Die Rehm Software GmbH hat verschiedene Softwarelösungen entwickelt, mit denen Starkregengefahrenkarten erstellt werden können. Auf dieser Basis kann das Risikomanagement innerhalb von Kommunen und Städten verbessert werden.
Seit einigen Jahren schon gewinnt das Thema „Urbane Sturzfluten“ – also die integrierte Betrachtung von Oberflächenabfluss und innerstädtischer Abwassersysteme – immens an Relevanz für Kommunen, Ingenieurbüros und Planer. Ein immer stärker verdichteter Lebensraum sowie insbesondere sich häufende Starkregenereignisse sind Katalysatoren dieser Entwicklung. Im Gegensatz zu normalem Niederschlag zeichnet sich ein Starkregenereignis durch begrenzte Lokalität, eine kurze Dauer und einen sehr intensiven Niederschlag aus (siehe Kasten).
In der Folge entfalten die anfallenden Wassermassen in kurzer Zeit eine große Wirkung und reißen nicht nur diverses Treibgut wie Holz, Geröll oder Erde mit, sondern sie überschreiten auch die Bemessungsgrenzen der Kanalnetze, wodurch große Bereiche unter Wasser gesetzt werden könnten. Dies führt in der Folge zwangsläufig zu Beschädigungen an Gebäuden sowie Infrastruktur. „Vor diesem Hintergrund ist es für Kommunen sehr wichtig, sich im Vorfeld mit Starkregenereignissen auseinanderzusetzen, um eine detaillierte Gefahrenanalyse durchführen zu können“, weiß Christian Madlener, Informatiker bei der Rehm Software GmbH. Das Unternehmen aus dem baden-württembergischen Berg fungiert als Anbieter von Komplettlösungen im Bereich der Stadtentwässerung, der Wasserversorgung oder dem Gewässerbau.
Sinn und Nutzen von Starkregengefahrenkarten
Um eine möglichst genaue Aussage über die potenziellen Auswirkungen eines Starkregens treffen zu können, hat sich das Erstellen einer Starkregengefahrenkarte (SRGK) als wichtiges Instrument erwiesen. Einer der Anbieter für Software zur Erstellung solcher Karten ist die Rehm Software GmbH. „Eine solche SRGK ist das Resultat der softwaregestützten Modellierung eines Gebiets und visualisiert die Fließwege und Überflutungen, die ein Starkregenereignis in diesem Bereich erzeugt“, erklärt Madlener und führt aus: „Dadurch können Kommunen die Fließwege des Oberflächenabflusses bewerten und beurteilen, wo er sich sammelt und wo in Folge Schäden entstehen können.“ Auf dieser Basis können dann entsprechende Maßnahmen getroffen werden, um Schäden durch Starkregenereignisse zu vermeiden oder abzuschwächen.
Bevor die Analyse einer Starkregengefahrenkarte erfolgen kann, muss das zu betrachtende Gebiet modelliert werden. Dabei kann beispielsweise die Rehm-Softwarelösung FLUSS zum Einsatz kommen, die die Berechnung mit zweidimensionalen tiefengemittelten Flachwassergleichungen unterstützt und die aus zwei Modulen besteht: FLUSS-1D für die eindimensionale Wasserspiegelberechnung sowie FLUSS-2D für die zweidimensionale Strömungsmodellierung (2D-HN-Modelle), die insbesondere bei der Erstellung von Starkregenkarten Einsatz findet. „FLUSS-2D besteht dafür aus einem grafischen und einem numerischen Teil“, berichtet Madlener. „Der grafische Teil dient unter anderem zur Aufteilung des Strömungsgebietes, zur Generierung und Nachbearbeitung des Berechnungsnetzes, zur Definition von Anfangs- und Randbedingungen, zur Zuordnung von Rauheitswerten und zur Erfassung von Sonderbauwerken sowie Darstellung der Berechnungsergebnisse.“ Diese grafische Bearbeitung kann mit FLUSS-2D im Rahmen von ArcGIS Pro, AutoCAD oder BricsCAD durchgeführt werden.
Entkoppelte und gekoppelte Berechnung
Wann gilt Regen als Starkregen?
