Mit SNAP hat MITNETZ STROM den Auskunftsprozess für Netzanschlüsse drastisch verkürzt. Das gemeinsam mit Fichtner IT Consulting entwickelte Tool soll künftig noch detailliertere Informationen liefern und so die Energiewende weiter beschleunigen.
Wo sind mögliche Netzanschlüsse für Solaranlagen? Welche Kosten entstehen für den Netzanschluss und über welche Grundstücke müssen die Trassen gegebenenfalls verlaufen? Diese Fragen sind für Projektentwickler von EEG-Einspeiseanlagen, aber auch für Standortplaner, die große Stromverbraucheranschlüsse planen müssen, äußerst relevant. Und sie können Projekte in die Länge ziehen. Auch wenn man das Tempo der Energiewende beschleunigen und neue Anlagen schnell bauen will, ist man auf die Antworten der Netzbetreiber angewiesen. Das dauert oft Wochen, weil die Netzbetreiber aufwändige Berechnungen und Prozesse durchlaufen müssen, bevor sie eine fundierte und technisch belastbare Auskunft geben können.
Integration von Flurkarten
Eine wichtige Fragestellung für Planer ist es, welche Grundstücke von einer mögliche Anschlussleitung durchkreuzt werden. Daher sind bei SNAP Flurkarten hinterlegt, also ein Standardkartenprodukt aus dem amtlichen Liegenschaftsinformationssystem (ALKIS). Bei den ersten Projektaktivitäten im Jahr 2019 standen diese Karten noch kostenpflichtig zur Verfügung, doch an dieser Stelle hat sich viel getan. Das Versorgungsgebiet der MITNETZ STROM umfasst vier Bundesländern, von dreien stehen die Daten inzwischen als Open Source Datensätze innerhalb von SNAP zur Verfügung. Nur für Sachsen-Anhalt ist das im Moment noch nicht möglich.
Doch es gibt auch Ausnahmen bei der Beantragung eines Netzanschlusses. Zum Beispiel bei MITNETZ STROM, dem größten Verteilnetzbetreiber in Ostdeutschland, wo Interessenten auf Knopfdruck eine Auskunft erhalten. Seit 2020 ist dafür das System SNAP (Schnelle Netzanschlussprüfung) im Einsatz, das nicht nur Aussagen zu den Anschlussmöglichkeiten liefert, sondern gleichzeitig eine indikative Wirtschaftlichkeitsbetrachtung der gesamten Anschlussinfrastruktur inklusive optimierter Trassenvorschläge für den Leitungsverlauf.
Die möglichen Netzverknüpfungspunkte werden für Anlagen im Leistungsfenster von 135 Kilowatt bis zehn Megawatt im Bereich der Mittelspannung benannt — für Einspeiser und seit 2022 auch für Strombezieher. Die Basisversion ist kostenfrei, seit 2021 gibt es auch eine kostenpflichtige Pro-Version. SNAP wurde bisher mehr als 50.000 mal genutzt. In der Standardversion erhalten Nutzer:innen dabei „nur“ eine Luftlinie zum nächstmöglichen Anschlusspunkt. In der kostenpflichtigen Pro-Version erhält man drei konkrete Trassenvorschläge inklusive der Kosten auf Knopfdruck gezeigt. Das Tool, das von Fichtner IT
Consulting im Auftrag entwickelt wurde, ist modulbasiert, demnach beliebig skalierbar und individuell anpassbar.
SNAP ist sehr intuitiv und erfordert nur minimale Eingaben. Lediglich Anlagenstandort und Leistungsparameter müssen eingegeben werden, Anschlussmöglichkeiten, optionale Leitungsverläufe und kosten werden automatisch ausgegeben. Damit hat sich auch ein neuer Typus an Anfragenden herausgebildet, nämlich Planer:innen, Entscheider:innen und Strateg:innen, die solche Anfragen bisher delegieren oder beauftragen mussten. MITNETZ STROM hat einen Kurzfilm zu dem Service mit dem Claim „Die Sonne geht auf im SNAP-Land“ versehen.
„SNAP ist nicht nur ein voller Erfolg, wir wüssten auch gar nicht, wie wir die seit 2019 rasant steigenden Zahlen an Anfragen ohne die Anwendung hätten beantworten können“, sagt Torsten Emisch, Projektleiter bei MITNETZ STROM. Der Ausbau der Ladeinfrastruktur oder die Integration von Speichern ins Netz vermehren das Anfrageaufkommen nochmals exponentiell.
SNAP ist ein SaaS-Dienst. MITNETZ STROM hostet ihn im eigenen Rechenzentrum und stellt ihn auch anderen Versorgern zur Verfügung. Nutzer sind vor allem andere Versorger aus dem E.ON-Konzern, zum Beispiel die Bayernwerk AG oder die Lechwerke AG. SNAP wird zukünftig auch international eingesetzt, zum Beispiel in Tschechien.
