Der IT-Komplettdienstleister GISA treibt Implementierungen von Digitalen Zwillingen im Umfeld von Versorgung, Energie und kommunalen Belangen voran. Bei einem Projekt in Halle berührt das auch das kulturelle Erbe der Stadt – inklusive eines virtuellen Fluges.
Trafostationen, Umspannwerke, Gebäude oder auch kommunale Liegenschaften – das Unternehmen GISA aus Halle an der Saale erstellt 3D-Modelle aus zahlreichen Infrastrukturbereichen, um so neue Optimierungspotenziale auszuloten. Der IT-Dienstleister überträgt in seine Zielgruppe das Konzept des Digitalen Zwilling, das aus dem Umfeld Industrie 4.0 bekannt ist und neue Wertschöpfungspotentiale für Anlagen, Infrastruktur und Liegenschaften verspricht.
Ein aktuelles Beispiel dafür ist ein Projekt in der Heimatstadt Halle ist der GISA Virtual Flight, den das Unternehmen im Rahmen des kulturellen Themenjahrs 2021 mit umgesetzt hat. Der virtuelle Rundflug rückt nicht nur historische Gebäude wie etwa die Saline oder das alte Gasometer in ein ganz besonderes Licht, sondern integriert auch aktuelle Planungen in die vermessungsgenaue Repräsentation.
Blick in die Zukunft
Der rund 1,5-minütige Videoclip mit dem Titel „Vom Salz bis zu den Sternen“ wurde von einem siebenköpfigen Team um Norman Klammer und Hannah Zerjeski von GISA eigens für das Themenjahr produziert und gemeinsam mit dem Salinemuseum, dem Planetarium Halle und dem MMZ umgesetzt. „Unser Rundflug startet auf dem Dach des MMZ, einem modernen Existenzgründerzentrum für die Medien- und Kreativwirtschaft in Sachsen-Anhalt“, berichtet Zerjeski, Development Consultant bei GISA. Dann geht es hinüber auf das andere Saaleufer zum historischen Industriedenkmal und Standort des Technischen Halloren- und Salinemuseums.
Anschließend folgt der Start zu den Sternen, wie die Geodaten-Spezialistin von GISA erklärt: „Unser Virtual Flight führt entlang der Saale zum neuen Planetarium der Stadt, das in der denkmalgeschützten Ziegelfassade des alten Gasometers seinen Platz gefunden hat.“ Hier konnte das Unternehmen dem Betrachter einen virtuellen Blick in das Gebäude – und damit gewissermaßen in die Zukunft – gewähren.
„Wir sehen im Halexa-Video ein in 3D nachmodellierten Ausschnitt aus dem Stadtgebiet. Die gezeigten Gebäude, Brücken, Leuchten und Vegetationselemente sind ein virtuelles 1:1-Abbild der realen Welt. Um dieses Abbild aufzubauen, haben wir Daten aus unterschiedlichen Quellen verwendet“, berichtet Norman Klammer, Director Business Development bei GISA. Von besonderer Bedeutung seien dabei Geodaten gewesen, die das Landesamt für Vermessung und Geoinformation Sachsen-Anhalt (LVermGeo) der OpenData-Strategie des Bundes folgend online und kostenfrei zur Verfügung stellt. Klammer: „Die offene Bereitstellung der Geodaten ist ein Schritt in Richtung Zukunft, denn aus diesen Daten Informationen zu gewinnen und wie am Beispiel unseres Clips für digitale Zwillinge zu verwenden, ermöglicht Teilhabe und Weiterentwicklung.“
Weiterhin wurden von GISA eigens erfasste Fotografien und Daten der jeweiligen Gebäude genutzt. Diese wurden miteinander verschnitten, um eine durchgängige 3D-Modellierung zu erhalten, innerhalb derer dann der Flug „generiert“ wurde.
Texturierung anhand von Orthofotos
Die Ausgangslage hinsichtlich der Daten war je nach Gebäude sehr unterschiedlich. Zunächst wurde ein Digitales Geländemodell (DGM) von amtlicher Seite bezogen und mithilfe der Orthofotos in ein 3D-Mesh mit entsprechend texturierten Geländeoberflächen (Dreiecksvermaschung) transformiert.
Die umliegenden Gebäude sind in der Detaillierungsebene LOD2 hinterlegt. Im Fall des MMZ wurden dann die 2D-Grundrisse des Gebäudes und eigens generierte Fotos herangezogen, daraus ein ebenfalls texturiertes 3D-Modell erzeugt und in das übergreifende Modell integriert. „Die im Film speziell behandelten Gebäudekomplexe werden so besonders detailreich ausgeführt, sodass sie für den Betrachter realistisch erscheinen“, berichtet Zerjeski. Nach demselben Prinzip wurden die Brücken erstellt und in die Szene importiert. „Für den Film haben wir die entsprechenden 3D-Objekte händisch modelliert, um damit einen hohen Detailgrad erreichen zu können“, so die GISA-Mitarbeiterin.
Das alte hallesche Planetarium nimmt auch im GISA Virtual Flight eine Sonderrolle ein. Da das ursprüngliche Gebäude mehrfach durch Hochwasser beschädigt wurde, hatte sich die Stadt Halle für einen Neubau innerhalb der bestehenden, runden Außenhülle des Gasometers entschlossen. GISA konnte für den Flug daher auf Planungsunterlagen des verantwortlichen Architekturbüros zugreifen. Das digitale Architekturmodell, das den runden Gasometerbau inklusive des Herzstücks, dem Kuppelbau im sogenannten Sternensaal, repräsentiert, wurde um Avatare und Möblierung ergänzt sowie virtuell beleuchtet – eine Symbiose aus Industriearchitektur und moderner Kultureinrichtung.
Insgesamt findet der GISA Virtual Flight im Falle des Planetariums überwiegend in den Innenräumen statt. „Beim Übertritt vom Außen- in den Innenbereich wechselt die genutzte Technologie“, sagt Zerjeski und führt aus: „Das hochwertige Rendering setzten wir mittels der Gaming Engine Unreal um. Das 3D-Modell wurde in ein Architektur-Template importiert und hier aufwändig texturiert. In dem fertigen Modell wurde nun mittels Cinematics-Funktion der Film ‚gedreht‘.“ Zur Erstellung des Films kam neben Unreal Engine die Software VIS-All 3D® von der Software Service John GmbH zum Einsatz.
Komplexe Sachverhalte intuitiv begreifbar machen
Die technische Entwicklung der 3D-Modellierung schritt in den letzten Jahren rasant voran. Das Projekt in Halle zeigt, wie im Rahmen einer Vernetzung verschiedenster Akteure neuartige Ansätze rund um den Digitalen Zwilling entstehen können. Hannah Zerjeski: „Unser Virtual Flight zeigt, dass wir bei der 3D-Modellierung die Technologiebereiche Gaming und Geoinformatik sehr gut synergetisch nutzen können“. Mit dem Projekt wurden der Öffentlichkeit sowie Industrie und Gewerbe außerdem dargelegt, welche Möglichkeiten ein Digitaler Zwilling bieten kann, etwa, um komplexe Sachverhalte intuitiv und leicht verständlich begreifbar zu machen. (jr)