIM mit berücksichtigt. Im Vergleich zu den Milliarden-Investitionen, die alleine bei Brücken und Straßen geplant sind, ist dieser Anteil verschwindend gering. Bisher gibt es noch keine Initiativen von Bund oder Ländern die Standardisierung voranzutreiben.
Bilder: Kzenon/shutterstock, ThamKC/shutterstock