Mit einem neuen Denkansatz und selbst entwickelten Meteodrohnen unterstützt ein kleines Unternehmen aus der Schweiz den amerikanischen Wetterdienst bei der Tornadovorhersage.
Auch in Europa gibt es zahlreiche extreme Wetterereignisse, die „überraschend“ auftreten und große Schäden sowie hohe Kosten verursachen. Wenn die Analyse des atmosphärischen Ist-Zustandes aufgrund fehlender Messdaten in den entscheidenden Luftschichten nur unzureichend genau ist, kann auch die Prognose nicht treffend sein.
Dieser Herausforderung stellt sich das St. Gallener Unternehmen Meteomatics AG mit seinen selbst entwickelten Meteodrohnen. Diese fliegen alle 15 Minuten 1.500 Meter senkrecht in die Höhe und zurück und nehmen kontinuierlich Temperatur-, Feuchte-, Druck- und Winddaten auf – alles Daten, die weltweit bisher in den Wettermodellen fehlen. Diese Messwerte werden in einem ebenfalls selbst entwickelten hoch aufgelösten Wettermodell verarbeitet und sorgen nachweislich für genauere Vorhersagen.
Der weite Weg von der Idee bis zum Einsatz
Gründer der Meteomatics AG ist Dr. Martin Fengler, der selbst viele Jahre in einem der führenden Wetterunternehmen in Europa gearbeitet hat. Die Idee zu den Meteodrohnen entstand jedoch in seiner Freizeit bei einem neuen Hobby, der Fliegerei. Dabei kam er häufig in die Situation, dass er morgens für den aktuellen Nachmittag und den Folgetag keine sichere Nebelprognose erstellen konnte und somit nicht wusste, ob er würde fliegen können. Ein Grund dafür waren fehlende Messdaten für solche lokalen Wetterereignisse: „Existierende Wettermodelle haben bis heute große Probleme, Phänomene wie Nebel, Hochnebel und Gewitter richtig vorherzusagen“, erläutert Dr. Martin Fengler. „Die Ursachen dafür liegen darin, dass diese Wetterphänomene zum einen von lokalen Gegebenheiten geprägt sind, und zum anderen, dass gerade aus den unteren Luftschichten (bis ca. 2.000 m über Grund) praktisch keine Messdaten verfügbar sind. Dabei entscheiden oft die Zustände in dieser Luftschicht über die Bildung oder Auflösung von entsprechenden Ereignissen wie Nebel oder Unwetter“, so der Fachmann weiter. Temperatur- und Feuchteverteilung sowie die Windsituation spielen hier eine besondere Rolle. Nur mit diesen wichtigen Informationen ist es somit möglich, die bisherigen numerischen Modelle und damit die Vorhersagen von lokalen Extremereignissen weiter zu verbessern.
Bei der Lösung dieses Problems kam Dr. Martin Fengler eine weitere persönliche Leidenschaft zugute: Technik und Drohnen. Er fand über das Internet Gleichgesinnte und die Idee einer sogenannten Meteodrohne war geboren. Ab diesem Zeitpunkt wurde hart daran gearbeitet, Drohnen zu entwickeln, die bis in Höhen von 3.000 Metern aufsteigen und Messdaten sammeln, auch unter schwierigen Wetterbedingungen wie Regen, Frost und Starkwind. Die Zulassung der Drohnen zum öffentlichen Luftverkehr war eine weitere Herausforderung. In der Regel dürfen Drohnen nur in Sichtweite fliegen, also nicht höher als zum Beispiel 100 Meter.
Die Zulassung zum Luftverkehr muss man für jedes Land separat beantragen.
Die Drohnen im Einsatz
Unterdessen hat die Meteomatics drei verschiedene Drohnenmodelle entwickelt, die unter unterschiedlichen Bedingungen im Einsatz sind. Die größte Meteodrohne XL fliegt bis zu einer Höhe von 3.000 Metern und kann sowohl für meteorologische als auch für umwelttechnische Messungen genutzt werden. Die kleinste Drohne wird von sechs Motoren angetrieben und wiegt nur 700 Gramm. Diese sogenannte „Severe Storms Edition“ steigt mit knapp 20 m/s in die höheren Luftschichten auf und kann bei Windgeschwindigkeiten von bis zu 75 km/h fliegen. „Die Sensoren messen mit hoher Genauigkeit. Dies wurde während verschiedener Messkampagnen in den USA und in England sowie unter Laborbedingungen in einem Windkanal bestätigt“, berichtet Dr. Fengler. Die Meteodrohnen sind momentan im Nordosten der Schweiz installiert und steigen jede Nacht im Vietelstundentakt 1.500 Meter nach oben. Die Messdaten werden via Internet sofort in die Datenbank der Meteomatics übertragen und stehen somit zur Weiterverarbeitung im hauseigenen Vorhersagemodell SWISS1k zur Verfügung.
Dass das Verfahren funktioniert, hat sich in der Praxis bereits bestätigt. Vor allem im Norden der Schweiz konnten aufgrund der zusätzlichen Messdaten signifikant bessere Prognosen erstellt werden. So konnte im April des vergangenen Jahres ein plötzlicher Wintereinbruch in St. Gallen präzise vorhergesagt werden, während alle anderen Vorhersagemodelle dieses Ereignis in seinen Ausmaßen nicht andeuteten. „Die Infrastruktur war einen kompletten Tag lang lahmgelegt, da Polizei, Winterdienste und Öffentlicher Nahverkehr darauf nicht eingestellt waren“, erinnert sich Dr. Fengler.
Auch weitere Unwetterereignisse, die durch umstürzende Bäume oder Hagel zu großen Schäden führten, waren mit SWISS1k vorauszusehen. Auch bei den Nebelvorhersagen sind nach Auskunft des Entwicklers deutliche Verbesserungen in der Vorhersage zu sehen. Vor allem der Umstand, wann sich Nebel auflöst beziehungsweise ob er sich überhaupt erst bildet, könne inzwischen präziser vorhergesagt werden. Derzeit nimmt die Meteomatics an einem Projekt des Flughafens Zürich und der SWISS International Air Lines AG teil. Hier werden die durch Drohnendaten verbesserten Vorhersagen der Wolkenuntergenzen und Nebelsituationen untersucht.