MITNETZ STROM hat das Portal bereits häufig in der Öffentlichkeit vorgestellt, unter anderem im politischen Kontext, wo es auch viel Beachtung fand. Bei den eigentlichen Genehmigungsprozessen im Bereich Netzanschluss hatte es im letzten Jahr auf Initiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz der Bundesrepublik Deutschland schließlich ein Gesetz zur Digitalisierung für die Genehmigung des Netzanschlusses (mit Schwerpunkt auf die Niederspannung) gegeben. Für die Anfrage- und Auskunftsprozesse zu möglichen Netzanschlüssen in der Mittelspannung, wie sie SNAP adressiert, stehen solche Gesetzes-Initiativen derzeit noch aus.
Und der Bedarf ist groß. Die Idee zu SNAP entstand bereits 2019 als das Geschehen rund um die Netzanschlüsse stark anstieg. Die Netzbetreiber konnten diese mit dem vorhandenen Personal und einfachen, wenig digitalisierten Prozessen kaum noch bewältigen. „Heute sehen wir, dass wir die Chancen der Digitalisierung bereits stark mobilisiert und in konkrete Mehrwerte übersetzt haben“, sagt Emisch, der bei MITNETZ STROM hauptverantwortlich für die Projektvorbereitung Mittel- und Niederspannung Brandenburg ist.
Ein Grund für den Erfolg ist auch die Praxisnähe der Lösung. MITNETZ STROM hat von Anfang an mit vielen Akteuren gesprochen, die sich nach Netzanschlussmöglichkeiten erkundigt und deren Bedarf ermittelt haben. „Im Laufe des Projekts wurde das Konzept des agilen, nutzerorientierten Vorgehens weiter gepflegt, so dass SNAP immer wieder optimiert wurde“, sagt Lukas Ketterer, Projektleiter bei der Fichtner IT Consulting. Im Jahr 2021 wurde es beispielsweise komplett neu gestaltet. Ständig kommen neue Funktionen hinzu. So können die Nutzerinnen und Nutzer die Routingfunktionen in der Pro-Version frei editieren, d.h. man kann alle möglichen Trassen frei definieren, um z.B. Hindernisse wie Bahnlinien, Gewässer oder Autobahnen zu berücksichtigen.
Doch der Weg für die MITNETZ STROM ist noch nicht zu Ende. Ziel ist es, den Auskunftsprozess soweit zu bereichern, dass eine zukünftige netztechnische Stellungnahme auch ingenieurtechnischen und planerischen Anforderungen genügen kann. Das heißt: Fragen zum Netzanschluss werden auf Grundlage immer detaillierter Daten ausgewertet, so dass zum Beispiel metergenau lokalisiert werden kann, wo ein Anschluss liegt und welche Einspeisung und welcher Verbrauch bis auf ein Megawatt genau realisiert werden kann (was bereits heute in der Pro-Version sehr genau möglich ist). „Die Dokumente aus den Fragen um die Anschlussmöglichkeiten gehen dann auch in die Finanzierungsunterlagen ein, je verbindlicher sie sind, desto mehr können auch an dieser Stelle Prozesse beschleunigt werden“, sagt Emisch mit Blick auf die Energiewende.
Für MITNETZ STROM heißt dies, die beiden Systemwelten des Netzes, die elektrische und die GIS-basierte, zu verbinden. Ebenso will man die Netzberechnung auf einen echtzeitorientierten Prozess bringen. Bisher sind die Anschlusskapazitäten vorberechnet. Dies geschieht einmal täglich (über Nacht). SNAP ist über eine Standardschnittstelle an die Netzberechnung angebunden. In Zukunft sollen auch bei Anschlüssen von Verbrauchern Reservierungskriterien für die Netzanschlüsse berücksichtigt werden.
https://snap.mitnetz-strom.de/
MITNETZ STROM
Die Mitteldeutsche Netzgesellschaft Strom mbH (MITNETZ STROM) mit Sitz in Kabelsketal ist eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der envia Mitteldeutsche Energie AG (enviaM). Als größter regionaler Verteilnetzbetreiber in Ostdeutschland ist MITNETZ STROM unter anderem für Planung, Betrieb und Vermarktung des enviaM-Stromnetzes verantwortlich. Das durch die MITNETZ STROM betreute Stromverteilnetz hat eine Länge von fast 73.000 Kilometern und erstreckt sich über Teile der Bundesländer Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.
Netzanschlussprozesse mit Fichtner IT Consulting
Mit dem Fichtner Digital Grid bietet Fichtner IT Consulting eine informationszentrierte Konsolidierungsplattform. Die Netzlösung verknüpft technische, kommerzielle und geografische Daten. Eines der Module der Plattform ist EasyConnect, das wie SNAP eine schnelle und einfache technische Prüfung von Anschlussanfragen für EE-Anlagen oder E-Mobilität in elektrischen Verteilnetzen der Mittel- und Niederspannungsebene bietet. „Es hat aber aufgrund der Integration mit dem Fichtner Digital Grid funktional mehr Möglichkeiten“, sagt Lukas Ketterer. So beherrscht es beispielsweise bereits die Netzberechnung in Echtzeit, die im Rahmen einer Kooperation mit DIgSILENT, dem Hersteller des Berechnungstools PowerFactory, entwickelt wurde.