Welche Voraussetzungen muss die IT für die Umsetzung von BIM-Strategien schaffen? Im Rahmen des Vorhabens „Digitalisierung der Bahn“ kommt der DB Systel eine exponierte Stellung zu.
Die Deutsche Bahn will mit der Digitalisierung des gesamten Schienennetzes die Kapazitäten für den Zugverkehr um bis zu 20 Prozent erhöhen. Dieses Ziel soll durch die Digitalisierungsstrategie der Deutschen Bahn maßgeblich unterstützt werden. Im Bereich Planen, Bauen und Betreiben der Infrastruktur soll das vor allem auch durch die Umsetzung der BIM-Methode erreicht werden, die über die reine (fortschreitende) Digitalisierung dieser Themen hinausgeht.
Verantwortlich ist das Vorstandsressort Infrastuktur (VRI), zu dem die DB Netz AG, die DB Station&Service AG, die DB Energie GmbH sowie die DUSS mbH gehören. Die DB Systel GmbH ist der konzerninterne IT-Dienstleister und fungiert geschäftsfeldübergreifend als Integrator und Enabler für die digitalen, kollaborativen Geschäftsprozesse. „Diese Aufgabe geht über den reinen Betrieb von Anwendungen und das Hotlining hinaus“, sagt Stephan Wrede, BIM-Spezialist bei der DB Systel.
Dazu hat sich das Unternehmen organisatorisch in vielen Bereichen neu aufgestellt. Zum Beispiel sind nicht mehr einzelne Produktmanager für das jeweilige Produkt verantwortlich, sondern für Portfoliosegmente. Die Aufgabengebiete sind in Portfoliomanager, Serviceowners und fest etablierte Kundenteams aufgeteilt. Das Thema BIM ist dem Segment Enterprise Resource Planning (ERP) zugeordnet. „Das hat den Vorteil, dass nicht nur einzelne Fragmente betrachtet werden, sondern der Portfoliomanager mit den Teams ein ‚big picture‘ erstellen und kommunizieren kann, das einen größeren Zusammenhang darstellt“, so Wrede. Dies habe einen sehr positiven Einfluss auf die Wertschöpfung.
Grundlegende Ziele von BIM werden aus der Konzernstrategie abgeleitet und betreffen in erster Linie die Steigerung der Termin- und Kostensicherheit sowie der Effizienz. Gleichermaßen werden eine bessere Einschätzung von Risiken und die Förderung der Öffentlichkeitsbeteiligung adressiert. Inhaltlich gesehen geht es der DB Systel darum, den Lebenszyklus von Infrastrukturen nachhaltig zu betrachten, das Erfahrungswissen der Mitarbeiter zu objektivieren und digital verfügbar zu machen sowie die partnerschaftliche Projektzusammenarbeit zu fördern.
Fünf Punkte im Fokus
Dazu hat DB Systel eine langfristige Roadmap ausgearbeitet. Bis spätestens in fünf Jahren sollen alle grundlegenden Software- und IT-Systeme vorhanden sein, die für die Umsetzung der BIM-Strategie im Konzern notwendig sind. Bis 2025 soll das BIMTeam der DB Systel dann anerkannter Partner des VRI für alle Belange rund um das Thema BIM sein. Die Roadmap konzentriert sich zunächst auf fünf Punkte.
Erster Punkt ist die Forderung und die Erstellung der 3D Planung. Danach müssen die Auftraggeber-Informations- Anforderungen (AIA) erstellt und geprüft werden. Beim AIA wird definiert, welche Daten in einem BIM-Projekt wann und in welcher Detailtiefe benötigt werden. Der dritte Punkt sieht die gemeinsame Erstellung des BIM-Abwicklungsplans vor. Im vierten Schritt geht es um die Anwendung eines Common Data Environment (CDE). Ein CDE ist ein neuartiger Ansatz, der eine Informationsquelle für alle Beteiligten bezeichnet. Es verwaltet alle anfallenden Informationen zu allen Projekten eines Bauherrn – und zwar sowohl grafische als auch nicht grafische Informationen. Derzeit gibt es am Markt noch keine allgemeingültigen Standards für Leistungs- und Funktionsumfang. Beim fünften Punkt geht es darum, die Planungen im virtuellen Raum zu prüfen. Dazu sollen sogenannte Virtual Design Reviews (VDR) genutzt werden, um Produkt- und Prozessdesigns virtuell zu validieren. Vor Baubeginn sollen so Fehler besser identifiziert und behoben werden.
