Das Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG) arbeitet zusammen mit Fachbehörden aus Bund und Ländern an einer deutschlandweiten Hinweiskarte zu Starkregengefahren.
Als Folge des Klimawandels treten meteorologische Extremereignisse häufiger und immer heftiger auf. Hitze, Dürre, Sturm und Hagel sowie Dauer- und Starkregen nehmen aufgrund der weltweiten Veränderungen unseres Klimas nachweislich zu. In 2021 ereignete sich nicht zuletzt auch als Folge dieser globalen Entwicklung eine der schwerwiegendsten Naturkatastrophen in der Bundesrepublik Deutschland: die Überflutungen im Süden und Westen, vor allem in den Tallagen des Erft- und Ahrtals.
Der Staat und seine Organe müssen auf solche Ereignisse gut vorbereitet sein, um Menschen und Güter bestmöglich schützen zu können. Hierzu gehört es, relevante Informationen für präventive Maßnahmen sowie ein wirksames Katastrophenmanagement bereitzustellen. Für beides ist es wichtig zu wissen, in welchen Gebieten und in welchem Ausmaß potentiell die größten Gefahren drohen.
Eine entscheidende Bedeutung haben hierbei regionalisierte Daten, sprich Geodaten, wie sie im BKG und vielen Fachbehörden von Bund und Ländern vorliegen. Relevant im Zusammenhang mit Starkregen sind die amtlichen Geodaten des BKG und der deutschen Landesvermessung über Gelände, Topographie und Nutzung sowie die bundesweit vorliegenden Beobachtungsdaten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) über die Niederschläge der vergangenen Jahrzehnte.
Umwelt- und Wasserwirtschaftsverwaltungen sowie weitere Fachbehörden des Bundes, insbesondere aus dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) halten weitere abflussrelevante Daten vor. Hierzu gehören Daten und Informationen unter anderem über wasserbauliche Bauwerke wie Durchlässe, Brücken, Schöpf- oder Pumpwerke.
Einheitliche Modellierung
„Mit einem einfachen Overlay dieser Daten ist es allerdings nicht getan. Es ist vielmehr notwendig, sie in ein komplexes hydrodynamisches Abflussmodell zu integrieren“, so Dr. Martin Lenk, Leiter der Abteilung Geodienstleistungen am Bundesamt für Kartographie und Geodäsie. Mit solch einem Modell soll es möglich sein, unterschiedliche Überflutungsszenarien für verschiedene Niederschlagsereignisse zu simulieren. Hierfür hat das BKG Dienstleister verpflichtet, die auf der Grundlage der gelieferten Daten und einem einheitlichen Methodenset für alle Kartierungen, die notwendigen hochkomplexen Simulationsmodelle durchführen.
Aktuelle Situation in Deutschland
In Deutschland existieren bereits für viele Gebiete unterschiedliche Starkregenkarten. Zumeist geben einzelne Kommunen oder Länder sie in Auftrag. Die Karten liefern wichtige Hinweise über die Risiken, die von extremen Starkregen-Ereignissen ausgehen. Sie decken aber nur Teile des Bundesgebietes ab und unterscheiden sich teilweise in den zugrunde liegenden Daten, Annahmen zu Berechnungsmethoden sowie in den Kartendarstellungen.
Professor Paul Becker, Präsident des BKG, sagt dazu: „Aktuell verbleiben großflächige Gebiete, für die es keine Karten gibt. Außerdem machen Starkregen und Sturzfluten keinen Halt vor administrativen Grenzen. Daher benötigen wir eine Karte mit vergleichbaren Ergebnissen für das gesamte Bundesgebiet.“ „Solche Unterschiede machen es schwierig, präventiv oder in einer akuten Katastrophenlage grenzübergreifende Maßnahmen einzuleiten“, ergänzt Lenk. Es bedürfe einer durchgängigen Karte der Gesamtfläche Deutschlands, die nach einheitlichen Grundsätzen erarbeitet wurde. „Wie wichtig eine solche grenzüberschreitende Karte ist, zeigte nicht zuletzt die Flutkatastrophe in 2021“, so der Geodaten-Experte weiter.
Starkregenkarten des BKG
Bereits im Jahr 2019 hat das BKG ein Pilotprojekt initiiert und eine landesweite Karte zu Starkregengefahren in Nordrhein-Westfalen (NRW) erstellt. Hierfür kooperierte das BKG mit den zuständigen Umwelt- und Vermessungseinrichtungen des Landes. Die Karten sind seit Oktober 2021 frei im Geoportal Deutschland zugänglich: www.bkg.bund.de/starkregen-nrw. Sie wurden außerdem im Klimaanpassungsportal von NRW veröffentlicht: https://www.klimaatlas.nrw.de/klima-nrw-pluskarte.
Die für NRW erstellte Karte zeigt die simulierten Überflutungsflächen mit Fließtiefen und -geschwindigkeiten für seltene und extreme Niederschlagsereignisse. Die Ergebnisse sind einfach und verständlich für die Öffentlichkeit, für Fachexperten und Einsatzkräfte als Web-Karte frei und offen verfügbar. „Die Deutschlandkarte ist eine notwendige Ergänzung und ein Bindeglied zu den lokal im Detail konkreten, aber nur vereinzelt vorliegenden `Vor-Ort-Karten`“, beschreibt Lenk.
Weitere Bundesländer folgen
Im Oktober 2021 startete das BKG das Folgeprojekt. In diesem werden weitere Bundesländer modelliert und kartiert. Hierzu gehören Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen. Die genannten Länder, ein Expertennetzwerk des BMDV und die Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser wirken in einem Projektbeirat aktiv mit. Das Projektende ist für das vierte Quartal 2023 vorgesehen.
Gleichzeitig arbeitet das BKG mit seinen Partnern daran, wie eine deutschlandweite Karte bis 2024/2025 fertiggestellt werden kann. „Das Projekt des BKG deckt sich mit dem Ziel der Bundesregierung, notwendige Maßnahmen für die Klimaanpassung Deutschlands aktiv voranzutreiben“, so Martin Lenk. Im laufenden Koalitionsvertrag sind bundesweite Standards vorgesehen. Mithilfe dieser lassen sich die Hochwasser- und Starkregenrisiken als Voraussetzung für Gefahrenkarten einheitlich bewerten. Mit dem Projekt des BKG kann die Bundesregierung dieses Ziel bis zum Ende der Legislaturperiode erreichen. Parallel werden die Weichen für die Zukunft gestellt. Mit dem vom BKG initiierten Vorhaben „Digitaler Zwilling Deutschland“ soll es mittel- und langfristig möglich sein, auch auf der Grundlage aktueller Niederschlagsvorhersagen kurzfristige Prognosen für das Überflutungsgeschehen durch Starkregen zu treffen. (sg)