Für die Erstellung von 3D-Stadtmodellen gibt es prinzipiell zwei Modellierungs-Ansätze: Zum einen auf Basis semantischer CityGML-Modelle und zum anderen mit photorealistischen 3D-Meshes. Letzterer Ansatz, bei dem einzelne Bildpunkte über ein Polygonnetzwerk verbunden werden, ist historisch gesehen jünger und gewinnt in den letzten Jahren an Bedeutung. BUSINESS GEOMATICS sprach mit Frederik Hilling, Leiter des Arbeitskreises 3D-Stadtmodelle, über aktuelle Entwicklungen und Trends.
Herr Hilling, die meisten Städte haben heute ein 3D-Stadtmodell. Nutzen sie aber die technologischen Möglichkeiten aus?
Das lässt sich im Grunde nicht pauschal beantworten, da alle Städte über unterschiedliche Ressourcen und technische Ausstattungen verfügen. Insgesamt beobachten wir jedoch, dass 3D als Thema in den letzten Jahren allgemein stark auf dem Vormarsch ist. Dabei pflegen die meisten deutschen Großstädte schon seit Jahren eigene CityGML-Modelle und setzen oft zusätzlich auf 3D-Meshes. Man kann also sagen, dass die technologischen Möglichkeiten hier ausgeschöpft werden. Aber auch kleinere Städte und auch Kreisverwaltungen integrieren die dritte Dimension zunehmend in ihre Planungsprozesse.
Wie weit sind 3D-Meshes in der Praxis?
3D-Meshes liegen derzeit absolut im Trend. Viele Großstädte verfügen bereits über derartige Datensätze oder führen aktuell entsprechende Befliegungen durch. Aber auch zahlreiche Landkreise und kleinere Städte haben sich dazu entschlossen neben digitalen Orthophotos auch Schrägluftbilder und 3D-Meshes zu befliegen. Mesh-Modelle werden im Anschluss meist über geeignete Web-Viewer visualisiert und insbesondere im Kontext von Planungsprozessen eingesetzt.
Wo liegen ihre wichtigsten Vorteile?
Der für viele Nutzer ausschlaggebende Vorteil ist die photorealistische Darstellung, die durch ein Mesh-Modell direkt gegeben ist. Im Vergleich zum CityGML muss hier keine aufwändige Modellierung und Texturierung durchgeführt werden, um die eigene Stadt realitätsnah wiederzugeben. So können planerische Zusammenhänge schnell und allgemeinverständlich visualisiert werden. Auch kostenseitig bietet ein Mesh-Modell unter Umständen Vorteile.
Ein weiterer Vorteil aus meiner Sicht ist zudem die einfache Fortführung des eigenen 3D-Stadtmodells über Mesh-Modelle. Die zeitnahe Fortführung von Neubauten im CityGML ist ein im Vergleich komplexerer Prozess, der verwaltungsintern entsprechend geschulte Mitarbeiter für die Modellierung und das Datenbankmanagement voraussetzt. In Zeiten des Fachkräftemangels sind derartige Stellen aktuell jedoch mancherorts nur schwer zu besetzen. Soll demgegenüber ein vorhandenes Mesh-Modell aktualisiert werden, ist der Prozess einfach: Ein fachlich entsprechend qualifiziertes Unternehmen wird mit einer neuen Befliegung und der Ableitung eines 3D-Meshes beauftragt. Schon wenige Wochen später liegt ein aktueller Stand des 3D-Stadtmodells vor, ohne dass hausintern Ressourcen gebunden werden.
Über Frederik Hilling
Frederik Hilling ist Gründer und Geschäftsführer der Geoplex GIS GmbH. Er befasste sich bereits seit 2007 in seiner Diplomarbeit mit der Verarbeitung von Punktwolken zur Erstellung von Solarkatastern und 3D-Stadtmodellen. In den Folgejahren wurde das Angebot des Unternehmens mit der Entwicklung des webbasierten Geoinformationssystems PlexMap um die Speicherung, Verarbeitung und Visualisierung von zwei- und dreidimensionalen Geodaten erweitert. Für seine unternehmerische Arbeit wurde Herr Hilling unter anderem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, dem Land Niedersachsen sowie der Bundesregierung mehrfach ausgezeichnet. Seit 2019 leitet Hilling die gemeinsame Kommission „3D-Stadtmodelle“ der Deutschen Gesellschaft für Kartographie e.V. und der Deutschen Gesellschaft für Photogrammetrie. (sg)
Wie sieht es mit den Kosten aus?
