Wie entwickelt sich die Terrestrischen Laserscannings in Zukunft weiter? Wird es in Zukunft nur noch Multisensor-Geräte geben? Wie viel Entwicklungspotential für die Bestandsdatenerfassung steckt noch im Laser? Business Geomatics hat Experten befragt.
Neben Tachymetern gehören Terrestrische Laserscanner (TLS) heute zur Standardausrüstung von Vermessungsexperten. Vor rund 15 Jahren begannen sie, den Markt zu erobern und machten die mit ihnen generierten 3D-Punktwolken. Spätestens die Intergeo 2019 hat jedoch gezeigt: Rund um Terrestrisches Laserscanning gibt es eine Menge Innovation.
Integration mit der 3D-Photogrammetrie, Integration verschiedenster Sensoren, ultramobile Scanner, Miniaturisierung, Solid State Scanner, enorm viele Einzelthemen wirken auf die traditionelle Produktkategorie. Viele Leser fragen sich, wie es mit dem 3D-Laserscanning im Allgemeinen und den 3D-Laserscannern im Besonderen weitergeht. Quo vadis TLS? Die Business Geomatics hat dies Experten von den Herstellern von den wichtigsten Anbietern von TLS befragt und hier die Antworten der jeweiligen Akteure (Anm. der Redaktion: Nicht alle Anbieter haben auch geantwortet) zusammengefasst.
Die Grenzen der Physik
Leichter, schneller genauer: Sind die Grenzen der Optimierung heute bereits langsam erreicht? Eric Bergholz von dem Vertriebsspezialisten Laserscanning Europe antwortet darauf Ja und Nein gleichermaßen. „Ich glaube besonders beim Sensor ist man im Bereich des physisch Machbaren angekommen. Nur durch aufwendige Entwicklungen wird man hier z.B. mehr Geschwindigkeit oder größere Reichweiten erzielen“. Auch das Gewicht sei kein großes Problem mehr, zu leichte Scanner hätten auch Probleme mit der Standsicherheit. Vielmehr sei die Entwicklung zusätzlicher Funktionen wie der Registrierung der Scans ohne Targets im Feld oder die SLAM Technologie (selbstständige Erkennung der Position in Echtzeit) zukunftsweisend.
Auch aus Sicht von Markus Westphal von Trimble ist die Messtechnik sicher ausgereift. Zwar seien auch weiterhin Verbesserungen zu erwarten, die größten Potenziale ergeben sich aber aus der Kombination von Hardwarefunktionen und Software. Dadurch sei der Übergang von der reinen Hardware zur fertigen Lösung möglich, etwa indem Nutzer die fertig referenzierte Punktwolke und damit erhöhte Kontrolle direkt vor Ort erhalten.
Für Oliver Bürkler von Faro schlägt sich „die fortschreitende Technologieentwicklung im Rahmen der diversen Digitalisierungstrends auf zukünftige Verbesserungen bei der 3D-Bestandserfassung durch“. Es gebe eine Vielzahl von Innovationen, deren Wirkung auf unsere Industrie heute kaum abschätzbar seien.
Für Wolfgang Bücken von Topcon seien zwar die physikalischen Grenzen noch nicht erreicht. Sie werden in Zukunft noch schneller, genauer und leichter werden. Zentrale Frage sei aber, ob das für den Anwender relevant ist. Noch mehr Punkte bedeuten beispielsweise auch noch mehr Daten mit höheren Anforderungen an IT-Infrastruktur und Cloudlösungen. „Diese Rahmenbedingungen müssen gleichauf laufen mit der Entwicklung der TLS“, so Bücken, was in vielen Fällen noch nicht gegeben sei. Daher sollten Lösungsansätze heute den gesamten Workflows im Raum berücksichtigen, bei dem neben den schnellen und präzisen Daten auch ein automatisierter Prozess der Weiterverarbeitung unabhängig vom Scanner beachtet werden müsse.
Diese Frage sei, so Nikolaus Studnicka von Riegl, allein deswegen interessant, weil vor wenigen Jahren noch die Genauigkeit im Vordergrund stand, sich dies aber im Zuge der Verbreitung „Mobile Scanner und Handscanner haben die größten Wachstumspotentiale.“
Eric Bergholz, Geschäftsführer Laserscanning Europe GmbH verschoben habe. „Für die tägliche Vermessungsarbeit zählen das Gewicht und die Geschwindigkeit mehr. Gerade bei letzterer seien in den letzten Jahren enorme Fortschritte erzielt worden, wobei es immer noch „Möglichkeiten für weitere Innovationsschritte in diese Richtung gibt“, so Studnicka.
Die Mess-Geschwindigkeit steht für alle Experten weiterhin im Fokus. Vor dem Hintergrund der Auswertungen und der vielschichtigen Datenworkflows, die weit mehr Zeit beanspruchen, rücke die reine Messgeschwindigkeit aber sehr in den Hintergrund.
