Projekt in Hanau simuliert den Einsatz alternativer Antriebe im Straßenverkehr.
Sollte in E-Fahrzeuge investiert werden und wenn ja, in welche Art von Fahrzeugen konkret? Welche Vorteile ergeben sich für die kommunale Flotte? Um diese und weitere Fragen zu beantworten hat das Research Lab for Urban Transport (ReLUT) der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS) in den vergangenen zwei Jahren das Forschungsprojekt SimCityNet wissenschaftlich begleitet. Das vom Land Hessen geförderte Projekt wurde im Verbund mit mehreren Partnern der Stadt Hanau umgesetzt. Kooperationspartner waren die Hanauer Straßenbahn GmbH (HSB), Hanau Infrastruktur Service (HIS) und die Hanau Wirtschaftsförderung GmbH (HWG) sowie als Konsortialführerin die in Hanau ansässige Simulationsdienstleisterin SimPlan AG. Im Projekt wurde ein digitaler Zwilling des Hanauer Straßennetzes erstellt, mit dem sich die Potenziale von alternativ angetriebenen Fahrzeugen im öffentlichen Personennahverkehr und kommunalen Entsorgungsbetrieben simulieren lassen.
Das Projekt setzt vor allem die Potenziale von batterieelektrisch betriebenen Bussen und Brennstoffzellenbussen im Linienverkehr sowie entsprechenden Nutzfahrzeugen in städtischen Entsorgungsbetrieben. „Diese Bereiche bieten bei der Verkehrswende eine große Chance, da sich die täglichen Laufleistungen der Fahrzeuge sehr gut abschätzen lassen“, erläutert Prof. Dr. Josef Becker vom Fachbereich Architektur, Bauingenieurwesen, Geomatik der Frankfurt UAS und im ReLUT-Team zuständig für Schienenverkehrswesen und öffentlichen Verkehr.
Die Konzeption eines Simulationsmodells erforderte zunächst eine umfassende Analyse und Datenerhebung der aktuell bestehenden Prozesse beider Hanauer Praxispartner. Hierbei wurden unter anderem Routenplanungen und Fahrpläne optimiert und Einsparpotenziale im Bereich von lokalen Emissionen identifiziert. Darauf aufbauend wurden entsprechende Soll-Konzepte entwickelt, die den möglichen Einsatz alternativ angetriebener Fahrzeuge für die Zukunft beschreiben.
Daraufhin wurden die neuen Prozesse in das Verkehrsmodell implementiert und validiert. Für die Simulation von unterschiedlichen Szenarien erfolgt eine Parametrisierung einflussnehmender Parameter durch den Modellnutzer. Hierzu zählt u.a. die zu simulierende Flottengröße, Antriebstechnologie, Ladeinfrastruktur, Lademanagement und Witterung. Da bei heutigem Stand der Technik die Reichweite der batterieelektrischen Fahrzeuge teilweise nicht ausreicht, um alle planmäßigen Fahrten des Busses an einem Tag ohne zwischenzeitliches Laden zu absolvieren, wurden mittels Algorithmen neue Umläufe im Abgleich mit der gewählten Referenzreichweite der Fahrzeugmodelle ermittelt.
Neben der Visualisierung der Prozesse im Verkehrsmodell wurden während der Simulationsberechnung permanent Auswertungen und Statistiken zu den gefahrenen Umläufen/Touren und Fahrzeugen (z.B. Energieverbrauch, gefahrene Strecke, Ladezustand) erfasst. Damit konnten nicht nur die Fahrten simuliert werden, sondern auch die Ladevorgänge. Somit konnten auch notwendige Hinweise zur Dimensionierung der Energieversorgung aufgezeigt werden.
Grenzen liegen in hohem Invest und der Verfügbarkeit von Wasserstoff
„Die Ergebnisse zeigen, dass die Umstellung der Flotte von konventionellen Antrieben auf eine Brennstoffzellen-Flotte zu keiner betrieblichen Veränderung gegenüber dem Ist-Ablauf führt, aufgrund ausreichender Fahrzeugreichweiten sowie vergleichbar kurzen Tankzeiten. Die Implementierung einer größeren Anzahl an Brennstoffzellenfahrzeugen ist allerdings auch mit einem erheblichen finanziellen Mehrbedarf verbunden, sowie der Frage nach einer überhaupt ausreichend verfügbaren Anlieferung und Speicherung von Wasserstoff auf dem Betriebshof“, so Prof. Dr. Kai-Oliver Schocke vom Fachbereich Wirtschaft und Recht der Frankfurt UAS.
Um den Busbetrieb mit batterieelektrischen Fahrzeugen aufrecht zu erhalten, ist eine Anpassung der Einsatzpläne der einzelnen Fahrzeuge zwingend erforderlich. „Kurz- bis mittelfristig können eine Vielzahl der bestehenden Umläufe von batterieelektrischen Fahrzeugen übernommen werden. Die begrenzten Reichweiten führen langfristig allerdings zu einem signifikanten Mehrbedarf an Fahrzeugen“, so Schocke. „Bei den Abfallbetrieben wird bei einem Mix von Elektro- und Wasserstoffantrieb die Anzahl der Fahrzeuge allerdings nicht verändert.“
Digitaler Zwilling maßgeschneidert
„Der digitale Zwilling wurde so erstellt, dass er grundsätzlich auf andere Anwendungsfälle übertragbar und um andere Aspekte wie etwa Logistik erweiterbar ist“, gibt Becker einen Ausblick in die Zukunft. Er bettet das Hanauer Projekt zudem in den Gesamtzusammenhang der deutschen Klimaziele ein, die Treibhausgasemissionen deutlich zu reduzieren. Große Potenziale lägen dabei im Verkehrssektor und speziell in der Elektrifizierung von Kraftfahrzeugantrieben. Weit schwieriger als der Test einzelner Fahrzeuge sei es zu bewerten, wie sich ein umfassender Umstieg von größeren Teilen oder gar der gesamten Flotte eines Verkehrsunternehmens von Dieselbussen auf solche mit alternativen Antrieben auswirke. „Während die drängende Frage nach den Emissionseinsparungen mit herkömmlichen Verfahren noch beantwortbar scheint, sind Fragestellungen des operativen Betriebs bislang in weiten Teilen unbeantwortet. Mit dem Zwilling können wir diese Wissenslücke schließen.“