Auch wenn ich einen ungefähren Kostenrahmen im Kopf habe, kann ich dazu keine konkreten Angaben machen, da wir bei Geoplex zwar die Visualisierung und Verarbeitung von Mesh-Modellen übernehmen aber keine eigenen Befliegungen durchführen. Es scheint aber für die meisten Kunden erschwinglich zu sein (lacht).
Welche Nachteile besitzen sie gegenüber CityGML?
Der wichtigste Nachteil ist sicherlich die fehlende Semantik. Im CityGML ist jedes Objekt registriert und verfügt über beschreibende Attribute, die zum Beispiel zum Aufbau einer Smart City-Plattform oder für räumliche Analysen intelligent genutzt werden können. Demgegenüber ist ein Mesh-Modell erstmal „dumm“. Es gibt die Realität zwar photorealistisch wieder, ist aber im Grunde „nur“ ein 3D-Bild in dem die einzelnen Objekte nicht registriert sind und somit auch keine objektspezifischen Attribute gespeichert werden können.
Darüber hinaus sind mit Mesh-Modellen keine abstrakten Darstellungen möglich. Wenn zum Beispiel ein Baum vor einem Haus steht, ist es ohne weiteres nicht möglich eine 3D-Darstellung ohne den Baum zu erstellen. Auch der Export von Teilbereichen eines Modells oder zum Beispiel aller Gebäude ist im 3D-Mesh nicht möglich. Das alles wäre im CityGML kein Problem.
Wechsel in der Leitung des Arbeitskreis 3D
Ab diesem Jahr übernimmt Dr. Volker Coors gemeinsam mit Frederik Hilling die Leitung des Arbeitskreises 3D-Stadtmodelle. Bettina Petzold, die seit Gründung im Jahr 2009 den Arbeitskreis 3D-Stadtmodelle geleitet hat und in dieser Zeit den jährlichen Workshop 3D-Stadtmodelle zu einer Institution innerhalb der 3D-Branche aufgebaut hat, legt aufgrund ihres Übergangs in den Ruhestand das Amt nieder.
Volker Coors ist seit 2002 Professor für Informatik und Geo-Informatik an der HFT Stuttgart. Seine Forschungsschwerpunkte sind 3D-Geodateninfrastrukturen und die Visualisierung raumbezogener Daten. Coors ist Mitglied der CityGML Standard Working Group (SWG) und Vorsitzender der 3D Portrayal SWG des Open Geospatial Consortiums (OGC). Er ist zudem deutscher Vertreter im Vorstand der Urban Data Management Society.
Wo liegen neue Potenziale für fachliche Anwendungen von 3D-Meshes?
Eine Entwicklung, die bereits jetzt absehbar ist, ist sicherlich der Ausbau von Möglichkeiten zum Einsatz von 3D-Meshes im Rahmen von Planungsvorhaben. So ist es aktuell schon möglich, einzelne Objekte im 3D-Mesh temporär auszuschneiden und zum Beispiel durch einen geplanten Baukörper zu ersetzen. In dieser Richtung kann ich mir weitere Funktionen vorstellen, die zum Beispiel auch die Bearbeitung des „Baugrundes“ ermöglichen.
Aber auch für die weiterführende Nutzung als Datengrundlage bieten 3D-Meshes ein großes Potenzial. So lässt sich über 3D-Meshes eine Punktwolke erzeugen, die zum Beispiel zur Ableitung oder Aktualisierung von Solar- und Gründachkatastern eingesetzt werden kann.
Wie sehen sie die Entwicklung von 3D-Meshes und CityGML in Zukunft?
Aus meiner Sicht wird das 3D-Mesh CityGML nicht ablösen. Im Gegenteil: Es gibt für beide Datensätze spezialisierte Anwendungsfälle. Während sich das 3D-Mesh für die Anwendung im Kontext der Visualisierung von Planungsvorhaben anbietet, ist die Semantik eines CityGML-Modells die Voraussetzung für die Durchführung räumlicher Analysen. Daher glaube ich, dass die 3D-Branche insgesamt von der Verbreiterung des Angebotes profitiert und die breite Palette an kommunalen Aufgaben heute bereits deutlich besser lösen kann als noch vor einigen Jahren. Künftig wird es darauf ankommen, die Vorteile beider Welten in geeigneter Weise zu kombinieren, um zu neuen Lösungen zu kommen. (sg)