Für ihre nächste Förderperiode ab 2023 hat die Europäische Union den Einsatz von Satellitendaten für die Flächenkontrolle bei den Agrarförderungen vorgeschrieben.

Im Rahmen der Europäischen Agrarpolitik wurde beschlossen, dass die Länder der EU Satellitendaten für die Verwaltung und Kontrolle der landwirtschaftlichen Fördermittel nutzen sollen. Foto: Blue Planet Studio / shutterstock.com
Ist bei dem Weizenfeld, für dessen Bewirtschaftung ein Landwirt aus der Magdeburger Börde Fördermittel von der Europäischen Union erhält, die richtige Fläche angelegt? Und wird dort auch tatsächlich Weizen angebaut? Ab dem Jahr 2023 soll dies per Satelliten geprüft werden – nicht nur für ausgesuchte Agrarflächen, sondern für alle Flächen in Europa. In der Branche gilt die Faustregel, dass Landwirte ihre Gewinne einzig durch die Fördermittel generieren. Die Verkaufserlöse werden komplett durch die Bewirtschaftung aufgebraucht.
Neues System AMS
Leistungen des Zentralen Kompetenzzentrum Flächenmonitoring
1. Wissens- und Arbeitsplattform
Grundlage für eine effektive Zusammenarbeit des Bundes und der Länder für den Themenbereich AMS (Area Monitoring System) soll der Aufbau einer gemeinsamen Wissens- und Arbeitsplattform auf Basis von MS SharePoint werden. Den jeweiligen Anwendungsbereichen im SharePoint können Berechtigungen dann bedarfsgerecht und selektiv zugewiesen werden. So soll zum Beispiel jeder Berechtigte EU-Dokumente und deren Übersetzung einsehen können. Wenn länderspezifisch Ausschreibungen vorbereitet werden, soll auf die Dokumente nur das betroffene Land Zugriff haben.
2. Ausschreibung und Vergabe
Das ZKF will die einzelnen Bundesländer auch hier unterstützen. Grundsätzlich ist es nach Angaben des ZKF auch angedacht, Ausschreibungen im Themenbereich AMS direkt durch das ZKF durchführen zu lassen. In der aktuellen Startphase unterstützt das ZKF die Länder bei der Erstellung der fachlichen Unterlagen, etwa der Leistungsbeschreibung. Die Ausschreibungsunterlagen werden nach Abschluss des gesamten Verfahrens allen Ländern über die Wissensdatenbank zur Verfügung gestellt.
3. Georeferenzierte Bildaufnahmen
Das ZKF hat bereits einen Workshop zu diesem Themenbereich veranstaltet. Mit dabei waren auch wissenschaftliche Einrichtungen, die sich mit der gezielten Aufnahme landwirtschaftlicher Flächen und insbesondere von Bewirtschaftungssituationen (z. B. gemulchte Fläche) befassen.
4. Automatisierte Auswertung von Bildaufnahmen
Eine große Herausforderung wird es nach Angaben des ZKF sein, die große Anzahl an aufgenommenen Bildern auszuwerten. Um dafür eine funktionierende Auswertungssoftware entwickeln zu lassen, bedarf es einer Vielzahl von Trainingsdaten, also Bildaufnahmen, die eine bestimmte Situation zeigen und zusätzlich diese Situation auch beschrieben ist. Dazu wurde zum Beispiel aktuell Kontakt mit den Betreibern des EU-Projektes LUCAS aufgenommen. Auch hier hat das ZKF einen Workshop zu diesem Themenbereich veranstaltet, da besonders im Bereich der automatisierten Erkennung von Bewirtschaftungsmaßnahmen aufwendige Forschungsarbeiten erforderlich sein werden. Aktuell wird eine Forschungskooperation zwischen dem ZKF und der TU Ilmenau angestrebt.
5. Kommunikation Verwaltung – Landwirte
Für ein funktionierendes Antrags- und Kommunikationsverfahren wird zukünftig der Antragsteller (Landwirt) noch stärker mit eingebunden werden. Die bisherige Antragstellung wird ab 2023 durch regelmäßige Informationen zum Stand der Anträge sowohl über die verschiedenen Plattformen der Bundesländer, aber auch über eine App ergänzt werden. Über die App erhält der Landwirt Aufträge, zum Beispiel die aktuelle Situation auf bestimmten Flächen durch Aufnahme eines Bildes zu dokumentieren und das Bild hochzuladen. Um die Länderverwaltungen bereits auf mögliche Herausforderungen bei der App-Nutzung vorzubereiten und Lösungs- und Reaktionsmöglichkeiten anzubieten, organisiert das ZKF einen Workshop.
6. Testlauf für Länder ohne bisheriges Flächenmonitoringprojekt
Zur beispielhaften Auswertung eines Flächendatensatzes der Antragsdaten des Jahres 2022 durch das Sentinel-Monitoring zum Beispiel über Code-DE-Cloud und Sen4CAP können Bundesländer ohne bisherige Testläufe ihre Systeme auf die neuen Abläufe im Jahr 2023 vorbereiten. Das ZKF bietet die Unterstützung bei der Auswertung als Dienstleistung für die Bundesländer an. Auch können die Ergebnisse zur Validierung eines bereits durchgeführten Monitoringprojektes genutzt werden.
