Die Auskunftsprozesse bei der GASCADE Gastransport GmbH haben sich in den letzten Jahren stark verändert: sie konnten auf Basis des BIL-Portals gleichermaßen reduziert wie auch effizienter gestaltet werden.
Das reine Zahlenspiel erfreut jeden Netzbetreiber: Seit Beginn der Erteilung von Leitungsauskünften erlebte der Ferngasleitungsnetzbetreiber GASCADE einen kontinuierlichen Anstieg der eintreffenden Planungs- und Bauanfragen Dritter in einer Größenordnung von 10 bis 15 Prozent pro Jahr, welcher im Jahr 2015 seinen absoluten Höchststand erreichte. Seitdem verringerte sich das Gesamtvolumen der zu bearbeitenden Anfragen tatsächlich um mittlerweile rund 30 Prozent, obwohl gleichzeitig die Planungs- und Bauaktivitäten in Deutschland in erheblichem Umfang zugenommen haben. Wie kam es zu diesem scheinbar paradoxen Phänomen?
Frühzeitige Weichenstellung
Um diese Frage zu beantworten, muss man ins Jahr 2016 zurückblicken: Damals startete das Bundesweite Informationssystem zur Leitungsrecherche (BIL). Am Aufbau des Anfrageportals durch den Betreiber, die BIL eG, war die GASCADE unmittelbar beteiligt; gleichzeitig aber auch Teilnehmer der ersten Stunde. Bereits zum Start des Portals hatte GASCADE eine Standard-BIL-Schnittstelle im Einsatz. Diese hatte das Systemhaus GEOMAGIC zwischen dem Portal und dem Web-GIS-System (GeoNAM) des Fernleitungsbetreibers realisiert. „Uns war klar, dass wir damit einen komplett durchgängigen, digitalen Auskunftsprozess und medienbruchfreien Kommunikationsweg umsetzen können, der viele Optimierungspotenziale bietet“, sagt Christoph Ketteler, Leiter Leitungsrechte und -dokumentation bei GASCADE in Kassel.
Rückgang des Anfragevolumens durch BIL
Die Vorteile dieses Konzeptes wurden schnell sichtbar. Vor dem BIL-Start waren die Auskunftsanfragen formal heterogen und erreichten GASCADE über verschiedenste Kommunikationskanäle. Durch BIL wurde dieser Prozess zentralisiert, automatisiert und kann so wesentlich effizienter bearbeitet werden. Die Anfragedaten, die Prozessschritte und die Antwortinhalte werden zudem auf einem Server gespeichert und liegen somit revisionssicher vor.
Mit BIL konnte das Unternehmen vor allem auch den Aufwand für sogenannte Nullbescheide minimieren. Dies sind Rückantworten auf Bau- oder Planungsanfragen zu Orten, an denen GASCADE keine Leitungen betreibt. Da die Zuständigkeitsflächen des GASCADE-Leitungsnetzes, also die Gebiete mit vorhandenen Leitungen, im BIL-Portal hinterlegt sind, werden Nullbescheide automatisch über das Portal an den Anfragenden kommuniziert. Die GASCADE hat dadurch null Bearbeitungsaufwand. „Die Mitarbeiter können sich somit verstärkt auf ihre Kernaufgaben konzentrieren, etwa auf die zeitnahe und qualifizierte Prüfung und Beantwortung betroffener und standardisierter Anfragen“, so Ketteler.
Gleichzeitig erhielt das Unternehmen ab 2016 eine deutlich steigende Anzahl relevanter Treffer zur Beauskunftung. „So können wir Baumaßnahmen sofort identifizieren und qualitätsgesichert beantworten, was unseren Anspruch an die Wirksamkeit von Präventionsmaßnahmen im Kontext der Leitungssicherheit wirksam bestätigt“, erklärt Ketteler. Gäbe es kein BIL-Portal, hätte GASCADE im Jahr 2020 schätzungsweise doppelt so viele Anfragen bearbeiten müssen, was mit den vorhandenen Personalressourcen niemals möglich gewesen wäre.
