In einem Forschungsprojekt rund um den Bodensee wird untersucht, wie aus der Verschmelzung eines DLM und klassifizierten Punktwolken ein 3D-DLM automatisch erzeugt werden kann.
In einem internationalen Forschungsprojekt rund um den Bodensee wird ein Digitales Landschaftsmodell mit 3D-Objekten modelliert. Dieses 3D-DLM enthält neben dem üblichen 2D-DLM nicht nur ein Geländemodell (auch als 2,5-DLM bezeichnet), sondern zusätzlich auch dreidimensionale Körper. Diese stammen aus den Digitalen Oberflächen- und Geländemodellen (DGM, DOM) und werden in CityGML modelliert. Das 3D-DLM soll dazu auch semantisch modelliert werden, sprich alle Objekte werden nach thematischen und funktionalen Aspekten strukturiert.
Das Projekt ist eine thematische Ergänzung zu dem Vorhaben der AdV bis 2020 neben Wohn- und Arbeitsgebäuden auch Brücken, Dämme, Windenergieanlagen und vieles weitere mehr deutschlandweit in 3D zu modellieren. Geleitet wird das Projekt vom Runden Tisch GIS e.V. in München. Auftraggeber sind das österreichische Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen (BEV), das Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung Bayern (LDBV), das Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung Baden-Württemberg (LGL) sowie in beratender Funktion das Bundesamt für Landestopographie der Schweiz swisstopo. Partner sind der Lehrstuhl für Geoinformatik der TU München und die Firma M.O.S.S. Computer Grafik Systeme GmbH.
Damit werden verschiedene Modelle zusammengeführt, die bisher von den jeweiligen Bodenseeanrainerländern getrennt geführt werden. In der Schweiz, wo man sich bereits seit längerem auf einen landesweiten 3D-Ansatz bei den Geobasisdaten verständigt hat, wird bereits mit dem swissTLM 3D ein dem 3D-DLM entsprechendes Produkt angeboten. In Vorarlberg wird aktuell eine Machbarkeitsstudie durchgeführt. Bayern und Baden-Württemberg haben neben dem DGM und hochaufgelösten DOMs 3D-Gebäudemodelle als Produkt. In der Initiative Baden- Württemberg 4D sollen Geoinformationen sowohl um die dritte Dimension als auch um zeitliche Aspekte erweitert werden. Hintergrund des Projektes ist dabei die Erweiterung der amtlichen Geobasisdaten, die bisher noch überwiegend als 2D-Daten erfasst und fortgeführt werden, um eine 3D-basierte Arbeitsweise. Europaweit existiert der Trend zur dreidimensionalen Datenführung der amtlichen Daten, wenn auch bisher in Deutschland begrenzt auf wenige Objektarten wie Gebäude. Doch die Weichen sind gestellt. In der Version 7 der GeoInfoDok der Arbeitsgemeinschaft der Vermessungsverwaltungen (AdV) beispielsweise ist die 3D-Datenführung bereits optional aufgeführt. Aktuell hat die AdV beschlossen, bis 2020 mehr als 30 neue 3D-Objektklassen bei ALKIS/ ATKIS zu schaffen. Nicht nur Gebäude, sondern auch Brücken, Türme, Windenergieanlagen, Mauern oder Staudämme sollen erfasst werden. Zudem ändern sich aktuell in manchen Bundesländern bereits die Vorschriften für die Erfassung. Man folgt nicht mehr uneingeschränkt dem Prinzip „2D First“. Inzwischen werden Katasterdaten auch schon aus Luftbildern sowie bildbasierten 3D-Punktwolken aktualisiert. Man ist sich dabei den Einschränkungen bei der Genauigkeit bewusst, die Vorteile in Bezug auf Effizienz bieten. Kosten und Aktualität werden aber vielerorts als wichtiger bewertet.