„Geschwindigkeit definiert sich durch die smarte Verbindung aus Hardware und Software, die ein hocheffizientes Arbeiten im Feld ermöglicht“, beschreibt Westphal. Auch die Übertragung an die Teams im Büro müsse etwa effizient sein. „Eine Aufnahme nicht nur schnell machbar sein, sondern auch effizient, kostengünstig und vollständig“, sagt auch Bücken mit Blick auf komplette Workflows. Heute sei diesbezüglich schon viel möglich, beispielsweise die direkte Erstellung von 3D-Modellen oder die Ableitung von 2D-Plänen.
Zum Thema Mess-Geschwindigkeit der Scanner selbst kursieren auch Missverständnisse. „Leider werden auch in Ausschreibungen noch immer die Megahertz, also Laser-Messraten, miteinander verglichen, dies ist aber irreführend!“, betont Studnicka. Neben der Messrate, also den Lasermessungen pro Sekunde, komme es vor allem auch auf die Scanrate, also Linienscans pro Sekunde, an. „Nur wenn beide sehr hoch sind, können viele hochauflösende Scans hintereinander aufgenommen werden“, so der Manager. Zusätzlich sei es ebenfalls entscheidend, ob die Fotoaufnahmen parallel zum Scannen durchgeführt werden. Eine korrekte Geschwindigkeitsangabe sei also die Einheit „Laserscans pro Zeiteinheit“, also beispielsweise 50 Laserscans pro Stunde. Diese Einheit werde immer wichtiger, da die Projekte auch immer größer werden.
Neue Märkte
Für Markus Westphal liege in der Entwicklung von effektiven Workflows, welche die Wertschöpfung aus den erhobenen Daten vereinfachen, das größte Potenzial für neue Märkte. „Algorithmen zur automatischen Extraktion von Objekten aus der Punktwolke, das Aufnehmen und Klassifizieren von Punkten oder die automatische Ermittlung von Attributwerten für Objekte aus der Punktwolke werden maßgeblich zur Verbreitung von TLS auch in neue Anwendungsgebiete führen“, so der Vertriebsleiter.
Diese liegen Eric Bergholz zufolge daher in allen Bereichen, wo einfache Aufnahmen nur gelegentlich gebraucht werden. Für solche Fälle sei der Preis mit wenigen Ausnahmen noch zu hoch und die Software zu komplex. Bürkler erwartet im Bausektor weiteres Wachstum, obwohl sich hier bereits die meisten Anwendungen finden. „Im Anbetracht des Digitalisierungsrückstandes dieser Branche wird sich dort für die nächsten Jahre viel tun“, so Bürkler.
Auch für Bücken sei neben dem Maschinenbau auch die Baubranche mit ihrem Trend zu BIM schon sehr weit, beide Bereichen bilden aber noch Wachstumsfelder, vor alle
m bei Industrie- und Anlagenbau. „Ein weiteres großes Potenzial sehe ich bei der technischen Gebäude- bzw. Haustechnikausrüstung“, so Bücken. In all diesen Märkten sei es jedoch so, dass der Mehrwert des TLS erst langsam erkannt wird und daher Investition gescheut werden, zum Beispiel, weil man die Potenziale nicht einschätzen kann oder viele aktuell auch Angst vor Veränderungen und deren Auswirkungen habe.
Auch Studnicka sieht „die Marktpotentiale bei weitem noch nicht ausgeschöpft“. Es gebe noch zu viele Spezialisten in Märkten, die diese moderne Messtechnik noch nicht kennen, obwohl mit neuen Technologien wie etwa der automatischen onboard-Registrierung immer weniger Expertenwissen gefordert sei. Bürkler erkennt immer noch einen „steigenden Bedarf an Komplettlösungen für die spezifische Aufgabenstellungen“.
Unbestritten unter den Experten ist daher die Annahme, dass immer mehr vertikale Lösungen für einzelne Anwendungsfelder geben wird. „Dies wird aber sehr stark von den Themen Software und Marketing getrieben“, ist Bergholz überzeugt. Westphal sieht die Spezialisierung der Lösungen auch maßgeblich auf der Softwareseite. Daher seien offene Schnittstellen oder gängige Austauschformate notwendig, damit auch die gute Weiterverarbeitung in Spezialprogrammen gewährleistet sei. Bücken betont, dass auch Dienstleistungen vertikalisiert werden. Für Anbieter bedeute dies, dass für jeden Kunden immer die gesamtheitliche Lösung und nicht das einzelne Produkt im Vordergrund stehen müsse.
Studnicka allerdings sieht auch ein „Risiko der Verallgemeinerung, sodass das Potential der Scandaten nicht immer voll ausgeschöpft wird“. Im Umfeld von BIM seien heutzutage beispielsweise sehr viele Details bei den Endanwendern ungelöst, sodass sich noch keine mehrheitlich anerkannte Vorgehensweise etablieren konnte.
