In den letzten Jahren haben 3D-Stadtmodelle in den deutschen Kommunen eine Menge Anwendungsfelder erobern können. Und immer wieder kommen neue Themen hinzu. Wie etwa bei der Stadt Dresden, die im letzten Jahr ein groß angelegtes Projekt zum Thema Risiken durch lokale Starkregenereignisse aufgelegt hat.
Üblicherweise erstellen Städte Hochwassergefahrenkarten innerhalb von 2D-Karten. In Dresden war man sich aber im Klaren darüber, dass dies für die anspruchsvolle Kommunikation und als Instrument für die Bürgerbeteiligung nicht ausreichen würde. Daher war die Nutzung des 3D-Stadtmodells von Anfang an im Projektplan vorgesehen. Entscheidend war dabei die Aufgabe, das bestehende LOD2-Modell für die spezifischen Anforderungen der Hochwasseranalysen zu erweitern.
Projekt WAWUR
Das Projekt „Wild abfließendes Wasser in urbanen Räumen“, kurz WAWUR, wird vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit finanziert. Hintergrund des von Juli 2019 bis Juni 2022 laufenden Projekts sind die durch den Klimawandel auftretenden verstärkten Risiken durch Starkregenereignisse. Bundesweit gab es nach Auskunft des Versicherungsverbandes GDV in den letzten 18 Jahren 1,3 Mio. Wohngebäudeschäden durch Starkregen. Die Schadenshöhe beträgt insgesamt 6,7 Milliarden Euro.
Städte und Kommunen sind also gefordert, mit diesen Risiken umzugehen. Obwohl sie gesetzlich nicht dazu verpflichtet sind, geht es darum, Risiken zu bestimmen, zu lokalisieren und eine Maßnahmen- und Notfallplanung zu entwerfen. Wie andere deutsche Kommunen konnte auch die Stadt Dresden keine aussagekräftige Risikoanalyse zu Starkregenereignissen im städtischen Gebiet durchführen. So gab es zum Beispiel keine einheitlichen Informationen zu potenziellem Überstau aus der Kanalisation. Folglich waren auch keine Gefährdungskarten zu Starkregenereignissen vorhanden. Und zu guter Letzt fehlten auch systematische Kartierungen vor allem zum privaten Gebäudebestand, der gefährdet ist.
Zielstellung innerhalb des WAWUR-Projektes ist es daher, Grundstücks- bzw. Gebäudeeigentümer dazu zu motivieren, bauliche und verhaltensorientierte Eigenvorsorge gegen Starkregenschäden zu betreiben. Daher sollten durch Starkregen gefährdete Gebiete zunächst ausgewiesen werden, um dann die einzelnen Gebäude anhand ihres Schadenpotenzials zu bewerten und diese dann im Rahmen des 3D-Stadt-modells darzustellen.
Alleinstellungsmerkmal auch bei der Gebäudedarstellung
Das Projekt hat eine große Komplexität, daher setzte die Stadt Dresden auf eine intensive Zusammenarbeit zwischen Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Fachbehörden. Während das Umweltamt der Stadt die Leitung hat und das Amt für Geodaten und Kataster sowie die Stadtentwässerung Dresden GmbH mit beteiligt sind, fungierten als Umsetzungspartner das Institut für technisch-wissenschaftliche Hydrologie GmbH, die Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden (Fachbereich Bauingenieurwesen) sowie die Firma Virtual City Systems GmbH aus Berlin.
Allein die Darstellung der Starkregengefahrenkarten im 3D-Modell ist ambitioniert und hat in Deutschland eine Leuchtturmfunktion. Aber die Landeshauptstadt Dresden geht noch einen Schritt weiter. „Für die Aufgabe, die komplexen Aussagen für die Öffentlichkeit verständlich dar-zustellen, benötigten wir auch eine detailliertere Darstellung der privaten Gebäude mit spezieller Berücksichtigung des Starkregenrisikos“, sagt Dr. Katja Maerker vom Umweltamt der Landeshauptstadt.
Projektverlauf
Im Projekt wurden zunächst die Niederschlagsdaten der Jahre 2000 bis 2018 analysiert. Für jedes Regenereignis (Belastungsszenario) werden die Gefährdungsbereiche mit Wasserstand, Fließgeschwindigkeit und Fließrichtung berechnet. Dazu wird ein 2D-Oberflächenabflussmodell, kombiniert mit einem 1D-Kanalnetzmodell, eingesetzt. Aus Überlagerung der verschiedenen Belastungsszenarien ergeben sich Starkregengefahrenkarten. Diese werden dann im Projektverlauf (oder: zukünftig) in das 3D-Stadtmodell übertragen.