7. BLAG – BundLänderArbeitsGruppen
Das ZKF ist mit seinen Aufgaben verschiedenen BLAG zugeordnet. Die Arbeitsgruppen befassen sich mit der „Übersetzung“ und „Auslegung“ der EU-Vorgaben mit dem Ziel, für alle Bundesländer einheitliche Bestimmungen zu beschreiben. Aktueller Schwerpunkt ist, die Vorgaben zur neuen Qualitätsbewertung zu beschreiben und Unklarheiten in bilateralen Gesprächen mit den zuständigen Mitarbeitern der Europäischen Kommission abzuklären. Als Vorbereitung plant das ZKF, mit Hilfe von beispielhaften Flächendaten die praktische Umsetzbarkeit zu testen.
Ein Game Changer also, nicht nur für Landwirte in Europa und die Verwaltungen der einzelnen Mitgliedsstaaten, die das dafür notwendige Management- und Kontrollsystem anpassen müssen, sondern auch für die Fernerkundungsbranche selbst. Denn mit dieser Intensivierung der Nutzung werden Satellitendaten (vor allem die Sentinel-Satelliten aus dem Copernicus-Programm) nochmal immens an Einfluss gewinnen. Kann die Überwachung per Satellit also Prozesse effizienter, gerechter und transparenter machen und dafür sorgen, dass Agrarpolitik von den Segnungen der Digitalisierung profitiert?
Konkret geht es um die Einführung des sogenannten Flächenmonitorings (AMS = Area Monitoring System) ins Integrierte Verwaltungs- und Kontrollsystem (InVeKoS). Im Rahmen der Agrarreform 2023 wird sich das bisherige System der stichprobenhaften Vor-Ort-Kontrollen (VOK) grundlegend ändern müssen. Davon sind alle EU-Mitgliedsstaaten und damit auch alle Verwaltungen der Bundesländer, also 13 Zahlstellen in Deutschland, betroffen.
Verwaltungssystem InVeKoS
Über InVeKoS wird seit 1992 die Zuverlässigkeit der Zahlungen im Bereich Flächen sichergestellt. In Zuge von AMS muss auch das gesamte System für Antragsstellung und -überprüfung der Fördermittel auf neue Füße gestellt werden.
Wesentliche Neuerung ist, dass alle Prüfprozesse systematisch auf der Auswertung von Satellitendaten basieren sollen. Genutzt werden Sentinel-Daten, die mittels KI ausgewertet werden, um Aussagen über die Zustände auf landwirtschaftlichen Flächen zu treffen. Die Sentiel-1 und Sentinel-2 Satelliten liefern alle fünf Tage ein neues Foto der Erdoberfläche. Dabei sollen die computergestützten Auswertungssysteme sich ständig selbst verbessern. Schlagworte sind hier „Deep Learning“ und „Neuronale Netze“.
Falls dieses Prinzip nicht ausreicht, können bzw. müssen die Landwirte mit geotagged Fotos ihre Flächen dokumentieren. Diese werden dann ebenfalls KI-basiert ausgewertet. Einzelne Bundesländer haben bereits Apps für die Aufnahme und das Hochladen dieser Bilder entwickeln lassen und diese Apps waren bereits im Jahr 2022 im Einsatz. Weitere Bundesländer werden ihre App im Jahr 2023 den Landwirten anbieten.
Viel mehr Austausch und Kommunikation
Die vielfältigen neuen Verwaltungsverfahren und Interaktionsprozesse zwischen Verwaltung und Landwirten müssen aufeinander abgestimmt werden und dementsprechende verlässliche Dienste entwickelt werden. AMS wird also ein neues interaktives System darstellen, sodass Zahlstellen und Landwirte in einen ständigen reziproken Austausch kommen. Hierbei können zu jedem Zeitpunkt innerhalb eines Förderjahres neue Informationen dem Prozess hinzugefügt werden. Landwirte sollen so mehr Möglichkeiten erhalten, ihre Anträge auch nach der Abgabe über einen längeren Zeitraum zu korrigieren. Zahlstellen können auch Warnmeldungen an die Landwirte übermitteln und ihnen damit die Möglichkeit geben, Abhilfemaßnahmen zu ergreifen (etwa Mähen eines Feldes). So soll auch Verstößen vorgebeugt werden. All diese Informationen müssen automatisiert, möglichst aktuell allen Beteiligten zur Verfügung gestellt werden.
Seit dem Jahr 2018 können die EU-Mitgliedstaaten bereits ein Flächenmonitoringsystem nutzen, das auf Satellitendaten basiert. Grundlage ist Artikel 40a der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 809/2014. In Deutschland haben die Bundesländer Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg bereits im Jahr 2021 damit begonnen.
Gründung ZKF
Im Januar 2021 hatten sich die deutschen Bundesländer darauf verständigt, ein Zentrales Kompetenzzentrum Flächenmonitoring (ZKF) im Rahmen der neuen GAP zu errichten und zu betreiben. Am 1. Juli 2021 nahm das ZKF seine Arbeit auf. Organisatorisch fungiert es als neue Abteilung an der Staatlichen Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (FüAk) im bayerischen Landshut. Die Aufgabe besteht darin, die Länderaktivitäten zu koordinieren, den Austausch zu gewährleisten und Methodenkompetenz bereitzustellen (siehe Interview auf Seite 11). (sg)
Was ZKF-Referent Dr. Kemal Moetz zum neuen Kompetenzzentrum zu sagen hat, erfahren Sie auf der nächsten Seite im BUSINESS GEOMATICS-Interview.