Von Starkregen spricht man bei großen Niederschlagsmengen je Zeiteinheit. Starkregenereignisse können überall auftreten und zu schnell ansteigenden Wasserständen und Überschwemmungen führen. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) warnt vor Starkregen in drei Stufen:
- Regenmengen 15 bis 25 l/m2 in 1 Stunde oder 20 bis 35 l/m2 in 6 Stunden (Markante Wetterwarnung)
- Regenmengen >25 bis 40 l/m2 in 1 Stunde oder 35 bis 60 l/m2 in 6 Stunden (Unwetterwarnung)
- Regenmengen >40 l/m2 in 1 Stunde oder >60 l/m2 in 6 Stunden (Warnung vor extremem Unwetter)
Für die Planung und Dimensionierung von z.B. Stadtentwässerungsnetzen werden statistische Auswertungen zu Starkniederschlagsereignissen genutzt. Hier wird von Starkniederschlag gesprochen, wenn die Niederschlagshöhe einer bestimmten Zeiteinheit im statistischen Mittel am betrachteten Ort nur einmal im Jahr oder seltener auftritt. (jr)
Mithilfe der FLUSS-Software ist es möglich, das Gelände, die Straßen sowie Gebäude in einem 2D-Modell abzubilden, um ein möglichst genaues Bild der Realität zu erhalten. Zudem können satellitenbasierte Hintergrundkarten in der Lösung dargestellt werden, um dem Planer die Orientierung zu erleichtern. Ebenso kann FLUSS durch seine Integration in ein GIS-System auch auf GIS-basierte Datensätze zurückgreifen, die in Kommunen schon vielfach vorhanden sind.
„Bei der sich daran anschließenden Berechnung unterscheidet man zwischen entkoppelter und gekoppelter Berechnung“, so Informatiker Madlener. Die entkoppelte Simulation von Sturzfluten ist dann die geeignete Methode, wenn der (Extrem-)Niederschlag in einem 2D-HN-Oberflächenabflussmodell abgebildet werden sollen – ohne dass das Kanalnetz eine Rolle spielt. Alle N-A-Prozesse finden demnach im 2D-Modell statt. Dabei ist es unerheblich, ob eine Straße oder ein Vorfluter modelliert und das Abflussverhalten untersucht werden soll, die Modelltechnik ist dieselbe. Basis sind die tiefengemittelten Flachwassergleichungen in ihrer ursprünglichen Form. „Gekoppelte 1D/2D-Modelle (Kanalnetz-/2D-Modell) ermöglichen eine wirklichkeitsnahe Berechnung der Überflutungsvorgänge. Der Einsatz gekoppelter Modelle erscheint dort besonders sinnvoll, wo mit einer Grobanalyse Überflutungsschwerpunkte (Hotspots) identifiziert wurden, deren Gefährdung nachfolgend einer genaueren Betrachtung unterzogen werden sollen oder wenn infolge von Schadensereignissen in der Vergangenheit bereits Handlungsbedarf besteht“, führt der Informatiker aus. Während der Laufzeit der Programme werden zudem zwischen dem Kanalnetz- und dem 2D-Modell bidirektional an Schächten und Straßenabläufen die Wassermengen ausgetauscht.
Qualitätsstandards Made in Baden-Württemberg
Um bei der Gefahrenanalyse und dem Anfertigen von Starkregengefahrenkarten einen Qualitätsstandard zu etablieren, hat die „Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg“ (LUBW) das sogenannte Standardreferenzverfahren für Baden-Württemberg etabliert. Damit möchte die LUBW sicherstellen, dass Planungsbüros, welche Starkregengefahrenkarten erstellen, die qualitativen Anforderungen der LUBW im Hinblick auf 2D-Modellierung erfüllen. Das Besondere daran: In Baden-Württemberg werden nur noch Konzeptionen zum Starkregenrisikomanagement gefördert, wenn das bearbeitende Ingenieurbüro die Standardreferenz vorweisen kann.
Der Zertifizierungsprozess sieht vor, dass das Ingenieurbüro ein von der LUBW vorgegebenes Referenzprojekt bearbeiten und berechnen muss. Die dabei ermittelten Ergebnisse werden von der LUBW geprüft und wenn alles korrekt ist, erhält das Ingenieurbüro die Zertifizierung. „Auch in Hessen und Nordrhein-Westfalen werden die auf diese Art ermittelten Ergebnisse inzwischen akzeptiert, weshalb davon auszugehen ist, dass sich weitere Bundesländer anschließen werden und sich dieses Modell mittelfristig bundesweit durchsetzen wird“, berichtet Madlener. „Da die LUBW Datenformate aus dem GIS-Bereich voraussetzt, kommt der bereits vorhin erwähnte GIS-Integration einer Software eine besondere Bedeutung zu, denn nur damit kann ein Projekt vorgabenkonform bearbeitet werden.“
„Mit unseren Programmen GraPS (Grafiksystem Kanal- und Wasserversorgungsnetze), HYKAS (hydrodynamische Kanalnetzberechnung) und FLUSS-2D (2D-Oberflächenabflussmodelle) sowie HYKAS-2D bieten wir die passenden Lösungen, um den Anforderungen der Starkregenvorsorge gemäß DWA-M119 gerecht zu werden und die Anforderungen der LUBW zu erfüllen. Die Programme sind für ein abgestuftes Vorgehen das ideale Werkzeug: von der Grobanalyse bis zum anspruchsvollen 2D-Modell“, resümiert Madlener. (jr)