Das Beispiel XPlanung zeigt, wie deutsche Behörden und Kommunen den Weg der Digitalisierung beschreiten können: Mit Engagement aber auch mit den notwendigen Freiheitsgraden bei der Ausgestaltung.
Kommunale Planwerke wie der Flächennutzungsplan, Bebauungspläne aber auch Regionalpläne haben entscheidenden und langfristigen Einfluss auf Stadt, Land und Menschen. Es werden Weichen gestellt für Verkehr, Wohnen und Versorgung, nicht zu vergessen die Berücksichtigung von Flächen, die für die Energieerzeugung vorgehalten werden müssen. Hinzu kommen die Anforderungen des Klimawandels. Die Stadt des 21. Jahrhunderts folgt anderen planerischen Maximen als die des 20. Wie sie genau aussehen soll und kann, welche Maßnahmen die richtigen sind und wie das gesellschaftliche Leben in Zukunft konkret aussehen könnte, darüber herrscht noch Uneinigkeit. Das Pendel schwingt zwischen radikalem Umbau und sanfter Anpassung. Die gesellschaftlichen Diskurse werden hitziger, der Handlungsdruck wächst. In einem Punkt herrscht Konsens: Die Digitalisierung gilt als geeignetes Mittel, um Qualität, Geschwindigkeit und Reife von Planungen zu optimieren. Eines der zentralen Instrumente für diese Transformation ist der Standard XPlanung, ein Verfahren zur Standardisierung und zum Austausch von Daten für die Erstellung, Abstimmung, Diskussion und Fortschreibung digitaler Planwerke.
XPlanung ist ein Meilenstein
XPlanung ermöglicht den Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Akteuren der Raum-, Flächen- und Bauplanung. Planungsdaten, die dem Standard folgen, können einfacher ausgetauscht, analysiert und visualisiert werden, was zu einer besseren Zusammenarbeit der Beteiligten führt. Beispiele sind die Planung regenerativer Energieerzeugungsanlagen, die Schließung von Baulücken in der Stadt oder die rechtskonforme Planung neuer Wohn- und Gewerbegebiete. XPlanung betrifft Kommunen, Planungsbüros, Architekten und andere Fachleute. Sie könnte ein wichtiger Baustein für die Umsetzung des Deutschlandtempos sein, einem von der Bundesregierung geprägten Begriff, der die Modernisierung der Infrastruktur, die Bekämpfung des Klimawandels und die Sicherung der Energieversorgung in Deutschland betrifft.
Aber der gesetzgeberische Druck wächst. Die aktuelle Bundesregierung hatte die Digitalisierung von Bauleitplanverfahren bereits im Koalitionsvertrag ausdrücklich erwähnt. Unter dem Druck der notwendigen Energiewende ist nun frühzeitig ein konkreter Gesetzentwurf entstanden. Mit der „Stärkung der Digitalisierung im Bauleitplanverfahren“ hat der Bundestag in zweiter und dritter Lesung die Novelle des Baugesetzbuchs zur Modernisierung und Digitalisierung von Bauleitplanverfahren am 15.06.2023 beschlossen.
Damit sollen „Hintertürchen“ für die Digitalisierung beseitigt werden. Bislang war es rechtskonform, ausschließlich analoge Pläne auszulegen. Gemäß den Änderungen in dem neuen § 4a Abs. 6 BauGB sind bei der Digitalisierung des Bauleitplanverfahrens die Beschlüsse des IT-Planungsrat und damit XPlanung als auch die Vorgaben des OZG zu berücksichtigen. Es bleibt zu hoffen dass damit die Verwendung von rasterorientierten PDF-Plänen, einem zwar digitales Verfahren, das aber die Möglichkeiten intelligenter Datenformate verkennt, der Vergangenheit angehört
In der Bundestagsdebatte wurde deutlich, dass die Bundesregierung die Potentiale der Digitalisierung und Standardisierung für eine Verkürzung langwierigen Genehmigungsverfahren erkannt hat und das vorliegende Gesetz nur ein erster Schritt zur Etablierung von durchgängigen Prozessketten im Planen und Bauen sein kann. Nach der Sommerpause 2023 wollen Bund und Länder weitergehende Maßnahmen zur Digitalisierung und Planungsbeschleunigung in einem Bund – Länder Pakt beschließen.
Dilemma bei der Digitalisierung
Im Zuge dieser Gesetzgebung und der damit einhergehenden politischen Diskussion wurde deutlich, wie schwierig das Thema Digitalisierung gerade auf kommunaler Ebene in Deutschland noch ist. So fanden sich im Rahmen der Anhörung zum neuen Gesetz in Berlin zahlreiche Experten aus den Bereichen Kommunen, Stadtplanung, Immobilienwirtschaft und Digitalisierung ein, die den neuen Entwurf im Rahmen einer öffentlichen Anhörung vor dem Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauen und Kommunen kritisierten, darunter auch Dr.-Ing. Kai-Uwe Krause, Leiter der Leitstelle XPlanung in Hamburg.
Der Fall zeigt das Dilemma zwischen Gesetzgebung und Digitalisierung. Ziel des neuen Gesetzes ist es, Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, also das Tempo in Deutschland zu erhöhen. Deshalb sind auch Beteiligungsverfahren explizit im Gesetzentwurf genannt. Das beschlossene Gesetz sieht die Einführung eines digitalen Regelverfahrens für die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung vor. Auch die Bauleitplanverfahren sollen beschleunigt werden, indem die Genehmigungsfristen für bestimmte Bauleitpläne von drei Monaten auf einen Monat verkürzt werden. Hierfür ist eine vernetzte, standardisierte und durchgängige Systemarchitektur erforderlich, die es derzeit im Bereich der Bauleitplanung noch nicht gibt.
