Heidelberg geht als Modellkommune bei der Entwicklung digitaler Serviceangebote voran. Zu den Projekten zählen unter anderem ein Hürdenlos-Navi und ein intelligenter Winterdienst.
Wie sieht eine digitale Stadt aus? Diese Frage hat sich der Digitalverband Bitkom e.V. gestellt und dazu 2016 den gleichnamigen Wettbewerb initiiert. Deutsche Städte haben darin ihre Projekte auf dem Weg zur Smart City vorgestellt. Unter den fünf Finalisten befand sich auch die Stadt Heidelberg – als einzige baden-württembergische Stadt. Für den Titel „Digitale Stadt“ hatte es im Juni 2017 zwar nicht gereicht, dennoch nimmt Heidelberg eine Vorreiterrolle ein. Im Mai 2018 zeichnete das Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration die in der Entwicklung befindliche Multiplattform „MAsH“ der Kommune als Leuchtturmprojekt im Landeswettbewerb „Digitale Zukunftskommune@bw“ aus – mit einer Förderzusage von 880.000 Euro. „Die Auszeichnung als digitale Zukunftskommune zeigt, dass wir uns auf einem sehr guten Weg befinden. Durch neue, intelligente Technologien bieten sich vielfältige Möglichkeiten, um das tägliche Leben der Bürgerinnen und Bürger weiter zu verbessern und zugleich die Voraussetzungen für Wissenschaft und Wirtschaft in Heidelberg zu stärken“, sagt Nicole Huber, Stadtdirektorin und Koordinatorin der digitalen Aktivitäten in Heidelberg. Im März 2019 nahm Bitkom jüngst Heidelberg in seinen Smart-City-Atlas (siehe Kasten) auf. Und welche Services bietet Heidelberg nun seinen Bewohnern als „Digitale Stadt“?
Auf dem Weg zur Zukunftskommune entwickelt die Stadt verschiedene Anwendungen, die nicht zuletzt auf Open Data basieren. Sie reichen von einem Bürgerportal über ein digitales Verkehrssystem bis hin zum intelligenten Winterdienst und einem Navigationssystem für mobilitätseingeschränkte Mitbürger. Die einzelnen, sich in der Entwicklung befindlichen Services, sollen nach und nach in die Multi- plattform „MAsH“ integriert werden.
Open Data für Hürdenlos-Navi
Das „Hürdenlos-Navi“ – die Routenplanung für Mobilitätseingeschränkte – ist eines von neunzehn Digitalisierungsprojekten und wird im Rahmen des Programms „Städte und Gemeinden 4.0 – Future Communities 2017“ vom Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration Baden-Württemberg mit rund 42.000 Euro gefördert. Zusammen mit dem Geoinformatik-Bereich des Geo- graphischen Instituts der Universität Heidelberg, GIScience, dem Kommunalen Behindertenbeauftragten sowie den Gremien und Verbänden der Menschen mit Behinderung wird eine App entwickelt, mit der die Nutzer ihre Wege im Stadtgebiet entsprechend ihrer Mobilität vom Smartphone aus planen können. „Sie zielt dabei aber nicht nur auf Menschen mit Behinderung ab, sondern auch auf Eltern mit Kinderwagen oder Reisende mit Gepäck“, betont die Stadtdirektorin.
Für das Hürdenlos-Navi setzen die Entwickler auf ein Prinzip ähnlich dem von GoogleMaps. Mit dem Forschungsprojekt „Open Routeservice“ liegt bereits eine grundlegende Lösung vor. Eine Wegplanung wird auch hier vom Start- zum Zielpunkt berechnet. Die Datenbasis sind Geoinformationen aus OpenStreetMaps. Mit zusätzlichen geo- graphischen Daten zu abgesenkten Bord- steinen, Straßenbe- lägen und Ähnlichem, soll eine Berechnung unter Berücksichtigung von Mobilitätseinschränkungen möglich werden. Die dazu nötigen Zusatzdaten werden als Open Data in OpenStreetMaps zur Verfügung gestellt. Der Anwender gibt bei der Routensuche seine individuelle Mobilität über verschiedene Parameter an. Auf Grundlage der in OpenStreetMaps eingespeisten Daten wird daraufhin ein passender Weg berechnet. Die bisherige Datengrundlage besteht nach Angaben der Stadt zwar noch aus unvollständigen, von Freiwilligen erfassten Informationen. Diese sollen aber durch die Stadtverwaltung um systematisch und vollständig erhobene Daten ergänzt werden.
Winterdienst intelligent machen
In puncto Routing blickt Heidelberg aber nicht nur auf Mobilitätseinschränkungen bei den Bürgern, sondern auch auf das Wetter. Mit einem intelligenten Winterdienst, genannt „Winter- SMART“, plant die Stadt, Bürger vor Glätte auf Straßen und Brücken zu warnen. Dafür sollen Sensoren im Stadtgebiet den aktuellen Zustand der Wege überwachen und über das Internet of Things (IoT) die gesammelten Informationen an digitale Schilder in der Stadt senden. „Außerdem soll der Füllstand von Streugutbehältern mittels Sensoren erfasst und so eine effizientere Routenplanung für die Streufahrzeuge ermöglicht werden“, erklärt Huber. Ähnliche Ansätze gibt es in verschiedenen Städten wie Darmstadt – Gewinner des Wettbewerbs „Digitale Stadt“ – beispielsweise für die Müllentsorgung. Inzwischen sind für WinterSMART acht Salzsilos im Stadtgebiet Heidelberg mit entsprechenden Sensoren ausgestattet worden. Das Projekt soll noch bis September 2021 laufen.
Übertragung auf andere Kommunen
Neben Hürdenlos-Navi und WinterSMART will Heidelberg auch ein Bürgerportal in MAsH integrieren. „Zum Konzept einer Smart City gehört auch die Digitalisierung der Verwaltung selbst“, sagt dazu Huber. Dienste, für die bisher ein persönliches Vorsprechen notwendig war, sollen über das Bürgerportal künftig online abgewickelt werden können. Außerdem will die Stadt über das neue Portal Informationen rund um die Stadt und Verwaltung veröffentlichen. Für weitere Anwendungen mit Zugriff auf Verwaltungsdaten erarbeitet Heidelberg zudem eine Open Data-Strategie. „Aus den offenen Daten können zum Beispiel interaktive Grafiken oder Karten erstellt werden“, so Huber. Im Rahmen des Teilprojekts HeiPorT ist der Aufbau eines städtischen Open Data-Portals oder die Verknüpfung mit einer Open Data-Plattform des Landes Baden-Württemberg vorgesehen.
„Alle Entwicklungen können künftig auch auf andere Kommunen übertragen werden“, betont die Stadtdirektorin. Bei der Umsetzung ihrer Projekte arbeitet die Stadt mit verschiedenen Partnern wie der Metropolregion Rhein-Neckar, der Universität Heidelberg, dem Softwareunternehmen SAP, der Partnerstadt Palo Alto (USA) und dem chinesischen Innovationszentrum Hangzhou zusammen. (vb)