Anspruchsvoller war die Berücksichtigung der Gebäudedarstellung. Das Dresdner 3D-Stadtmodell beinhaltet eine Gebäudestruktur in LoD2, die Gebäude sind also „nur“ in Form einfacher Kubaturen mit standardisierten Dachformen abgebildet. Ziel war es, die anhand des Risikos klassifizierten Gebäude inklusiver umfangreicher Sachdaten zu integrieren.
Unter der Leitung des Fachbereichs Bauingenieurwesen der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden (HTWD) wurde eine Typisierung der Gebäude entwickelt, die die Vulnerabilität der Gebäude berücksichtigt. Dabei wurde eine Matrix-artige Klassifizierung entwickelt, bei der die Gebäude zunächst anhand ihres Baualters eingeteilt wurden, in zweiter Ebene anhand ihres Typs (Reihenhaus, Einfamilienhaus etc.), so dass 22 Einzelklassen aufgestellt wurden.
Automatisierte, regelbasierte Workflows
Zuletzt wurden die Daten in drei Stadtteilen in Testgebieten anhand einer Vor-Ort-Begehung erfasst. Die HTWD hat dazu Gebäudedaten von rund 1.000 Wohngebäuden kartiert. Doch wie kommen diese Informationen in das 3D-Stadtmodell? Und wie kann ein automatisierter Prozess für die Erweiterung des Datenmodells aufgebaut und die Informationen im 3D-Stadtmodell visualisiert werden?
Für diesen Teilbereich des WAWUR-Projektes war die Firma M.O.S.S. zuständig, die hierfür das vorhandene novaFACTORY-Modul FEATURE 3D weiterentwickelte. Mit Hilfe des novaFACTORY-Moduls wurden zunächst parametrisierbare, differenzierte 3D-Baukörpermodule für die verschiedenen, spezifizierten 22 Gebäudetypen vollautomatisch erstellt, jeweils mit separaten 3D-Baukomponenten für Kellergeschoss, Erdgeschoss und Etage. Die Baukörpermodule werden typisiert dargestellt, bekommen aber eine realistische Darstellung inklusive Fenstern, Balkonen und Türen. „Dazu haben wir ein umfassendes Regelwerk für die automatische Berücksichtigung dieser Gebäudeelemente entwickelt“, erklärt Ines Koppenhagen von M.O.S.S..
Für die Erzeugung der Realgebäude wurde zunächst die LoD2-Außenhülle aus dem 3D-Stadtmodell verwendet. Die Dächer inklusive der Gauben wurden ebenfalls aus den LoD2-Daten übernommen, da sie schon recht gut realitätsgetreu vorliegen. „Diese Einpassung auf die Realgebäude ist zum Teil sehr anspruchsvoll, sie besitzt nicht nur LoD3-Komponenten, sondern sogar Detaildaten zu den Innenräumen, was dem LoD4 entspricht“, so die Projektmanagerin.
Das Design des Workflows in novaFACTORY begann dabei bereits bei der Übernahme der Gebäudedaten, die von der HTWD erfasst wurden. Dazu wurden zunächst Regeln erstellt und Parameter definiert, welche sich dann in entsprechenden json-Dateien widerspiegeln, die automatisiert in novaFACTORY verarbeitet wurden. Die jeweiligen Identifikationsnummern der Gebäude sowie der Gebäudetyp waren dabei der Ankerpunkt des Workflows. Ausgegeben werden die 3D-Gebäudemodellierungen sowohl in den Formaten CityGML als auch in 3D-Shape.
Die Darstellung der typisierten 3D-Gebäude kann bereits auf dem Projektportal der Stadt Dresden angesehen werden. „Damit haben wir ein hervorragendes Tool für die weitere Projektarbeit und können nicht nur die Wohnungseigentümer viel enger einbinden, sondern auch die gesamte Projektkommunikation mit der intuitiven Visualisierung begleiten“, sagt Maerker. So zeige sich, wie wertvoll 3D-Stadtmodelle sein können, wenn sie für spezifische fachliche Fragestellungen weiterent-wickelt werden. (sg)