Sollen also per Gesetz einheitliche Standards vorgegeben und damit der Harmonisierung der Prozesslandschaft ein enger Rahmen gesetzt werden? Oder soll den Kommunen – ganz im Sinne der kommunalen Selbstverwaltung – angesichts der langen Historie der Fachverfahren und der über Jahrzehnte gewachsenen landes- oder gar kommunalspezifischen Standards weiterhin freie Hand gelassen werden, wie sie die Transformation in die digitale Welt konkret umsetzen?
In diesem Spannungsfeld stieß der im März vorgelegte Entwurf auch bei einer parlamentarischen Expertenanhörung im Wesentlichen auf positive Resonanz. Bemängelt wurde allerdings das Fehlen allgemein gültiger digitaler Standards und maschinenlesbarer Austauschformate. Die Kritik wurde von der Bundesregierung aufgenommen und zumindest in den § 4a BauGB formulierten Vorschriften zur Beteiligung bei der Aufstellung von Bauleitplänen Vorschriften zur Nutzung digitaler Standards (XPlanung) und IT-Infrastrukturen (OZG) im Gesetzgebungsverfahren ergänzt.
Digitalisierung, so kritisierten viele Experten in der Anhörung, werde im Gesetz noch zu sehr als IT-technische Umsetzung heute gültiger Verfahren gedacht, nicht aber als digitale Prozesskette mit ihren Möglichkeiten der automatisierten Auswertung und Beschleunigung.
Auch hinsichtlich der Digitalisierung der Bürgerbeteiligung gab es unterschiedliche Auffassungen, wobei einige Experten dafür plädierten, die klassische analoge Beteiligung weiterhin zuzulassen und nicht durch einen Zwang zur Digitalisierung überflüssig zu machen. Damit einher gingen auch kritische Stimmen zur Beschleunigung des Verfahrens. Dies könne zu Lasten der Qualität des Verfahrens gehen, argumentierten einige Experten. Andere Positionen stellten die Qualifikation der Mitarbeiter in den Vordergrund. Diese sei notwendig, um schnelle Verfahren zu etablieren, aber die Situation in den Kommunen sei alles andere als optimal. Der Fachkräftemangel in Behörden und Kommunen wurde als „Sand im Getriebe“ bezeichnet.
Noch analog?
Eine weitere schwierige Randbedingung: Die Erstellung und Bereitstellung raumbezogener Planwerke ist in verschiedenen Gesetzen geregelt. So spricht die Planzeichenverodnung noch von (analogen) Karten als Grundlage für die Erstellung von Planwerken. Die Bundesländer können selbst entscheiden, über welche Regelungen (gesetzlich verankert in E-Governmentgesetzen auf Landesebene oder durch Verordnungen auf Landesebene,..) die Beschlüsse des IT-Planungsrates auf kommunaler Ebene verbindlich machen. Im Zuge der EU-INSPIRE-Richtlinie müssen auch in Deutschland raumbezogene Planwerke für die Europa-GDI bereitgestellt werden (Planned Land Use), die Geodatenzugangsgesetze beziehen jedoch nicht überall die Kommunen mit ein. „Die Potenziale datenbasierter Arbeitsmethoden für eine vernetzte Planung und Realisierung werden im Bereich der Planungs- und Genehmigungsverfahren bislang noch zu wenig berücksichtigt“, so Kai-Uwe Krause. Dies gelte auch für die BIM-Standards. Die Gesetzestexte seien oft zu unkonkret, für digitale Prozessketten seien aber maschinenlesbare, standardisierte Datenformate notwendig.
„Die Bereitstellung von Bauleitplänen als tabellarische Linksammlung erfüllt jedoch meist schon hinreichend den Gesetzesauftrag“ so Krause. Auch eine im Internet bereitgestellte PDF-Datei schöpfe die Optimierungspotenziale der Digitalisierung bei weitem nicht aus. Ein weiteres rechtliches Hindernis für eine durchgängige Digitalisierung ist, dass für die Archivierung nach wie vor die „Schriftform“, also eine analoge Urkundenarchivierung, gefordert wird.
Um alle Potenziale auszuschöpfen, bedarf es laut Krause eines grundlegenden Paradigmenwechsels im Bereich der digital gestützten Staats- und Verwaltungsmodernisierung: „Weg von einer zuständigkeits-, institutions-, ressort- und dokumentenorientierten hin zu einer wirkungsorientierten und datenbasierten Perspektive“, so der IT-Experte.
Aktueller Stand
XPlanung und das OZG -Konjunkturprogramm haben bereits einiges bewegt. Schritt für Schritt werden die Voraussetzungen für die digitale Verwaltungsmodernisierung geschaffen. Zum Beispiel für die technische Infrastruktur zur Bereitstellung digitaler Planwerke. Hier wird derzeit die OZG-Dienstleistung „Bereitstellung raumbezogener Planwerke im Internet“ unter einer Open-Source-Lizenz entwickelt und soll im Sinne des EfA-Prinzips Bund, Ländern und Kommunen zur Nachnutzung zur Verfügung stehen.
Eigentlich sollte auch das OZG-Umsetzungsprojekt „Bürgerbeteiligung und -information“ umgesetzt werden. Die Umsetzung ist jedoch noch nicht abgeschlossen. Die Mittel aus dem Corona Konjunkturpaket sind dafür ausgelaufen, die OZG Umsetzungsvorhaben werden aber zumindest bis Ende 2023 in reduziertem Ausmaß weiter gefördert. „Wir werden sehen, ob wir Ende des Jahres so weit sind“, sagt Krause.
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