Die Rolle der Photogrammetrie
Photogrammetrie und Laserscanning finden sich bei modernen Geräten integriert. Wird es also in Zukunft kombinierte Lösungen geben? Klar ist auf sachlicher Ebene, dass beide Verfahren Vor- und Nachteile besitzen. Photogrammetrie ist günstig und liefert Farbe, funktioniert aber nicht im Dunkeln. Da Kunden, so Bergholz, meist die Sicherheit haben wollen, immer messen zu können, werde auch der Laserscanner weiter bestehen – wenngleich die Lasertechnologie um ein Vielfaches teurer ist als die Photogrammetrie. „Es wird beide Strömungen und Mixe davon geben“, sagt Bergholz. Auch Westphal sieht „weniger Konkurrenz als vielmehr Ergänzung beziehungsweise Verschmelzung von zwei verschiedenen Messverfahren.“ Die Entwicklung von Multisensorsystemen wird für Studnicka auch weitergehen, wenn man Vor- und Nachteile genauer analysiert: „Im Foto können mehr Details, Kanten und Punkte erkannt werden, ein Laserscan hat im Gegensatz dazu keine Probleme strukturlose Flächen zu vermessen
oder mit Vegetation korrekt umzugehen“. Auch für Bücken liegt die Zukunft in der der Kombination: „Ich bin davon überzeugt, dass sich die miteinander verknüpften Gesamtlösungen gegenüber isolierten Einzellösungen durchsetzen werden“. Bürkler betont dabei die Verdichtung der komplementären Technologien in einem Gehäuse: „Die Smartphones zeigen eindrucksvoll, welche Leistungssprünge die Integration unterschiedlicher Sensoren für den Nutzer ermöglichen können“. Für Westphal sind da keine Grenzen gesetzt. „Alle Schnittstellen und Sensoren, die wir aus digitalisierten Workflows kennen, halten auch im Laserscanning Einzug“.
Zur der Sensorintegration gehören neben Wärmebildkameras, Kompasse etc. auch moderne Auswerteverfahren. „Die Integration von SLAM gehört definitiv zum Trend“, so Bergholz. Selbst die automatische Kalibrierung sei möglich. Studnicka betont den Technologietransfer aus dem Automobilsektor. „Ich erwarte mir viele neue Erkenntnisse vom Einsatz von Laserscannern bei autonomen Fahrzeugen, etwa durch Deep- beziehungsweise Machine-Learnings als Teilbereich der künstlichen Intelligenz“. Dies biete äußerst interessante Ansätze zur Prozessierung der Scandaten selbst, beispielsweise im Bereich der Punktwolkenfilterung und -klassifizierung.
Bestimmt also die Automobilindustrie den Lasermarkt der Zukunft? Die Experten sind sich diesbezüglich sicher. Alleine die dortigen, ungeheure hohen Investitionssummen für Forschung und Entwicklungen, die sich auf das Laserscanning konzentrieren, sorgen, so Bergholz, für Impulse. Hier entstehen vor allem Solidstate-Scanner, die ohne bewegliche Teile auskommen und sehr günstig sind.
Die 2020er also als das „LiDAR Jahrzehnt“? Auch Studnicka und Westphal vermuten, dass die Breitenwirksamkeit der günstigen Laserscanner der autonomen Fahrzeuge auch für einen Anstieg in der hochgenauen 3D-Objekterfassung sorgen wird. „Mobile Scanner und Handscanner haben die größten Wachstumspotentiale“, so Bergholz.
Auch Bücken sieht die hohe Entwicklungsdynamik gibt allerdings zu bedenken, dass „viele Anwender dieser Geschwindigkeit nicht mehr folgen können oder auch nicht wo
llen“. Zum Beispiel könne es sich Innovationsverhindernd auswirken, wenn die heutige Technologie morgen schon wieder als veraltet gelten könnte. „Zunächst müssen wir all jene mitnehmen, die sich dem technologischen Stand von heute noch nicht geöffnet haben, und sie danach über die nächsten technologischen Entwicklungsschritte zu begleiten“, formuliert Bücken die Aufgabe. Die Frage ist auch, was die chinesischen Hersteller machen. „Bisher haben wir noch kein wirklich starkes Gerät gesehen. In der Industriemesstechnik zieht dies schon anders aus“, so Bergholz.
Die Frage bleibt aber im Raum, wo Software, die direkt zum Scanner gehört und teilweise von den Herstellern selbst angeboten wird, aufhört, und wo weiterführende Programme für die Punktwolken-Verarbeitung anfangen. „Hier gibt es bei den Kunden große Sensibilitäten was einerseits die Abhängigkeit von wenigen Anbietern und andererseits das Preis-Leistungsverhältnis angeht“, so Bergholz. Auch Miet-Modelle für TLS kämen stärker, oft sei bei Nutzern sogar „nur“ noch ein kompletter Service gefragt. Die Hersteller mit ihrem meist traditionellen Produktvertrieb sind darauf noch nicht eingestellt. (sg)