Das Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung e.V. (IÖR), eine außeruniversitäre Forschungseinrichtung mit Sitz in Dresden, gibt seit Jahren den IÖR-Monitor heraus. Damit betreibt das Institut eine Forschungsdateninfrastruktur, die Informationen zur Flächennutzungsstruktur und deren Entwicklung sowie zur Landschaftsqualität für die Bundesrepublik Deutschland bereitstellt.
Darin enthalten sind auch viele Indikatoren zu Grünflächen in der Stadt. Sie finden sich in drei Indikatorkategorien verteilt: Bei Stadtgrün sind es sechs Indikatoren, bei Ökosystemleistungen vier und bei Siedlungen zwei Indikatoren. In Letzterer wird die Entwicklung der Siedlungsfreifläche, die im Wesentlichen aus Grünflächen besteht, dargestellt. Die Indikatorwertentwicklungen zeigen, dass diese in den meisten Städten zunehmen.
Im Forschungsprojekt „Wie grün sind bundesdeutsche Städte?“ wurde die Grünausstattung im Auftrag des Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung (BBSR) vergleichend für alle deutschen Städte ermittelt und bewertet. In einer Broschüre für Städte wurde unter anderem auch dargestellt, wie sie ihr Grünvolumen hochauflösend auf Basis von Laserscan- oder Stereoluftbilddaten ermitteln können.
Der Bedarf an umweltbezogenen Daten im Bereich Stadtentwicklung und kommunaler Verwaltung steigt beständig. Ebenso bietet die Geoinformatik immer bessere Methoden zur Erfassung der Daten. Vor diesem Hintergrund soll der IÖR-Monitor erweitert werden. BUSINESS GEOMATICS-Chefredakteur Stefan Grebe sprach mit Dr.-Ing. Gotthard Meinel, Forschungsbereichsleiter „Raumbezogene Information und Modellierung“ im Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung, über Inhalt und Bedeutung des Monitors.
Der IÖR-Monitor steht für einen daten- und wissenschaftsgetriebenen Ansatz bei der Stadtentwicklung. Welchen Einfluss kann er auf politische und planerische Fragestellungen ausüben?
Gotthard Meinel: Unsere Daten geben Städten, Stadtplanern und Entscheidungsträgern Auskunft zum Zustand und zur Entwicklung insbesondere hinsichtlich der Flächennutzung. Darüber informieren auch Indikatoren zum Stadtgrün. Neben der Visualisierung im interaktiven IÖR-Viewer, veröffentlichen wir diese auch via OGC-Geodienste (WMS, WCS, WFS), sodass sie in eigene Geoinformationssysteme eingebunden werden können. Zur Vorstellung und Diskussion der Ergebnisse mit Wissenschaft und Praxis laden wir jährlich zum Dresdner Flächennutzungssymposium (DFNS) ein. Natürlich hoffen wir, dass auch Politik und Politikvorbereitung umfassend Gebrauch machen von unserem offenen, kostenfreien Datenangebot.
Was kann eine Geo-Modellierung von morgen noch zusätzlich leisten?
Dank Laserscandaten mit hoher Punktdichte ist heute die Vermessung und Modellierung jedes einzelnen Stadtbaums – nicht nur der im öffentlichen Grün – möglich. Planer und Bürger können sich damit ein realistisches, visuelles Bild des vorhandenen Großgrüns machen. Wir haben dieses beispielhaft für München und Dresden gezeigt. Dank neuer hochauflösender Satellitendaten, wie dem Start-Up constellr, aus dem Bereich der Satellitenfernerkundung, wird eine tägliche Oberflächentemperaturmessung möglich und die Ableitung von Trockenstressindikatoren als Grundlageninformation für die städtische Grünbewässerung.
Wie können Spatial Data Science oder Geospatial Artificial Intelligence (GeoAI) das Monitoring konkret verbessern?
Ohne deren Werkzeuge und Methodenentwicklungen der letzten Zeit wäre die schnelle, meist teilautomatisierte Prozessierung der immer größeren Datenmengen nicht möglich. Beispielhaft soll hier nur die automatisierte Klassifikation von Ortholuftbilddaten genannt werden, die durch Convolutional Neuronal Networks, gegebenenfalls noch angewendet in Ensembletechnologien, zu einer immer höheren Klassifikationsgüte führt.
Wie können mit Geo-Methoden alternative Zukunftsszenarien räumlicher Entwicklungen generiert werden?
Ausgangspunkt ist immer ein Modell des Status quo und mögliche Entwicklungsszenarien. Diese umfassen in der Regel die Szenarien „weiter so“, „wünschenswert“ oder „problematisch“. Dafür müssen Regeln aufgestellt werden (Variablenentwicklung, räumliche Gunst- bzw. Restriktionsflächen), die durch räumliche Modellierung wie mit dem Land Use Scanner kleinräumig auf die Fläche übertragen werden.
Wie wird das IÖR-Informationssystem in Zukunft weiterentwickelt?
Wir werden ab 2023 ein IÖR-Forschungsdatenzentrum (IÖR-FDZ) aufbauen. Dieses wird neben dem Ausbau und der FAIR-gerechten (findable, accessible, interoperable, reusable) Gestaltung des IÖR-Monitors zur Einbindung in die entstehende Nationale Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) zusätzliche Geodatenbanken zum Städtischen Einzelbaumbestand – etwa die Baumcloud – beziehungsweise zum Gebäudebestand enthalten. Daneben werden Informationssysteme (unter anderem zum Stand von Transformationsprozessen) und Services aufgebaut. Mit Letzterem sollen die Nutzer noch besser über die Datennutzungsmöglichkeiten informiert werden, diese aber auch im Sinne eines Co-Design-Prozesses zum Beispiel in die Indikatorenentwicklung einbeziehen.
Nutzen Sie auch Citizens Science-Ansätze zur Datengewinnung?
Ja, derartige Ansätze sind unverzichtbar, denn viele Daten lassen sich nicht durch Fotos oder Sensoren erheben, sondern brauchen den Menschen. So haben wir zum Beispiel mit Hilfe von Bürgern Stadtgründaten im Rahmen des Projekts meinGrün erhoben und bieten diese nun allen in der gleichnamigen App an. Diese informiert Bürger über optimale grüne Wege und die Eignung von Stadtgrünflächen hinsichtlich der von ihnen gewünschten Aktivitäten.
Wie können die Daten, Informationen und Instrumente verfügbar gemacht werden?
Wir begrüßen den Trend zu Open Data. Zum Glück gehen der Bund, immer mehr Bundesländer und viele Städte diesen Weg.Forschung, Lehre und Praxis werden so die Entwicklung und Erprobung neuer Verfahren zum Nutzen aller ermöglicht. Denn auch die Datenhalter haben einen Gewinn – etwa durch Verbreitung und Nutzung der Produkte, Fehlerhinweise durch Transparenz mit der Möglichkeit laufender Qualitätsverbesserungen, Veredelung der Daten und so weiter. Die Daten des IÖR-Monitors sind schon immer Open Data und auch die des entstehenden IÖR-FDZ werden als Open Data zur Verfügung stehen. (sg)