Die Implenia Hochbau GmbH arbeitet im Rahmen des iECO-Förderprojekts an der durchgängigen Digitalisierung von Genehmigungsprozessen.
Die Digitalisierung der Bauwirtschaft hat zwar an Fahrt aufgenommen, jedoch gibt es nach wie vor analoge Inseln, deren Überwindung komplex ist. Dazu zählt die Baugenehmigung. „Sie können ein Fremdkörper im gesamten Bauprozess sein, der die Antragsprozesse und deren Nachvollziehbarkeit deutlich erschweren kann“, sagt Mario Stark, Spezialist für das Thema Baugenehmigungen der Implenia Hochbau GmbH. Das Unternehmen arbeite inzwischen in der Bauwirtschaft innerhalb komplett digitalisierter Prozesse, die Genehmigungslücke störe aber noch sehr. Teilweise sei die rechtliche Bearbeitung von Forderungen gar nicht mehr in der geplanten Terminkette umsetzbar, insbesondere, wenn sie kurzfristig auftreten. „In solchen Fällen sind alle beteiligten Planungsbüros sämtlicher Fachdisziplinen betroffen“, so Stark.
In der Folge verursachen Genehmigungsprozesse bei der Implenia Hochbau GmbH und anderen Unternehmen riesige Papierberge, die auf den Baustellen herumliegen und die Arbeiten erschweren. Dies ist, wie Niederlassungsleiter Holger Rößner betont, nicht mehr zeitgemäß und definitiv nicht nachhaltig. „Die Nachverfolgung und das Änderungsmanagement sind durch die zahlreichen Papierunterlagen äußerst schwierig“, fügt er hinzu. Die Implenia Hochbau GmbH hat sich daher einem europäischen iECO-Forschungsprojekt (Intelligent Empowerment of Construction Industry) angeschlossen, um diesen Teilprozess zu digitalisieren.
Europäisches Forschungsprojekt mit GAIA-X
Das Projekt wird von der RIB Software SE, dem Mutterunternehmen der Implenia, angeführt. Es startete im Jahr 2021 als erstes Leuchtturmprojekt des bundesdeutschen GAIA-X-Förderwettbewerbs. Elf Konsortialpartner realisieren dabei gemeinsam einen Digitalen Zwilling, der sämtliche Planungs-, Bau- und anschließende Nutzungsprozesse (bis hin zum Rückbau) innerhalb eines Ökosystems abdecken soll. Basis ist eine vom Bundeswirtschaftsministerium bereitgestellte Cloud-Infrastruktur. Dabei ist es entscheidend, dass vor allem die Öffentliche Hand mit sämtlichen bundes- und länderspezifischen Genehmigungsverfahren umfassend in die Thematik eingebunden werden soll. Der Informationsaustausch innerhalb der Cloud-Prozesse soll darüber hinaus durchgängig in Europa gehostet werden, was den Behörden maximale Sicherheit gewährleisten soll.
Im Rahmen der Cloud sollen etwa die Bauantragsunterlagen in den Ämtern auf Vollständigkeit unmittelbar geprüft werden können – und nicht wie bisher innerhalb eines über Wochen dauernden Prozesses. Ebenso sollen sie vereinheitlicht werden, was im Moment aufgrund der unterschiedlichen Prozesse in den Bundesländern nicht möglich ist. Die Konsortialpartner entwickeln in diesem Zusammenhang in verschiedenen Arbeitsgruppen eine praxistaugliche Lösung, die bundesdeutsche Anforderungen und alle länderspezifischen Besonderheiten kennt und transparent abbildet.
Die Genehmigungsprozesse sollen in eine gemeinsame Datenumgebung (Common Data Environment; kurz: CDE) in GAIA-X eingebunden werden. „Das bietet den Ämtern sowie allen weiteren Nutzern die Sicherheit, die Datensouveränität und die Möglichkeit der Änderungsverfolgung“, so Stark. Dadurch könnten die einzelnen Prozesse zeitgleich, effektiver und mit großer Zeitersparnis durchgeführt werden. „Durch automatisierte Vorgänge können die meisten aufwändigen administrativen Tätigkeiten wegfallen“, ergänzt Tamás Polt, Experte für BIM bei der Implenia Hochbau GmbH.
Praxisfall für die europäische Cloud GAIA-X
In Zusammenarbeit mit der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hof, ein weiterer iECO-Konsortialpartner, beschäftigt sich die Implenia Hochbau GmbH im Rahmen eines dedizierten Arbeitspaketes von iECO aktuell mit der Umsetzung von Ideen für mögliche, durchgängig digitale Genehmigungsverfahren. Im ersten Schritt müssen vollständig definierte Schnittstellen geschaffen werden, die für sämtliche Behörden einheitlich sind. „Dabei sollte es keine Rolle spielen, ob die öffentliche Einrichtung vordergründig mit einfachen Formularblättern oder einer Software arbeitet. Eine digitale Weiterleitung von Informationen sollte stets automatisiert erfolgen, wann immer die Unterlagen vollständig sind. Als Vorbild dienen hierfür die im Steuerbereich etablierten Elster-Formulare“, erklärt Holger Rößner. „Entscheidend ist auch, dass die Bauämter sich bundesweit einig sind, welche Inhalte für eine Prüfung essenziell sind, fügt Boris Kuznetsov, Gesamtprojektleiter bei der Implenia Hochbau GmbH für das GAIA-X-Förderprojekt, hinzu. „Es existieren bereits konkrete Vorschläge für solche Szenarien. Diese gilt es nun, im Detail unter die Lupe zu nehmen und auf ihre Praxistauglichkeit zu prüfen“, weiß der Experte.
Holger Rößner und sein Team bei Implenia sind der Überzeugung, dass es nur mit exakt definierten Vorgaben möglich sein wird, die Behörden vollständig in die Arbeit mit digitalen Prozessen und BIM-Modellen einzubinden. Sämtliche Projektinformationen sollen vollständig miteinander integriert werden – in einer umfassend geschützten, europäischen Cloud- Umgebung.