In der Erfassung der amtlichen Geobasisdaten könnte sich ein zukünftiger Paradigmenwechsel ankündigen, bei dem 3D- nicht mehr zwangsläufig aus 2D-Daten abgeleitet werden. Man nutzt könnte die in der Geoinformatik verfügbaren Methoden und Softwarelösungen im 3D-Umfeld demnach nutzen, um Prozesse und Angebot amtlicher Geodaten zu modernisieren.
Das Projekt verfolgt genau diese Stoßrichtung und leistet Pionierarbeit. „Die Intention ist zu überprüfen, inwiefern heute mit den verfügbaren Lösungen und Prozessen erste praxisrelevante Workflows umgesetzt werden können“, sagt Philipp Willkomm, Leiter des Geschäftsbereichs Geotopographie & 3D bei M.O.S.S.. Ebenso wird evaluiert, welche Ergebnisse mit den heute verfügbaren Daten zu erzielen sind und wie detailliert Gebäude, Brücken und weiteren Bauwerke, die im bisherigen amtlichen 3D-Datenbestand nicht berücksichtigt waren, in das DLM in 3D integriert werden können. Zusätzliche Entwicklungsleistungen waren innerhalb des Projekt- Finanzrahmens nicht vorgesehen. Infolge unterschiedlicher Methoden für die Erfassung, Verarbeitung und Modellierung weisen das zweidimensionale DLM und das DGM Inkonsistenzen auf. Eine einfache Überlagerung führt zu geometrisch und semantisch fehlerhaften Ergebnissen. So fehlen im DGM in der Regel Informationen über die Höhe von Brücken, und Geländeeinschnitte, in denen sich ein Fluss befindet, weichen von der Lage des Flusses in den Vektordaten ab.
Das Projekt ist in mehrere Projektphasen untergliedert. In der bereits Anfang 2017 abgeschlossenen Projektphase 1 wurden Anwendungsszenarien, Datenmodellierung und Methoden der Transformation bearbeitet. In der zweiten sogenannten Demonstrationsphase, deren Abschlussbericht im März vorgestellt werden soll, wurde bereits ein konsistentes 3D-DLM erstellt. Und dafür konnte bereits durch Zusammenführung der Datensätze eine lückenlose Beschreibung der Landschaftsoberfläche erstellt werden. „Sie ist als Grundlage unumgänglich für weitere Anwendungen des 3D-DLM”, sagt Willkomm. Beispielsweise müssen 3D-Körper wie Brücken oder Straßen lücken- und widerspruchslos in das umgebende Gelände eingepasst werden, damit sie in Anwendungen wie etwa Hochwassersimulationen sinnvoll genutzt werden können.
Diese Verschmelzung geschah in einem vollautomatisierten, regelbasierten Prozess. Dafür wurde das Open-Source-Programm 3Dfier, das von der TU Delft stammt und speziell für die Erstellung großer 3D-Datensätze entwickelt wurde, eingesetzt. Es erzeugt eine CityGML-Datei aus einem 2D-DLM und einer Punktwolke. „Damit konnte das Testgebiet problemlos in überschaubarer Zeit bearbeitet werden“, berichtet Willkomm. Für das 254 Quadratkilometer große Gebiet benötigte es 110 Minuten, mit möglicher Parallelisierung noch erheblich weniger – womit eine Eignung für Daten auf Bundeslandebene erwiesen ist. Zwar gebe es bei der Datenqualität noch erhebliches Optimierungspotenzial, doch dies zu heben sei eine Aufgabe für Folgeprojekte, in denen auch Entwicklungstätigkeiten geleistet werden können. Anschließend wurden die Objekte gemäß der vorhandenen Objektklassen des 3Dfiers semantisch eingeteilt. Einschränkend stellte sich aber auch heraus, dass unklassifizierte Punktwolken, die aus Bilddaten gewonnen werden, nicht für den 3Dfier geeignet sind. „Dennoch ist klar geworden, dass die Potenziale für die Verschmelzung von 2D- und 3D-Daten aus verschiedenen Datenbeständen groß sind und hierin eine große Chance für die amtlichen Vermessungsverwaltungen liegt, neue Formen der Massendatenverarbeitung zu etablieren“, ist Willkomm überzeugt.