Spezialfall: Anfragen der Öffentlichen Hand
Im Jahr 2020 beispielsweise kamen rund 45 Prozent der Anfragen über das BIL-Portal – ein überragender Wert aus Sicht von GASCADE. Nichtsdestotrotz stammt nach wie vor rund ein Drittel aller Anfragen von der Öffentlichen Hand. Behörden und Kommunen recherchieren dabei meist im Umfeld von Themen wie beispielsweise Flächennutzungsplanung, Bauleitplanung oder Flurbereinigung nach vorhandenen Leitungen. Diese Anfragen kommen dann meist noch auf herkömmlichen Kanälen an – und sogar häufig in Papierform. „Diese analogen Anfragen bedeuten für uns einen erheblichen operativen Aufwand“, berichtet Ketteler.
Doch die Weichen, auch diese Bearbeitungslast zu minimieren, sind gestellt. Ein Grund dafür findet sich im Sommer 2020, als die BIL eG in diesem Zusammenhang eine Partnerschaft mit der tetraeder.com GmbH geschlossen hat. Das Dortmunder Unternehmen betreibt den Planungsinformations- und Beteiligungsserver (PB). Dies ist ein Online-Service, auf dem Kommunen alle ihre planungsrelevanten Daten zur Verfügung stellen. Über den PB werden jährlich rund 15.000 planungsrelevante Prozesse abgewickelt. Dazu gehören vor allem Beteiligungsverfahren der Öffentlichkeit, aber auch Recherchen von Kommunen und deren Dienstleistern zu vorhandenen Leitungen in den betroffenen Gebieten.
Im Rahmen eines Kooperationsansatzes haben die BIL eG und tetraeder.com eine systemische Kopplung des PB und dem BIL-Portal realisiert. Über eine Schnittstelle werden Planungsanfragen folglich digital anstatt in Papierform und automatisiert über BIL geführt. Die Zuständigkeitsprüfung geschieht in kürzester Zeit und wird bei positivem Bescheid sofort an den Netzbetreiber weitergeleitet. Für die GASCADE bedeutet dies, dass Anfragen der Öffentlichen Hand nun über BIL getätigt werden können. „Zum einen sparen wir hier wieder einen ganz erheblichen Anteil an Nullbescheiden und zum anderen haben wir seit Mitte 2020 bereits erste betroffene Behördenanfragen standardisiert und vollständig digitalisiert über BIL bekommen, was uns die Arbeit bereits spürbar vereinfacht hat“, so Ketteler.
Außerdem gibt es seit Kurzem auch im BIL-Portal einen expliziten Einstieg für öffentliche Anfragen, der sich an Kommunen richtet, die nicht über den PB-Server vernetzt sind (was immer noch die Mehrheit deutscher Kommunen ist). Im Portal können Anfragen vom neuen Typ „Behördliche Planung“ gestellt werden. „Insgesamt stellen diese beide Wege für die Öffentliche Hand ein äußerst komfortables Werkzeug zur Verfügung, von dem wir hoffen, dass es sich schnell etabliert“, resümiert der Leiter Leitungsrechte und -dokumentation bei GASCADE.
Massenanfragen von Übertragungsnetzbetreibern
Will man die vielfältigen Effizienzgewinne der GASCADE im Bereich Leitungsauskunft an einem Einzelfall verdeutlichen, eignet sich eine kürzlich eingetroffene Anfrage eines großen Stromnetzbetreibers. Das Unternehmen hatte eine Auskunft für sein gesamtes Versorgungsnetz eingeholt, um zu erfahren, wo sich Strom- und Gasleitungen kreuzen beziehungsweise in unmittelbarer Nähe verlaufen. Hintergrund sind Untersuchungen zum witterungsabhängigen Freileitungsbetrieb (WAFB), um im Rahmen der Energiewende größere Mengen an Strom zu transportieren. Dies kann jedoch Rückwirkungen auf den kathodischen Korrosionsschutz (KKS) der Ferngasleitungen haben, weshalb diese lokal genau geprüft werden müssen. Für solche Massenanfragen hatte die BIL eG bereits vor zwei Jahren ein spezielles Verfahren entwickelt. „Diese Anfrage hätte uns früher erheblichen Auskunftsaufwand beschert, dieses Mal konnten wir innerhalb weniger Tage eine entsprechende Auskunft an den Stromnetzbetreiber erteilen und den Vorgang an unsere KKS-Kollegen zur weiteren fachlichen Bearbeitung übergeben“, beschreibt Ketteler. (sg)