Vom Monolith zum Store
Vor allem die Punkte eins, vier und fünf benötigen eine sehr intensive IT-Unterstützung. Je nach Arbeitsplatztyp stehen unterschiedliche technische Anforderungen im Vordergrund. „Der Einsatz von Load Balancern für die Lizenzverwaltung in verteilten Cloud- Systemen reicht dafür bei weitem nicht aus“, so Wrede. Aktuell sind, so DB Systel, noch nicht alle Services und Lösungen am Markt in der Lage, auch auf virtualisierten Arbeitsplätzen eingesetzt zu werden. Denn die DB Systel setzt bei der Ausstattung der Mitarbeiter vor allem auf Cloud- und Virtualisierungsansätze mit räumlich verteilten Terminal- Servern und Cloud-Diensten – mit Ausnahmen bei High-Performance Arbeitsplätzen, wie sie etwa BIM-Planer benötigen. Wie die konkrete infrastrukturelle und softwaretechnische Ausstattung aussehen soll, befindet sich derzeit in Diskussion.
Aktuell wurde aber bereits ein BIMArbeitsplatz definiert, der zunächst zu 100 Prozent die fachlich technischen Anforderungen beinhaltet. Dieser „BIM-Monolith“ ist Grundlage für eine erste Evaluierungsphase. Im Fortgang soll dann definiert werden, welche Ressourcen die verschiedenen Nutzergruppen konkret benötigen. Dieses „right-sizing“ ist für das erste Quartal 2019 geplant. Dann soll eine sogenannte BIM-Stele definiert werden, also ein schlankerer BIM-Arbeitsplatz, der für mindestens 70 Prozent der Anwender 70 Prozent der fachlich technischen Anforderungen erfüllt. Dieser solle dann für beliebig viele Nutzer (Skalierung) bereitgestellt werden. Dabei sollen verschiedene, rollenbasierte Stelen erzeugt werden. Nach einer Übergangsphase ist für das QI/2021 geplant (Vision), einen „BIM-Store“ zur Verfügung zu stellen. In diesen Stores sollen die notwendigen Ressourcen on demand zur Verfügung gestellt werden, wobei BIM-Rollen/Ausstattungen bereits stark vorkonfiguriert sein sollen. Auch individuelle BIM-Services beziehungsweise Spezialsoftware werden nach Bedarf zur Verfügung gestellt.
Neuartiges Roadmapping
Bei dem Thema BIM gilt die Deutsche Bahn schon heute als Vorreiter, dennoch ist die Implementierung eine Pionierarbeit. Wichtig ist für die DB Systel auch, dass dieser Prozess bis 2021 regelmäßig evaluiert, kritisch bewertet und gegebenenfalls auch flexibel angepasst wird. Daher geht das Unternehmen auch neue Wege bei Methoden und Strategien. Zum Beispiel werden regelmäßige Swot-Analysen implementiert und anhand deren Ergebnisse auch konkrete Handlungs- und Problemlösungsstrategien entwickelt. „Die klassische Denke, bei der überlegt wird, wie ein festes Ziel möglichst effizient erreicht werden kann, muss damit überarbeitet werden“, so Stephan Wrede. Auch Fehler müssen demnach erlaubt sein und toleriert werden. Für die DB Systel sollen sich organisatorische Rahmenbedingungen ändern, vor allem bei Bereitstellung und Abrechnung der Leistungen. Ziel ist es beispielsweise, nutzerbezogene Abrechnungen oder auch pay-peruse zu etablieren. „Diese Form ist für Anbieter und Anwender gleichermaßen wirtschaftlich und bringt für alle Beteiligten eine Win-Win-Situation“, ist Wrede überzeugt. Die Lösung ist für Infrastrukturbetreiber gedacht. „In dieser Form gibt es dies auf dem Markt noch nicht“, sagt Wrede. Sie soll auch für andere Bahn-Unternehmen und Infrastrukturbetreiber grundsätzlich anwendbar sein.