
Blick über das Bonner 3D-Mesh – und das angrenzende Siebengebirge. Für das 3D-Datenprodukt wurden Teile aus den Datensätzen der Bundesländer Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen integriert. Foto: Geoplex GIS GmbH
Bei der Kombination Bonn und 3D-Stadtmodellen mögen viele Experten spontan an den Workshop „3D-Stadtmodelle“ denken, der regelmäßig (bis auf dieses Jahr) im November in der Beethovenstadt stattfindet. Wie genau die Veranstaltung auch die eigenen Aktivitäten im Bereich 3D-Modellierung beeinflusst hat – darüber lässt sich trefflich spekulieren. Objektiv nachvollziehbar jedoch ist der Fakt, dass die Beethovenstadt seit diesem Jahr eine durchaus signifikante Leuchtturm-Rolle in der Szene spielt. Denn die Stadt hat ihr Gebiet nicht nur in einer hohen Auflösung von drei Zentimetern über Grund befliegen und zugleich Schrägluftbilder erstellen lassen, sondern aus diesen High-End-Daten auch ihr 3D-Stadtmodell auf Grundlage eines 3D-Mesh aufgebaut – einer noch relativ jungen Form der Datenmodellierung, die eine sehr detaillierte und photorealistische Visualisierung ermöglicht. Das Modell wird durch die Technologie PlexMap des Osnabrücker Herstellers Geoplex via Internet dargestellt – bisher nur verwaltungsintern, im ersten Quartal 2021 soll es dann auch der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden.
3D-Mesh als neues Paradigma
3D-Meshes sind Modelle, die aus photogrammetrisch aufgenommenen Luftbilddaten abgeleitet werden. Ihr wesentliches Merkmal ist, dass alle Oberflächen texturiert sind. Dies geschieht über Befliegungen, bei denen eine Schrägluftkamera die üblichen Senkrechtbilder (Nadir) ergänzt. Auf Grundlage dieser Daten entsteht eine hochauflösende Dreiecksvermaschung, die ein äußerst realitätsnahes Abbild der Stadt bietet und eine Alternative zu der üblichen semantischen Modellierung nach dem CityGML-Standard darstellt. Zwar sind die Vorteile eines 3D-Mesh in der Theorie bereits seit ein paar Jahren bekannt, doch einige technische Barrieren haben den Rollout in der Praxis noch verhindert. Vor allem der Datenumfang eines solchen Modells ist weitaus größer. „Die Gigabyte laufen bei der Visualisierung nur so durch die Kanäle“, sagt Jochen Wagner vom Amt für Bodenmanagement und Geoinformation in Bonn.
War die Verarbeitung solch gigantischer Datenmengen in der Vergangenheit noch problematisch, hat sich das mit der Etablierung der WebGL-Technologie bei modernen Browsern geändert. Nun stehen die Grundlagen zur Verfügung, um 3D-Meshes mit ansprechender Performance im Web zu visualisieren. In Bonn sorgt das „für eine extrem performante Visualisierung via Internet“, beschreibt Wagner. Dafür reicht die heute übliche Standardausstattung von Computern und mobilen Endgeräten aus.
Vorteile auch bei der Fortführung
In einer solch leistungsfähigen Visualisierung sieht die Stadt Bonn die Zukunft der 3D-Stadtmodelle. Der realistische Eindruck und die schnelle intuitive Visualisierung seien Grundvoraussetzungen dafür, dass sich „die Technologie quer über die Stadtverwaltung und als Instrument der Öffentlichkeitsarbeit durchsetzt“, sagt Wagner.
Ein großer Vorteil liegt aus Sicht der Stadt dabei auch in der Aktualität der Daten. Denn das 3D-Mesh wird aus Befliegungsdaten abgeleitet, die regelmäßig von der Stadt beziehungsweise den betroffenen Bundesländern durchgeführt werden. „3D-Meshes sind daher im Vergleich zu den semantischen Modellen auf Basis von CityGML wesentlich aktueller“, sagt Wagner. Aufgrund der Schrägbilder gibt es lediglich bei Visualisierungen im Bereich der Straßeninfrastruktur, insbesondere in tieferen Häuserschluchten, noch leichte Einschränkungen. „Dort befinden sich noch einige Artefakte“, so Wagner. Für die Zukunft seien Konzepte vorstellbar, bei denen die Daten aus Straßenbefahrungen das 3D-Modell ergänzen könnten
Für die Stadtplanung nutzbar
Ein wichtiges Anwendungsfeld finden 3D-Meshes im Bereich der Stadtplanung. Bonn setzt dafür auf den PlexMap Planer, eine Funktion innerhalb von PlexMap 3D, mit der sich Daten von Stadtplanern oder Architekten in das 3D-Stadtmodell und auch in ein 3D-Mesh einbinden lassen, um etwa Verschattungs- oder Sichtbarkeitsanalysen durchzuführen. Das Tool könne, so Wagner, in sämtlichen Planungsphasen genutzt werden und komme auch für fachliche Fragestellungen und Diskussionen sowie in Zukunft auch für partizipative Prozesse zum Einsatz. Da die intuitive Visualisierung so wichtig ist, stand die Stadt Bonn auch vor einer speziellen Herausforderung: Für die Stadt ist die Darstellung des Siebengebirges, das südöstlich von Bonn gelegene Mittelgebirge, enorm wichtig, da es zum Weichbild und zum Image der Stadt einfach dazugehört. Einziges Problem dabei: Das Siebengebirge gehört verwaltungstechnisch nicht zum Stadtgebiet, zum Teil liegt es sogar in Rheinland-Pfalz, sprich die notwendigen Daten kommen aus ganz anderen Quellen und mussten in das 3D-Mesh integriert werden.
Dazu nutzte die Stadt die Funktion Multi-DGM innerhalb des PlexMap Switchboard, dem Herzstück der Geoplex-Technologie, mit dem man Geodaten und Geofunktionen über automatisierbare Workflows kombinieren und verarbeiten kann. Multi-DGM sorgt in dem Fall dafür, dass Geländemodelle verschiedener Herkunft und Auflösung homogen zusammengeführt werden können. Auch diesbezüglich nimmt Bonn im bundesweiten Vergleich eine Vorreiterrolle ein. (sg)