Die Potsdamer Firma Point Cloud Technology (PCT) nutzt KI-Ansätze für die Auswertung von 3D-Punktwolken. Dabei werden immer wieder neueste Forschungsansätze zusammen mit dem Hasso-Plattner-Institut (HPI) entwickelt und erprobt.
Ob ein Verkehrsschild an der Straßenkreuzung, ein neu errichtetes Gebäude oder ein Signalmast an einer Eisenbahnstrecke: Bei der Bestandsvermessung mit Hilfe von 3D-Punktwolken können verschiedenste Objekte erkannt und klassifiziert werden. Grundlage dafür sind per 3D-Laserscanning beziehungsweise photogrammetrischer Messmethoden erfasste Datensätze – was heutzutage per Drohne, Mobile Mapping oder flugzeugbasierten Verfahren zum Standard in der modernen Vermessung gehört.
Doch für die Identifikation und Klassifikation dieser Objekte war bisher ein aufwändiges und oft manuell durchgeführtes Verfahren notwendig. Zwar haben sich erste Ansätze KI-basierter Analysen etabliert, doch diese erfordern meist eine aufwändige Vorprozessierung der Originaldaten und orientieren sich an sogenannten Heuristiken. Am HPI verfolgt man indes einen anderen Ansatz. Dieser wird mit den Begriffen von Deep Learning (DL) beziehungsweise Maschine Learning (ML) umschrieben und hat die Besonderheit, dass die Funktionalitäten immer anhand eines Trainingsdatensatzes erprobt werden und dann im jeweiligen Anwendungsfall am realen Datensatz zur Anwendung kommen. Großer Unterschied ist dabei, dass bei dem DL/ML-Ansatz immer die originalen Rohdaten herangezogen werden, ohne diese vorverarbeiten zu müssen.
Training an echten Datensätzen
DL/ML-Ansätze werden oft im Umfeld von Sprach- oder Textanwendungen erforscht. Eine der wesentlichen Leistungen am HPI ist es, diese für den Anwendungsfall von großen 3D-Punktwolken zu adaptieren, also einem inzwischen typischen Set an Geodaten, die per 3D-Laserscanning oder seit einigen Jahren auch via Photogrammetrie gewonnen werden. Die Grundannahme dabei: Je häufiger die Algorithmen trainiert werden und je unterschiedlicher die Datensätze, die dabei genutzt werden, desto besser die Ergebnisse“, sagt Dr. Rico Richter, Geschäftsführer von PCT. Ein konkretes Beispiel bei der Identifikation von Infrastrukturelementen aus 3D-Punktwolken von Städten habe zum Beispiel gezeigt, dass die Algorithmen besser werden, wenn sie auf zwei Datensätzen verschiedener Städte trainiert werden – und zwar für beide Städte gleichermaßen. Nutzt man nur einen Trainingsdatensatz, kommen bei gleichem Zeitaufwand schlechtere Ergebnisse dabei heraus. Dies stellt gewissermaßen einen ersten Praxiserfolg der Forschung dar, denn bisher ging man bei KI-Methoden eher davon aus, dass man für einen speziellen Anwendungsfall jeweils auch ein optimales Training entwickeln musste.
In der Forschung werden solche Ansätze auch unter dem Begriff GeoAI zusammengefasst; er bezeichnet die Anwendung von DL/ML, Data-Mining und High-Performance-Computing, um aus den Geodaten Wissen und Erkenntnisse zu gewinnen. Nun sind 3D-Punktwolken ungeordnete Daten, sie haben weder (hierarchische) Struktur noch besitzen sie semantische Informationsbestandteile. Der PCT-Ansatz sieht dies nicht als Schwäche, sondern im Gegenteil als Stärke. „Die reine Datenmenge und die Detaillierung der Einzelpunkte beinhalten ein Maximum an potenzieller Information, die mit den Mittel der GeoAI gehoben werden kann“, beschreibt Richter. Auch wenn 3D-Punktwolken oft auch inhomogen und fehlerbehaftet sind.
Einzelne Funktionen der GeoAI
Die Leistung von PCT liegt also darin, den Algorithmus „im Training“ so fit zu machen, dass er dann im „Wettkampf“, spricht bei der Anwendung der originären Datensätze, einen effektiven, zuverlässigen und fehlerfreien Auswerteworkflow als Ergebnis vorweisen kann. Ziel ist es, dass Trainingssystem weiter zu optimieren, um so verschiedene generisch anwendbare Algorithmen für die unterschiedlichen Anwendungen zu definieren – also beispielsweise einen für die Bestimmung der Vegetation, einen für Verkehrsschilder, oder einen für die Erkennung von Signalinfrastruktur bei Schienentrassen.
„Wir fungieren dabei für unsere Kunden gewissermaßen als Entwicklungspartner“, so Richter. Das Unternehmen führt die Analysen im eigenen Hause durch, die Kunden profitieren davon, dass PCT das Auswertungs-Know-how innerhalb der Algorithmen ausbaut. PCT greift dabei auf eine IT-Infrastruktur für High-Performance-Computing zurück, die gewissermaßen die Kaderschmiede für KI-Standardapplikationen der Zukunft darstellt.
Konkret werden bei dem DL/ML-Ansatz verschiedene Funktionalitäten entwickelt. Bei der Klassifizierung der einzelnen Punkte werden einzelne, oft flächenbezogene Attribute zugefügt, etwa die lokale Dichte, Verteilung und Anordnung der Punkte in der lokalen Umgebung. Bei der Segmentierung und Objekterkennung können sinnvolle Bereiche der Punktwolke herausgelöst wer-den, da die Segmentierung neben geometrischen auch semantische Kriterien aus den Trainingsdaten heranziehen kann. Auch für die Formerkennung spielen die neuronalen Netzwerke des DL/ML-Ansatzes eine entscheidende Rolle. Dabei kombinieren sie 2D- und 3D-orientierte Analysen, indem sie Formen aus verschiedenen „Sichten“ betrachten und so die Ergebnisse optimieren.
Zusammengenommen ermöglichen die Funktionalitäten eine automatisierte Objektklassifikation, die mit typischen 3D-Punktwolken im Bereich geografischer Analysen hohes Potential be-sitzt, etwa beim Mobile Mapping (Bilder oben) oder auch bei Innenraumaufnahmen (Bild unten). „Damit schaffen wir es, generische Analysekomponenten zu realisieren, die für verschiedenste Anwendungen mit unterschiedlichen Datensätzen hochwertige Ergebnisse liefern“, so Richter. Dabei werden die Analysen jeweils für den originären Datensatz der Anwendung konfiguriert. Dieser Service, den PCT durchführt, ist beliebig skalierbar und kann somit auf Datensätzen beliebiger Größenordnung durchgeführt werden. „Da die Rechenleistung für die Anwendung je nach Bedarf angepasst werden kann, liegen die Ergebnisse oft nahezu in Echtzeit vor, weshalb wir beispielsweise bereits Anwendungen mit Bedarf an tagesgenauen Auswertungen durchführen konnten“, beschreibt Richter. (sg)
3D-Punktwolke eines Mobile-Mapping Scans klassifiziert in Objekte. Foto: Point Cloud Technology GmbH